Microsoft Partner Konferenz 2013

Wie die Partner Microsofts Devices & Services-Strategie bewerten

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.

NSA nagt am Vertrauen

(v.l.) Microsoft-Deutschland-Chef Christian Illek verdeutlichte mit Channel- und Mittelstandschef Floris van Heijst das Potenzial im Markt für Big Data, Mobile, Cloud und Social Communication.
(v.l.) Microsoft-Deutschland-Chef Christian Illek verdeutlichte mit Channel- und Mittelstandschef Floris van Heijst das Potenzial im Markt für Big Data, Mobile, Cloud und Social Communication.
Foto: Microsoft

Die Erfahrung, dass sich deutsche Mittelständler gegen die Cloud sträuben, machen Partner immer wieder. "Ich hatte erst gestern ein Gespräch mit einem Kunden, der mir deutlich zu verstehen gab: ‚Wenn Sie jetzt mit der Cloud anfangen, können Sie gleich wieder einpacken. Über alle anderen Themen können wir gerne sprechen‘", berichtete beispielsweise Alexander Zirl, CTO der d.velop International, der sich auf das Geschäft mit Sharpoint und Consulting spezialisiert hat und seinen Kunden für bestimmte Szenarien durchaus Cloud-basierte Lösungen empfiehlt.

Die Späh-Affäre hat den Partnern zufolge gerade im Mittelstand die Scheu vor der Cloud spürbar vertieft. Microsoft-Chef Illek stellte sich der Debatte: "Wir geben keine Daten ohne richterliche Anweisungen an irgendjemanden heraus und wir veröffentlichen dazu regelmäßig einen Transparenzbericht. Im vergangenen Jahr gab es 19 Anfragen, die Firmenkunden betrafen. All diese Anfragen kamen aus den USA und waren ausschließlich auf amerikanische Firmen bezogen."
Der Interessenkonflikt zwischen Anbietern, Politik und Nutzern habe sich dramatisch zugespitzt, bemerkte der Deutschlandchef sichtlich genervt. Jetzt sei die Politik gefordert, zumal die Datenschutzdebatte im Ausland niemanden interessiere: "Wir benötigen auf internationaler Ebene gemeinsame Standards sowohl für den Datenschutz als auch für die Regelungen zum Zugriff staatlicher Stellen auf Daten." Gleichzeitig appellierte Illek an die Partner, ihre Kunden über Möglichkeiten zur Absicherung und Verschlüsselung von Daten aufzuklären: "Häufig stehen hier Tür und Tor offen."

Hausgemachte Hürden

Doch nicht nur die Späh-Affäre hat Microsofts ambitoinierte Cloud-Pläne hierzulande ausgebremst, auch Hausgemachtes trug dazu bei. So dauerte es bei Office 365, dem Flaggschiff im Cloud-Portfolio, fast zwei Jahre, bis Microsoft die Vorschläge Partner aufgriff und die Vertrags- und Vergütungsmodelle so anpasste, dass der Verkauf von Office 365 für den Channel überhaupt erst interessant wurde (Office Open und FPP). Damit verstrich wertvolle Zeit. Allerdings müssten Partner die Lizenzen bei den Open- und FPP-Modellen für ein Jahr im Voraus bezahlen, kritisierte ein Systemhausvertreter aus Düsseldorf. Und die Bezahlung per Kreditkarte könne nach wie vor nur vom Endkunden erfolgen, was dazu führt, dass Microsoft nach wie vor die Endkundendaten erhalte - ein Tabu für viele Reseller.

Wie attraktiv Office 365 inzwischen tatsächlich für den Channel in Deutschland geworden ist, lässt sich momentan nicht ermessen. Zwar konstatierte Channelchef van Heijst "Office ist das am schnellsten wachsende Produkt in der gesamten Firmengeschichte", bezogen auf die weltweiten Verkäufe. Doch auf die Frage, welcher Anteil an diesen Lizenzen Microsoft direkt verkauft hat, und welcher Teil auf das Konto der Partner geht, gab der Hersteller bislang noch keine Auskunft

Erstaunlicherweise klammerte Microsoft auf der Partnerkonferenz das Thema SPLA (Microsoft Service Provider Licence Agreement) komplett aus, obwohl das Modell inzwischen über Office hinaus auch viele weitere Themen zum Fliegen gebracht habe, wie van Heijst es formulierte. Im Gegensatz zu Office 365 beispielsweise übernimmt beim SPLA-Modell der Partner das Hosting für die Lösungen selbst, und bietet sie mit eigenen Diensten veredelt dem Kunden an. Die Preisgestaltung ist beim SPLA-Konzept komplett dem Partner überlassen.

