Wie erfolgreiche Teams entstehen

24.08.2006
Von KH Lorenz
Jedes Unternehmen will teamfähige Mitarbeiter, Einzelkämpfer sind nicht mehr gefragt. Was gute Teams wirklich ausmacht und wieso das nicht das einzige Erfolgsrezept ist, erklärt Karl Heinz Lorenz.

"Teamwork" hat einen festen Platz im Kulturbegriff moderner Unternehmen. Doch was versprechen sich Planer und Strategen von dieser besonderen Arbeitsform, und wie lässt sich eine Gruppe überhaupt zu einem gut funktionierenden Team formen?

Wir sind ein Team!

"Wir sind ein Team!" - dieser Schlachtruf hallt heute laut durch zahlreiche Unternehmen. Längst hat sich nämlich herumgesprochen, dass horizontale Organisationsstrukturen häufig zu höherwertigen Arbeitsergebnissen führen als hierarchisch-vertikale. Teamorientiert zu sein gilt also nicht nur als "trendy", sondern ist für entscheidende Aufgaben in Unternehmen zur unbedingten charakterlichen Voraussetzung geworden.

Höchste Leistung und soziales Wohlbefinden

Aber die Menschen, die diesem hohen Anspruch gerecht werden sollen, benötigen zur Entfaltung ihrer vollen Arbeitskraft Freiräume und gleichzeitig individuelle Beachtung und Förderung, einen offenen, intensiven Austausch mit anderen sowie Orientierungs- und Ansporn-Impulse. Erfolgreiches Teamwork und eben die offene, humane Kommunikationskultur erschließen ein riesiges Potenzial an Kreativität, Motivation und Verantwortungsbewusstsein.

Der Weg zum Team ist steinig

Die Hürden, um von vertikalen zu horizontalen Unternehmensstrukturen zu kommen, sind vielschichtig. So ist eine Anzahl von Menschen, die sich zufällig oder gewollt in einer Gruppe wiederfinden, nicht automatisch ein Team. Ein ideales Team funktioniert in etwa wie die Mannschaft eines guten Schiffes: Jede notwendige Funktion, vom Kapitän über den Maschinisten bis hin zum Leichtmatrosen, ist besetzt, jeder akzeptiert den anderen und strebt dennoch danach, sich zu bewähren und zu verbessern. Die übernommen Aufgaben können selbst bei Wind und Sturm gelöst, die anvisierten Ziele erreicht werden.

Die Phasen der Entwicklung

Dave Francis und Don Young haben mit ihrer Team-Uhr die vier wesentlichen Phasen der Teamentwicklung übersichtlich dargestellt: Die erste Phase (forming) ist geprägt von einem meist höflichen und etwas unpersönlichen Umgang. Die einzelnen Gruppenmitglieder sind gespannt auf das, was kommen mag und wie die anderen (und sie selbst) sich präsentieren. Die eigenen Interessen, die eigene Meinung werden noch sehr vorsichtig geäußert und eingebracht.

Dieses Kennenlernen und Abtasten mündet schließlich in eine zweite Phase (storming): der Auseinandersetzung mit- und gegeneinander. Konfrontation auf der persönlichen Ebene, oft unsachliche Diskussionen führen zur Koalitionssuche und Cliquenbildung. Der Teamprozess scheint dabei nur mühsam vorwärtszuschreiten, und bei dem einen oder anderen können sich sogar Gefühle der Ausweglosigkeit einstellen. Der Kampf um Platz und Rechte nimmt den größten Anteil der zur Verfügung stehenden Energie in Anspruch, und die eigentlichen (Sach-)Ziele geraten ein wenig in den Hintergrund.

Gruppen, die diese Phase erfolgreich überstehen, erleben eine dritte Phase (norming): die positive Abstimmung untereinander, die Regelentwicklung und eine stark nach vorne, auf die erstrebte Zusammenarbeit gerichtete Ausrichtung des Teams. Von allen ersehnte, bessere Umgangsformen werden entwickelt, neue, auf das Team und seine Aufgaben spezifizierte Verhaltensweisen entstehen, konstruktives Feedback sorgt für eine hochwertige Zusammenarbeit und ermöglicht eine Konfrontation von Standpunkten anstelle von Personen.

Als Ergebnis und Lohn stellt sich recht bald die vierte Phase (performing) ein: Die Gruppe ist nun zum Team geworden. Die "Integration" löst als bestimmender Faktor und Leitmotiv die "Konfrontation" ab. Ideen werden offen in die gemeinsame Arbeit eingebracht und finden einen solidarischen und hilfsbereiten Boden, aus dem Leistung und Freude an der gemeinsamen Arbeit erwachsen.

Den Ball am Laufen halten

Was lässt sich nun tun, um ein gut funktionierendes Team zu erhalten? Und was ist zu erwarten, wenn neue Mitglieder in ein Team aufgenommen werden sollen? Sich in einem Team zu bewegen und produktiv zu werden ist anders, als an einem Einzelarbeitsplatz ohne direkte Verbindung zu anderen seine Aufgaben zu erledigen. Denn der Teammitarbeiter ist nicht nur dem Vorgesetzten und sich selbst, sondern auch den anderen Teammitgliedern verantwortlich.

