Industrie 4.0

Wie smarte Produkte Unternehmen verändern

Eduard Rüsing ist Fachjournalist aus Karlsruhe.

Logistik, Vertrieb und Service verändern ihr Gesicht radikal

Über Konstruktion und Fertigung hinaus profitieren auch alle anderen Bereiche von vernetzten Produkten und werden dort die Abläufe entsprechend angepasst werden müssen. In der Logistik wird es u.a. eine lückenlose Überwachung der gesamten Fahrzeugflotte geben, mit der Möglichkeit Wetter- und Verkehrsbedingungen oder auch technische Werte/Zustände des Fahrzeugs bei einem optimalen Lieferfahrplan zu berücksichtigen.

Die Möglichkeit, fortwährend das Produkt zu kontrollieren, wird im Marketing und Vertrieb die Kundenbeziehung völlig neu definieren: entscheidend ist nicht mehr der Verkauf des Produkts, sondern die Maximierung des Wertes für den Kunden über die gesamte Nutzungsdauer hinweg. Aufgrund der Produktdaten und des andauernden Kontaktes mit dem Kunden, kann der Hersteller mit einem Zusatznutzen bzw. neuen Geschäftsmodellen die Zufriedenheit des Kunden maximieren. Damit wird auch die Marktforschung sich in weiten Teilen neu aufstellen müssen.

Auch im Aftersales/Service wird sich die Effizienz entscheidend verbessern und von einem reaktiven auf einen vorbeugenden und aktiven Kundendienst umorganisiert. Was per Ferndiagnose oder z.B. Installieren eines Softwareupgrades nicht behoben werden kann, wird mit einem einmaligen Besuch des Technikers erledigt, weil er alle Informationen über den Zustand des Produktes immer vorliegen hat und deshalb bereits optimal vorbereitet zum Kunden kommt. Augmented-Reality-Lösungen können ihn dabei unterstützen, indem sie Reparaturbedarf anzeigen oder mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung durch die Reparatur führen.

Nebeneinander alter und neuer Strukturen

Wie wird das neue Fertigungsunternehmen aussehen? Für Porter und Heppelmann werden selbst bei den progressivsten Industrieunternehmen noch auf Jahrzehnte hinaus weniger als die Hälfte der hergestellten Produkte intelligent und vernetzt sein. Das heißt, ein Nebeneinander von alten und neuen Strukturen wird die Organisation zusätzlich erschweren. Smarte Produkte erfordern eine bereichsübergreifende Koordination, von der Produktentwicklung über den Betrieb der Cloud, die neuen Servicestrukturen bis zum Kundenkontakt nach dem Verkauf. Alle Funktionsbereiche müssen sich intensiv abstimmen, mit den herkömmlichen Übergaben an die nächste Abteilung ist es nicht mehr getan. Dabei überschneiden sich die Aufgaben und die ehemals klaren Grenzen zwischen den Funktionen lösen sich auf.

Die neue Organisationsstruktur: Unternehmensfunktionen von Fertigungsbetrieben müssen aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Produkten und Maschinen auf eine neue Art und Weise zusammenarbeiten. Dabei verändern sich auch die Organisationsstrukturen der Unternehmen. Eine neue Abteilung für Datenmanagement beginnt sich durchzusetzen, und es entstehen erste Abteilungen, die sich speziell um die kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten oder um den Erfolg der Kunden kümmern.
Die neue Organisationsstruktur: Unternehmensfunktionen von Fertigungsbetrieben müssen aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Produkten und Maschinen auf eine neue Art und Weise zusammenarbeiten. Dabei verändern sich auch die Organisationsstrukturen der Unternehmen. Eine neue Abteilung für Datenmanagement beginnt sich durchzusetzen, und es entstehen erste Abteilungen, die sich speziell um die kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten oder um den Erfolg der Kunden kümmern.
Foto: PTC

Die Autoren erwähnen vier aus ihrer Sicht wichtige Veränderungsansätze. Der erste ist eine vertiefte Integration zwischen IT- und F&E-Bereich. Beide müssen ihre Funktionen zusammenführen, da momentan nur die IT in der Lage ist, die IT-Hardware und die Software basierten Teile zu entwickeln und zu unterstützen. Dabei zeichnen sich verschiedene Praxismodelle ab: z.B. werden IT-Teams in die F&E-Abteilung integriert oder Unternehmen bilden funktionsübergreifende Produktentwicklungsteams, in denen auch IT-Mitarbeiter vertreten sind.

Vertiefte Integration zwischen allen Funktionen

Um den Anforderungen vernetzter Produkte gerecht zu werden, entwickeln Unternehmen zudem drei neue Funktionsbereiche. Das ist:

  • eine zentrale Datenabteilung, um die 'neue' Ressource Daten optimal zu erheben, zu analysieren und funktionsübergreifend bereitzustellen

  • eine aus der IT-Branche bekannte Zwitterfunktion aus Entwicklung und Produktion mit der Abkürzung Dev-Ops. Diese Abteilung soll Teams organisieren, die Produkteinführungszyklen verkürzen, Produktupgrades und das Korrigieren von Fehlern vornehmen oder nach Verkauf neue Dienstleistungen bereitstellen.

  • ein Kundenerfolgsmanagement, welches für das Kundenerlebnis verantwortlich ist und dafür, dass der Kunde einen maximalen Nutzen aus dem Produkt erzielt. Die Abteilung trägt nach dem Verkauf die Hauptverantwortung für die Beziehung zum Kunden.

Eine absolute Querschnittsfunktion, die für alle Bereiche von der Entwicklung bis zum Kundendienst relevant ist, ist das Thema Sicherheit. Die große Bedeutung, die der Sicherheit der Produktdaten und der beteiligten Unternehmen zukommt, habe sich aber noch nicht in klaren Strukturen manifestiert und entwickele sich erst noch. Klar ist, dass jeder Bereich seinen Teil zur Lösung der Sicherheitsfrage beitragen muss.

Wie kann der Wandel gelingen? Nach Ansicht der Autoren sind Übergangsstrukturen unausweichlich. Viele Unternehmen haben ihre Initiativen für vernetzte Produkte auf Geschäftsbereichsebene angesetzt, entweder mit einem eigenständigen Geschäftsbereich, einem Center of Excellence (Konzernbereich als Cost-Center ohne Ergebnisverantwortung) oder mit einem bereichsübergreifenden Lenkungsausschuss mit den Vordenkern verschiedener Geschäftsbereiche.

Ein Beispiel für eine eigenständige Einheit ist die seit 2008 bestehende Bosch Software Innovations. Sie hilft den produktbasierten Bereichen und den externen Kunden der Bosch-Gruppe, Strukturen für intelligente, vernetzte Produkte aufzubauen. ("Wie smarte Produkte Unternehmen verändern" auf http://de.ptc.com/internet-of-things/harvard-business-review/download-article-2 herunterladen) (mb)

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