Partner stecken in der Zwickmühle

Wie intensiv sich Partner mit der Cloud und den Möglichkeiten im Hinblick auf Industriekunden bereits befassen, war auf der Konferenz deutlich zu vernehmen. Sie verweigern sich dem Thema keineswegs. "Viele Partnern haben schlichtweg Angst und sind unsicher", beschrieb einer der Teilnehmer die Stimmungslage. Auf der einen Seite ist ihnen klar, dass Anwenderunternehmen, die sich der Cloud-Technologie verweigern, vom globalen Wettbewerb abgehängt werden könnten und somit auch als IT-Kunden verloren wären.

(v.l.)Jochen Werling, CIO von Sixt(2. v. l.), Alfons Wahlers, Director Group IT bei der Dorma Holding, und Ralf Eiberger, Plattformmanager bei Fiducia, zeigten Best-Practice-Beispiele für den Einsatz von Office 365, Azure und Tablets in Verbindung mit Cloud-basierten Apps.
(v.l.)Jochen Werling, CIO von Sixt(2. v. l.), Alfons Wahlers, Director Group IT bei der Dorma Holding, und Ralf Eiberger, Plattformmanager bei Fiducia, zeigten Best-Practice-Beispiele für den Einsatz von Office 365, Azure und Tablets in Verbindung mit Cloud-basierten Apps.
Foto: Microsoft

"Ob in der Fertigungsindustrie oder im Dienstleistungssektor - meines Erachtens überschätzen viele deutsche Unternehmen ihre Position im internationalen Wettbewerb. Sie halten sich noch immer für die Technologieführer und verharren auf bestehenden Strukturen. Sie unterschätzen die Dynamik der aufstrebenden Länder - aber auch das Tempo, mit denen Newcomer aus dem eigenen Land ihnen gefährlich werden können", erklärte ein Systemhauspartner aus der Nähe von Soest. Er kümmert sich deshalb verstärkt um Neukunden und Startup-Unternehmen, mit denen er auch die meisten Cloud-Projekte umsetzt.

Gleichwohl sichern diese - auch IT-seitig - konservativ agierenden Firmen den Partnern das umsatzstarke Geschäft mit klassischen Infrastruktur- Integrations- und Service-Diensten. "Die Frage ist eben nur: Wie lange?", sagt ARTADA-Chef Haydarlioglu.

Obendrein müssen Dienstleister, die ihr Geschäft in Richtung Cloud drehen, nicht nur während der Übergangsphase mit kleineren Umsatz-Tranchen zurechtkommen. Für jeden Bestandskunden, der sich für das Cloud-Modell entscheidet, muss der Partner ein Vielfaches an Neukunden gewinnen, um den bisherigen Umsatz auch nur annähernd zu halten. Denn viele zusätzliche Dienstleistungen, die er bei On-Premise-Projekten wiederkehrend mitverkaufen konnte - bei der Einrichtung von Servern beispielsweise die Konfiguration, Integration und Wartung, oder individuelle Anpassungen von Anwendungen - entfallen.

Auch jenseits dieser kaufmännischen Aspekte tauchen Fragen auf: "Was mache ich mit meinem Kunden, der bislang seine aus Sage heraus generierten Rechnungen auf Word-Basis erstellt hat? Wie soll ich denn in der Office 365-Variante die Markos für die automatisierten Schnittstellen zum ERP-System erstellen? Und sollte das gelöst werden: Was passiert mit diesen Makros beim nächsten Office-Update, das automatisch eingespielt wird?", skizzierte ein Düsseldorfer Systemhaus ein mögliches Problem.

Cloud-Angebote sind in der Regel stark standardisiert, klassische Dienstleistungen entfallen damit. Preislich hat er kaum einen Handlungsspielraum. Sollte es dem Dienstleister gelingen, sich erfolgreich als Cloud-Anbieter zu positionieren, könnten ihm deshalb seitens der traditionellen großen Service Provider starke Konkurrenten erwachsen, die diese Standardangebote weitaus günstiger anbieten können. Wer diese Klippe umschiffen will, muss sich zum Unternehmensberater, zum Trusted Advisor wandeln, wie es Bechtle-Chef Michael Guschlbauer kürzlich formulierte. "Das ist allerdings ein Riesenschritt, ein ganz anderes Modell, das sich nicht von heute auf morgen umsetzen lässt", weiß Haydarlioglu. "Der Wettbewerb unter den Dienstleistern und Systemhäusern wird sich deshalb dramatisch verschärfen, viele werden aufgeben müssen."

Zur Startseite