Darüber hinaus bedarf es anderer Führungsmittel, um Teams in diesem Sinne zu bilden und zu leiten. Die Erfolgsfaktoren für Manager, eine erfolgreiche Teamführung auszuüben, sind eine ausgeprägte soziale Kompetenz, eine präsente Vorbildfunktion und gleichzeitig ein gutes Maß an Konfliktfähigkeit. Dazu sollten sich das Gespür und auch das Wissen um gruppendynamische Prozesse und ihre Auswirkungen gesellen. Wie bei einer eingespielten Sportmannschaft benötigt gerade ein gutes Team immer wieder neue Herausforderungen, damit die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt oder sogar steigt. Geht der Blick für anspruchsvolle Ziele verloren oder stellt sich zu viel Routine ein, kann der spannungserzeugende Anreiz vermisst werden, und die Teamleistung sinken.

Wer also ein leistungsbereites Team geschaffen hat beziehungsweise führt, muss diese Bereitschaft auch immer wieder mit interessanten Aufgaben befriedigen. Frischer Wind kann beispielsweise auch die Integration neuer Spieler ins Team bringen. Mindestens für diese, jedoch im direkten Zusammenhang damit auch für alle, dreht sich die Teamuhr erneut von vorne. Je profilierter und individueller diese neue Person sich daran macht, einen Platz im Team zu erobern, desto intensiver, manchmal auch konfliktbeladener läuft dies ab. Zeichnet sich das bereits bestehende Team durch eine besonders offene und kommunikative Teamkultur aus, so wird die erfolgreiche Aufnahme neuer Personen umso leichter erfolgen. Das Team kann sich rasch wieder neu formen und den gemeinsamen Aufgaben und Zielen nachkommen.

Regelmäßige und inhaltlich gute Kommunikationsarbeit ist für alle im Team eine Angelegenheit, die als grundsätzliche Teilaufgabe von allen als wichtig und notwendig empfunden und ausgeübt werden sollte. Dazu gehört die entsprechende formale Besprechungsplanung genauso wie Zeit und Raum für informelle Begegnung und Austausch untereinander. Teamtrainings, in deren Mittelpunkt keine technisch-sachlichen, sondern eher gruppenbezogene Aspekte der Weiterbildung stehen, empfehlen sich als ausgesprochen förderlich zur Teambildung. Diese können in jeder Phase der Entwicklung zur Vertiefung angewandt werden, ferner zähe Prozesse wieder leichtgängiger machen und voranbringen. In bestehenden Teams dienen gemeinsame Trainings mindestens "der allgemeinen Pflege", aber natürlich auch der Aufdeckung unterschwelliger Konflikte, die jederzeit entstehen und oft (zu) lange unerkannt bleiben können.

Teamwork ist nicht immer sinnvoll

Teamarbeit ist eine hervorragende Leistungsquelle für zahlreiche Aufgaben und in nahezu allen Branchen und Unternehmensbereichen zu finden. Selbst klassische Produktionsstätten mit Fließbandarbeit (zum Beispiel Opel) nehmen diese Arbeitsform auf und erzielen damit durchweg bessere Arbeitsergebnisse. Für andere Tätigkeitsfelder, wie sie sich beispielsweise im Marketing oder bei umfangreichen Projekten wiederfinden, ist Teamarbeit fast obligatorisch geworden, um hochwertige Leistungen zu garantieren.

Es gibt jedoch dedizierte Aufgaben, in denen zwar die Fähigkeit zur Teamarbeit gefragt ist, jedoch eine grundsätzliche, dauerhafte Teamorientierung sogar hinderlich sein kann. Stellen wir uns einmal einen Mitarbeiter im Außendienst vor, vielleicht im Vertrieb oder im Service. Dieser ist meist ohne weitere Begleitung unterwegs, also gewohnt, alleine tätig zu sein und alleine seine Entscheidung vor Ort zu treffen. Teamfähigkeit braucht er höchstens, um bei Besuchen in der Zentrale oder Niederlassung Informationen auszutauschen und Arbeitsziele wie -ergebnisse mit den entsprechenden Kollegen abzustimmen.

Zu starke Teamorientierung führt hier dazu, dass der (allein) im Außendienst Arbeitende sich durch einen beständigen Mangel an direkten Teamkontakten eher unglücklich fühlt und diesen Mangel häufig mit einem hohen Maß an Kommunikation (zum Beispiel per Handy mit dem Vorgesetzten, Kollegen im Innendienst oder sogar überhaupt nicht funktional verbundenen, aber als "Freund" empfundenen Personen) kompensiert. So ist Teamarbeit heute für viele, aber eben nicht für alle Aufgaben und Personen eine gute, zeitgemäße Arbeitsform geworden.

Wer zu anderen ganz gerne "auf Distanz geht", findet ebenso interessante wie zahlreiche Aufgaben in der Wirtschaft, bei denen ein gewisses Maß an Teamfähigkeit völlig ausreicht, jedoch Platz für ausgeprägte Individualität lässt. Für Menschen mit ein wenig mehr Nähebedürfnis und daher grundsätzlicher Teamorientierung dagegen schafft die Arbeit in der Gruppe eine ganz hervorragende Basis, innere Leistungspotenziale zu erschließen und auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen Wertvolles beitragen zu können.

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