Interaktive Whiteboards

Wie die Tafel digital wurde

Alexandra Perry ist freie Redakteurin aus Friedrichshafen.
Auch wenn Schulen hierzulande noch bei der IT-Ausstattung hinterherhinken, haben doch in vielen Klassenzimmern digitale Whiteboards bereits Einzug gehalten. Immerhin gibt es den Tafelersatz bereit seit über zehn Jahren.

Noch hat die altgediente Kreidetafel ihren festen Platz in den allermeisten Klassenzimmern in Deutschland. Den Blick geradeaus auf sie gerichtet, saßen Generationen von Schulkindern in ordentlichen Reihen an Holztischen. Denn seit dem 18. Jahrhundert gehört die Wandtafel samt Kreide, Schwamm und "Tafeldienst" zum Standard im hiesigen Schulbetrieb. Doch nun scheint auch in Deutschland das Ende der "Kreidezeit" eingeläutet: Mit den Geldern aus dem "Digitalpakt Schule" öffnen Bund und Länder die Tür zu einer digitalen Ausstattung aller Schulen und damit zu einer neuen Form des Lehrens und Lernens. Im Rückblick ein langer Weg bis hierhin, mit nur wenigen Zwischenstationen.

Seit über zehn Jahren werden digitale Whiteboards bereits in Klassenzimmern eingesetzt. Im europäischen Vergleich liegen deutsche Schulen aber mit der Ausstattung zurück.
Seit über zehn Jahren werden digitale Whiteboards bereits in Klassenzimmern eingesetzt. Im europäischen Vergleich liegen deutsche Schulen aber mit der Ausstattung zurück.
Foto: Clevertouch

Lange Zeit gab es ausschließlich Frontalunterricht an der Kreidetafel. Gruppen- und Freiarbeit für die Schüler waren fast ebenso unvorstellbar wie Digitalisierung und interaktive Medien. Erst ab den 1970er Jahren gesellten sich zur bewährten Tafel neue Medien zur Unterrichtsgestaltung hinzu. Eine Errungenschaft war der Tageslichtprojektor: Er diente dazu, den Lehrervortrag anhand von Folien zu unterstützen.

Mit dem Videoprojektor ("Beamer") Anfang der 1990er gab es dann die erste kleine Digitalisierung in den Klassenzimmern; mehr als ein oder zwei Geräte pro Schule waren im Budget allerdings nicht drin. Die Trendwende zur Digitalisierung lässt sich ziemlich genau auf die Einführung des iPhones im Jahr 2007 datieren. Bereits seit den späten 1990ern hatte es Smartphones gegeben, aber erst dann entstand ein breiter Massenmarkt. Durch den permanent mitgeführten, mobilen Internetzugang und die Touch-Funktion der jetzt berührungsempfindlichen Bildschirme, setzte sich diese Form der Anwendung rasch durch. Nun kamen immer neue interaktive Produkte auf den Markt und die Preise sanken.

Weiß wird zum neuen Grün

Die britische Firma Sahara brachte beispielsweise bereits 2009 unter dem Markennamen Clevertouch ein interaktives Touch-Display speziell für die Schule heraus. Zunächst war die Resonanz verhalten, aber es war ein visionärer Schritt in die richtige Richtung. Heute sind Schulen in vielen westeuropäischen Ländern im Gegensatz zu Deutschland größtenteils mit digitalen Whiteboards ausgestattet. Neben Clevertouch tummeln sich mittlerweile viele weitere Anbieter auf diesem sehr spezifischen Markt, beispielsweise ENO, Hitachi, NEC, Microsoft und Ricoh sowie Promethean mit der Marke Active Board und Smart Technologies mit den Smart Boards. Praktisch alle Hersteller setzen für den beratungsintensiven Projektvertrieb im Bildungsbereich auf den qualifizierten Handel.

