Wie ein gedruckter Katalog ins Internet wandert

26.06.2003
Die Vorratshaltung von aktuellen Produktdaten wird bei Herstellern und Händlern oft vernachlässigt. Im vorliegenden Fall lagen diese Daten in einer Microsoft-Access-Datenbank. Wie so etwas eleganter gelöst werden kann, demonstriert die Lösung von Morelogs.

Anfang 2002 hat die Morelogs GmbH den Chemiespezialisten Carl Roth als Kunden im Rahmen einer Kaltakquise gewonnen. In dem angedachten Projekt ging es zuallererst darum, den gedruckten Katalog mit etwa 17.000 Produkten aus den Bereichen Chemie, Laborbedarf und Life Sciences ins Web zu überführen. Hinzu kam noch der Wunsch des Lieferanten, seine Kunden auch im Internet bestellen zu lassen. Davon versprach sich Carl Roth eine deutliche Reduzierung seiner internen Prozesskosten.

Nach den etwa zweimonatigen Verhandlungen stand schließlich das Grobkonzept fest: Man wollte so weit wie möglich auf quelloffene Software zurückgreifen; nur bei der medienneutralen Datenbank und dem Online-Redaktionssystem entschied man sich für kommerzielle Produkte. Die Wahl fiel dabei auf das Web-Content-Management-System "Red Dot 4.5" sowie auf die Produktdatenbank "Asim" aus dem Druckhaus Waiblingen (DHW).

Beide Lösungen zusammen bilden den Kern des Informations-Management-Systems (IMS) von Morelogs, das in einer ähnlichen Form bei Kunden wie Deichmann bereits in Betrieb ist. Die größte Herausforderung bei dem Projekt bei Carl Roth bestand darin, etwa 6.000 unterschiedliche Produktgruppen einzuführen und diese Daten gleichzeitig sowohl fürs Web als auch für gedruckte Kataloge aufzuarbeiten. Schließlich sollten Kunden des Chemiebedarfanbieters auch noch personalisierte Sichten auf das Online-Angebot erhalten.

Um die Kosten für Softwarelizenzen in Grenzen zu halten, entschied sich Carl Roth auf Anraten Morelogs für möglichst viele Open-Source-Produkte. Beim Betriebssystem gab es zu Linux keine Alternative; man wählte die Distribution von Red Hat, Version 7.1. Als Webserver für www.carl-roth.de kam selbstredend die Software von Apache zum Zuge (HTTP-Server Version 1.3.27). Unterstützt wird sie dabei von dem Servlet-Container "Tomcat" (Version 4.0.6). Dies war notwendig, weil für die Bestellungen via Web ein von Morelogs selbst entwickeltes Java-basierendes Online-Shopsystem verwendet wird. Hierfür griff der Dienstleister auf das Framework "Jakarta Struts" zurück. Diese quelloffene Programmierumgebung für Webanwendungen basiert auf der JSP/Servlet-Technologie (Java Server Pages) und wird ebenso wie Tomcat innerhalb des Jakarta-Projekts von der Apache-Group entwickelt.

Export der Daten von 17.000 Produkten

Den größten Teil des umfangreichen Projekts machte die Überführung der gesamten Produktdaten in die medienneutrale Datenbank Asim aus. Bisher hat nämlich Carl Roth diese Daten einer Microsoft-Access-Datenbank vorgehalten, und Morelogs Vorgänger als Internet-Service-Provider hat diese Daten alle sechs Monate in eine für das Internet geeignete Datenbank transferiert. Natürlich war dieser Zustand unhaltbar. Mit bis zu einem halben Jahr alten Produktdaten kann man seine Kunden keinesfalls binden, abgesehen von fehlenden Informationen über Lieferbarkeit und Zustellstatus. So war es also mehr als nötig, alle Produktdaten aus dem Sortiment von Carl Roth in eine Datenbank zu überführen, aus der man via Web die aktuellen Infos jederzeit extrahieren konnte. Genau dies wurde auch zu Beginn des Projekts bei dem Chemikalien-Discounter durchgeführt.

