Movement und Agilität

Wie Organisationen beweglich werden

Klaus Kissel ist einer von zwei Geschäftsführern des ifsm Institut für Sales & Managementberatung in Urbar bei Koblenz, das unter anderem Unternehmen im Prozess der Nachfolgeregelung unterstützt und begleitet. Kissel ist Mitautor des Buches "Das Prinzip der minimalen Führung".

Eine neue agile Struktur und Kultur entwickeln

Beim Entwickeln einer neuen agilen Unternehmensstruktur und -kultur stellen sich unter anderem folgende Fragen, die teilweise einen Paradigmenwechsel erfordern.

Frage 1: Welchen Werten entspringt unser neuer Führungsgedanke? Was heißt das für unsere Rituale und unser Handeln?

Damit eine neue Kultur entstehen kann, braucht es einen neuen Wertekodex, der hierarchieübergreifend entwickelt werden sollte. Diesen Kodex gilt es dann in gemeinsamen Ritualen mit Leben zu füllen.

Frage 2: Welche Daseinsberechtigung hat künftig das mittlere Management?

In einer fluiden Organisation werden die Kernleistungen weitgehend von Teams erbracht. Diese benötigen eine projekthafte Führung, die das kurzfristige Entstehen, aber auch Auflösen von Teams fördert. Hieraus erwächst die Frage: Welche Funktion haben dann noch die Team-, Abteilungs- und Bereichsleiter? Inwieweit sind sie überhaupt noch nötig?

Frage 3: Wie messen und entlohnen wir künftig die (individuelle) Leistung?

Wenn die Leistung in Teams oder Beziehungsnetzwerken erbracht wird, erhebt sich die Frage, wie die individuelle Leistung erfasst und gerecht entlohnt wird. Auch in einer fluiden Organisation muss sichergestellt sein, dass jeder Mitarbeiter ein bestimmtes Leistungspotenzial abruft - und sich zum Beispiel nicht auf Kosten des Teams "ausruht". Diesbezüglich gilt es Transparenz zu schaffen.

Im digitalen Zeitalter ist diese Kontrolle nicht mehr durch die Führungskraft nötig. Sie kann auch mittels einer digitalen Messlatte erfolgen, die ähnlich wie im privaten Bereich der Konto-Auszug einer Bank anzeigt: Wie groß ist mein "Haben", und wie weit ist mein Überziehungskredit ausgereizt? Es braucht dann jedoch auch ein daran gekoppeltes wirksames Konsequenzen-Management.

Frage 4: Welche Funktion hat Führung in den agilen Strukturen?

Klar ist: Führungskräfte müssen in vernetzten Strukturen mehr Beziehungs- als Schnittstellenmanager sein; außerdem müssen sie sich, wenn sich die fachliche (Entscheidungs-)Kompetenz weitgehend auf die operative Ebene verlagert, vom fachlichen Mentor zum Coach beziehungswiese Agilität-Coach entwickeln.

Frage 5: Wie sehen die Arbeitsräume/-plätze künftig aus? Wie erzeugen wir ein Feel-Good-Klima?

Die Arbeitsumgebung und das Arbeitsequipment müssen den neuen Anforderungen angepasst werden. Nötig sind unter anderem Meetingräume und flexible Arbeitsplätze, die jederzeit auf- und abbaubar sind.

Da die Fachkräfte beziehungsweise Spezialisten eine immer wichtigere Ressource werden, gilt es im Betriebsalltag folgenden Spagat zu schaffen:

  1. Die Mitarbeiter leben die volle Kundenverantwortung. Und:

  2. Die oberen Führungskräfte kümmern sich mit Leidenschaft um die Mitarbeiter. Sie betreiben unter anderem ein Feel-Good-Management, um die Mitarbeiter zu binden.

Die neue Hülle mit Leben füllen

Richard Branson, der Gründer der Virgin-Group, sagte einmal: "Clients do not come first. Employees come first. If you take care of your employees, they will take care of the clients." Dieses Denken müssen Führungskräfte künftig verstärkt verinnerlicht haben.

Bewegung und Movement im Sinn einer flexiblen Organisation entsteht erst, wenn die Leitungsebene eines Unternehmens sich mit den oben formulierten Fragen befasst und hierauf unternehmensspezifische Antworten findet und sichtbar umsetzt. Dann kann in der neuen Hülle Bewegung entstehen. (OE)

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