Die neuesten Entwicklungen bei Whiteboards verfeinern die Touch-Technologie immer mehr: Projected Capacity Touch (PCT oder PCAP) beispielsweise ist eine Weiterentwicklung des Surface Capacitive Touch. Hier befindet sich der Touch-Sensor unter dem Glas; das macht diese Technologie besonders robust. Die Electronic Capacitive Technology (E-CAP) wiederum nutzt Infrarotsensoren und ermöglicht so ein besonders schnelles Erkennen von Berührung durch Hand oder Stift.

Die Lehrkraft - Gatekeeper der digitalen Lernwelten

Ein digitales Whiteboard ist nicht weniger als Schultafel, Flipchart, Whiteboard, Display und Touchscreen in einem: Mit einem Computer verbunden ermöglicht es, über eine berührungssensitive Oberfläche Dokumente zu bearbeiten, Bilder und Videos abzuspielen, E-Mails zu versenden, kurzum: Jegliche Anwendung des Rechners mit Stift, Finger und "Schwamm" intuitiv zu steuern. Lehrer oder Schüler schreiben oder wischen dabei virtuell und der Computer erzeugt das Bild. Mit einem interaktiven Whiteboard lassen sich über ein vom Computer angezeigtes Bild handschriftliche Ergänzungen legen. Ähnlich PowerPoint lassen sich Ebenen definieren, die nach und nach eingeblendet werden. Auch das dynamische Einbinden von Medien (Videodateien, Musikclips, Inhalte aus dem Internet) in den Anschrieb ist möglich. So lasse sich beispielsweise ein Arbeitsblatt unter einen Visualizer legen und Notizen hinzufügen. Ein einmal entwickeltes Tafelbild kann gespeichert werden, um es später weiter zu verwenden oder den Schülern als Lernunterlagen zur Verfügung zu stellen. Lehrer können so die Lerninhalte auf eine ganz neue, packende und begeisternde Art vermitteln. "Mit digitalen Medien und Lernangeboten können Schüler besser in ihrer individuellen Lerngeschwindigkeit (z.B. an einem Tablet) lernen", meint auch Wilfried Tollet, Sales Manager beim britischen AV Distributor Sahara und zuständig für die Eigenmarke Clevertouch in Deutschland.

 "Mit digitalen Medien und Lernangeboten können Schüler besser in ihrer individuellen Lerngeschwindigkeit lernen", Wilfried Tollet, Sales Manager beim britischen AV Distributor Sahara und zuständig für die Eigenmarke Clevertouch in Deutschland.
"Mit digitalen Medien und Lernangeboten können Schüler besser in ihrer individuellen Lerngeschwindigkeit lernen", Wilfried Tollet, Sales Manager beim britischen AV Distributor Sahara und zuständig für die Eigenmarke Clevertouch in Deutschland.
Foto: Sahara Presentation Systems PLC

Mit den Whiteboards kommt entsprechende Software und auch Lehrbuchverlage vertreiben zunehmend eigene Angebote für Whiteboards. "Die wichtigste Rolle für das neue Lernerlebnis jedoch spielen die Lehrer", meint Tollet. Sie müssen mit den digitalen Tools kompetent umgehen können. "Ein sicherer Umgang mit diesen Lernwerkzeugen ist entscheidend, dafür, dass Schüler die Möglichkeiten der digitalen Schulwelt gut für sich nutzen können", so Tollet weiter. Es hilft also nichts, wenn die Klassenzimmer mit modernen Displays ausgestattet sind, diese aber nur wie klassische Tafeln verwendet werden. Medienbildung gehört deshalb verpflichtend in die gesamte Lehreraus- und weiterbildung; dafür bedarf es wiederum Dozenten an den pädagogischen Hochschulen und Universitäten, die sich damit auskennen. Zusätzlich fehlt es den Schulen an der generellen Infrastruktur - wie etwa einem Internetanschluss. "Wir müssen hier aufpassen, den Anschluss an den Rest der Welt nicht zu verlieren - wir sind alles andere als vorne dabei. Hier muss nun schnell und sinnvoll gehandelt werden. Der Digital Pakt Schule ist ein guter Anfang", so Tollet abschließend.

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