"Im Prinzip konnten wir alle Daten aus der Access-Datenbank problemlos in Asim übernehmen", erinnert sich Daniel Kiencke, Marketing-Manager bei More-logs. Ebenso einfach verlief laut Kiencke der Übertrag der Stammdaten aus dem hauseigenen ERP-System ("Strategix") in die medienneutrale Datenbank von DHW.

"Allerdings war der Aufwand für die Nachpflege und Umstrukturierung der in Asim übertragenen Daten beträchtlich", das muss der Projektleiter von Morelogs, Michael Schlenger, dann doch zugeben. So konnte der ehrgeizige Terminplan für die Online-Stellung des gesamten Produktkatalogs schließlich doch nicht eingehalten werden: Statt der anvisierten sieben nahm das Projekt bei Carl Roth zehn Monate in Anspruch.

Nun läuft das System aber stabil. Bei Anfragen aus dem Web werden die Daten nicht direkt aus der medienneutralen Datenbank ausgeliefert, sondern aus einem relationalen Datenbanksystem. Und wie es nicht anders zu erwarten war, handelt es sich dabei selbstverständlich um ein Open-Source-Produkt: die PostgreSQL-Datenbank. Dorthin transportiert Morelogs’ Informations-Management-System IMS täglich die Daten aus Asim über eine XML-Schnittstelle. Gleiches passiert auch mit den Daten aus dem ERP-System, sodass Online-Anfragen nach Lieferbarkeit oder Zustellungsstatus sofort beantwortet werden können - greift doch das System direkt in die Warenwirtschaftssoftware ein.

Welche Datenbank ist die beste?

Im Prinzip hätte Carl Roth auch jede andere relationale Datenbank verwenden können, etwa die von Oracle oder Microsoft. Als Open-Source-Alternative käme noch MySQL in Frage, aber dieses System hat in Fachkreisen bezüglich Performance und Skalierbarkeit keinen so guten Ruf wie PostgreSQL.

Die dem Webauftritt von Carl Roth zugrunde liegende Software lässt sich insgesamt in vier Schichten einteilen. Die so genannte Persistenzschicht stellt Komponenten zur Verfügung, die den Zugriff auf die relationale Datenbank über die Object Relational Bridge (OJB) gewährleisten. Hier erfolgt auch das Mapping der Anwendungsobjekte aus Asim auf die Datenbank mittels XML.

Die nächsthöhere Ebene stellt Dienste bereit, die Geschäftsprozesse über den Naming-Service JNDI (Java Naming and Directory Interface) lokalisieren können. Jene Java-Erweiterung ist in der Lage, Softwarekomponenten in verteilten und heterogenen Um-gebungen zu orten sowie auf die gängigen Verzeichnisdienste (Directory Services) zuzugreifen.

Die eigentliche Arbeit erledigt dann die Controller-Schicht. Dort haben die Morelogs-Spezialisten die mit Jakarta Struts selbst entwickelten Anwendungen untergebracht. Java-Applikationen überprüfen hier die Eingaben der Online-Besucher und steuern den weiteren Workflow zum Shopsys-tem. Der oberste Schicht bildet wie gewohnt die View-Komponente. Sie stellt sicher, dass die gewünschten Inhalte auf dem Bildschirm des Anwenders erscheinen.

Mit dem Informations-Management-System von Morelogs bekam der Chemiespezialist nun ein Werkzeug in die Hand, mit dem er sowohl seine Online-Präsenz und den gedruckten Katalog, als auch digitale Datenträger (CD, DVD) und Beschaffungsplattformen im Web (Stichwort: E-Procurement) mit Informationen über sein Produktportfolio füllen kann. Da diese Daten allesamt in der medienneutralen Datenbank Asim vorgehalten werden, gibt es keine Medienbrüche mehr.

Gleichzeitig ist der eigens für den Kunden neu entwickelte Webshop so flexibel, dass Online-Besteller personalisierte Darstellungen der Startseite erhalten. Jeder bei Carl Roth registrierte User kann sich die Informationen über Produkte, Preise und Ausstattung selbst zusammenstellen. Er ist in der Lage, seine persönlichen Daten via Webbrowser zu ändern, Favoriten hinzuzufügen oder den Newsletter abzubestellen.

