Wie ein IT-Berater zum Freiberufler wird - ein Fallbeispiel

19.07.1996
BREMEN: Daß sich Hartnäckigkeit im Umgang mit dem Finanzamt auszahlen kann, zeigt Dr. Benno Grunewald* im folgenden Bericht über den erfolgreichen Kampf eines IT-Beraters zur Einstufung als Freiberufler.Die Problemstellung

BREMEN: Daß sich Hartnäckigkeit im Umgang mit dem Finanzamt auszahlen kann, zeigt Dr. Benno Grunewald* im folgenden Bericht über den erfolgreichen Kampf eines IT-Beraters zur Einstufung als Freiberufler.Die Problemstellung

Finanzämter stufen selbständige IT-Berater häufig nicht als Freiberufler, sondern als Gewerbetreibende und somit als gewerbesteuerpflichtig ein. Nicht zuletzt auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) bietet für diese Auffassung zahlreiche Ansatzpunkte. Ein aktueller Fall zeigt nun, daß ein IT-Berater trotzdem die Anerkennung als Freiberufler seitens des Finanzamtes und damit die Befreiung von der Gewerbesteuer erreichen kann.

Die Fallkonstellation

Im hier dargestellten Fall geht es um einen IT-Berater, der diplomierter Betriebswirt und seit 1972 in der IT-Branche tätig ist. Dabei erwarb er umfangreiche Kenntnisse auf zahlreichen Gebieten der IT in verschiedenen, insgesamt elfjährigen Tätigkeiten als Angestellter. 1983 machte er sich selbständig. Das zuständige Finanzamt stufte ihn als gewerblich tätig ein und verlangte dementsprechend die Zahlung von Gewerbesteuer. Der IT-Berater legte gegen die erlassenen Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1984 und 1985 Widerspruch ein und begründete dies damit, daß er beratender Betriebswirt im Sinne des Paragraphen 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Einkommensteuergesetz) und damit freiberuflich tätig sei. Da das Finanzamt bei seiner Auffassung blieb, erhob der IT-Berater Klage vor dem Finanzgericht. Das Finanzgericht wies die Klage ab; das Urteil wurde im November 1993 rechtskräftig und damit nicht mehr angreifbar.

Daraufhin erhob der IT-Berater erneut Einsprüche gegen die weiteren Bescheide für die Jahre 1986 bis 1992; auch diese wurden vom Finanzamt abgelehnt, so daß eine neue Klage erhoben werden mußte. Jetzt zog der IT-Berater einen auf diesem Gebiet spezialisierten Anwalt hinzu. Bis 1995 waren mittlerweile gestundete Gewerbesteuer-Zahlungen in Höhe von rund 250.000 Mark angefallen.

Der neue Anlauf

Da das Finanzgericht eine Entscheidung frühestens in zwei bis drei Jahren für wahrscheinlich hielt, wurde mit dem Finanzamt direkt Verbindung aufgenommen, da ein außergerichtlicher Vergleich oftmals sinnvoller ist, als ein Klageverfahren zu betreiben.

Dem Finanzamt wurden umfangreiche und detaillierte Ausbildungs- und Tätigkeitsunterlagen des IT-Beraters überreicht, die auch inhaltlich insofern eine neue Zielrichtung hatten, als daß bislang von Seiten des IT-Beraters stets in Richtung "beratender Betriebswirt" (erfolglos) argumentiert wurde. Nunmehr wurde die Tätigkeit des ebenfalls in Paragraph 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Ingenieurs abgestellt. Dies versprach auch erheblich größere Erfolgsaussichten, da bislang die Gerichte und hier insbesondere der BFH, selbständige IT-Berater noch in keiner Entscheidung als beratenden Betriebswirt freiberuflich anerkannten, jedoch den Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH) als eine dem Ingenieur vergleichbare Tätigkeit einstufen.

Weiterhin wurde ausführlich und nachvollziehbar dargestellt, daß der IT-Berater die vom BFH geforderten Kenntnisse aufweist und im Bereich der Systemsoftwareentwicklung tätig ist, wozu der BFH beispielhaft unter anderem Betriebssysteme, Hilfs- und Dienstprogramme, Compiler oder Datenbanksysteme zählt.

Nach etwa sechs Monaten - vorausgegangen waren mehrere Briefwechsel und ein persönliches Gespräch zwischen dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes, dem IT-Berater und seinem Anwalt - war das Finanzamt schließlich bereit, sämtliche Gewerbesteuermeßbescheide aufzuheben, falls der IT-Berater seine diesbezügliche Klage zurückziehe, was dieser selbstverständlich tat.

Resümee

Der IT-Berater hat so die Anerkennung als Freiberufler erreicht - entgegen der zuvor verlorenen Klage, der (zumindest anfangs) starren Haltung des Finanzamtes, der dem selbständigen IT-Berater feindlichen Rechtsprechung des BFH und des relativ hohen Betrags an (dadurch erlassener) Gewerbesteuer.

Somit sollte jeder selbständige IT-Berater, der zur Gewerbesteuer herangezogen wird, prüfen oder prüfen lassen, ob nicht auch er eine Chance hat, dieser Steuerpflicht zu entkommen.

*Dr. Benno Grunewald ist Rechtsanwalt in Bremen. Wer mehr über diese Thematik erfahren will, kann ihn unter folgenden Nummern erreichen. Telefon: 0421-14181, Fax: 0421-1692379.

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