Folgeprojekte in Aussicht

Für Morelogs wiederum waren die Arbeiten bei Carl Roth ebenfalls lohnend, aber auch sehr lehrreich. So konnte der Essener Dienstleister im Zuge des Projektes sein Informations-Management-System weiter verbessern und neue Erfahrungen im Java-Umfeld sammeln, von denen auch seine künftigen Kunden profitieren dürften. Ein Folgeprojekt ist bereits angelaufen, weitere befinden sich im Verhandlungssta-dium.

www.reddot.de

www.asim.de; www.strategix.com

www.apache.org; www.postgresql.org

ComputerPartner-Meinung

Heutzutage müssen Investitionen in neue Online-Shopsysteme schon gut begründet sein, damit sie überhaupt getätigt werden. Im vorliegenden Fall wollte man über ein persönliches Portal die Kundenbindung stärken, gleichzeitig aber auch die internen Prozesskosten senken. Offenbar ist dies gelungen, denn Carl Roth erweitert derzeit seine Online-Plattform um eine englische und französische Version. Auch hier hat Morelogs wiederum die Projektführerschaft inne. (rw)

Solution Snapshot

Kunde: Carl Roth GmbH & Co., Schoemperlenstr. 1-5, 76185 Karlsruhe Ansprechpartner: Dr. Alfred Wagner, Geschäftsführer Tel: 0721-5606-0, Fax: 0721-5606-227, E-Mail: info@carl-roth.de, www.carl-roth.de

Problemstellung: Der Printkatalog von Carl Roth mit ca. 17.000 Produkten soll den Kunden auch im Internet zur Verfügung stehen. Außerdem sollen die Bestellabläufe ins Internet verlagert werden. Bei einem derartigen Volumen an Informationen müssen die Daten medienneutral gehalten und ausgespielt werden.

Lösung: Das Informations-Management-System (IMS) basiert auf der medienneutralen Datenbank Asim von DHW. Das bereits vorhandene Warenwirtschaftssystem wird in die technische Umsetzung einbezogen.

Dienstleister: Morelogs GmbH, Rellinghauser Str. 332, 45136 Essen, www.morelogs.de Ansprechpartner: Daniel Kiencke, Marketing Manager Tel.: 0201 84188 132, Fax: 0201 84188 199, E-Mail: dkiencke@morelogs.de

Subunternehmer: DHW Informationsmanagement, Siemensstr. 10, 71332 Waiblingen, www.dhw.de Ansprechpartner: Markus Rabsch, Leiter Electronic Publishing Tel.: 07151 566 255, Fax: 07151 566 332, E-Mail: m.rabsch@dhw.de

Kontaktaufnahme: Kaltakquise

Verhandlungsdauer: zirka zwei Monate

größte Herausforderung: Organisation der Daten für Web und Print; Personalisierung

Länger in Anspruch genommen hat: Datenpflege und Übersetzungen für die Sprachvarianten Englisch und Französisch

Implementierungsdauer: zirka zehn Monate

Arbeitsaufwand: zirka 4.500 Mannstunden, geleistet vom Dienstleister

Verhältnis Hardware/Software/Dienstleistung: zwei Prozent / 70 Prozent / 28 Prozent

Service- und Wartungsverträge: Es besteht ein Service-, Support- und Updatevertrag mit einer Laufzeit von vorerst zwölf Monaten.

Schulung: Der Kunde wurde im Umgang mit der Datenbank, dem CMP-Werkzeug (Cross Media Publishing) und dem Content-Management-System geschult; Umfang: fünf Tage

Benefit für Kunden: Prozesskostensenkung, Fehlerminimierung, Kundenbindung, eine einzige Datenpflege für diverse Kommunikationsmedien, Investitionssicherheit durch offene Standards

Benefit für Dienstleister: Das IMS wurde im Zuge der Implementierung bei Carl-Roth kontinuierlich weiterentwickelt, sodass Folgekunden davon profitieren können. Das nächste Projekt ist bereits angelaufen, und weitere sind in Verhandlungen.

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