Modewelle oder Tsunami

Wie stark ist der Online-Trend im Elektronikhandel?



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".

Umsatz-Explosion bei den Elektronikversendern

Das Wachstum der Elektronikversender nahm in den letzten Jahren noch einmal eine neue Qualität an
Das Wachstum der Elektronikversender nahm in den letzten Jahren noch einmal eine neue Qualität an

Wenn sich bereits im CE-Bereich eine Umsatzverschiebung erkennen lässt, ist diese bei Weißer und Brauner Ware umso ausgeprägter. Denn während viele Kunden beim Kauf eines teuren neuen Fachbildschirmfernsehers weiterhin auf das persönliche Einkaufserlebnis setzen, sind Produktbereiche wie IT und Haushaltselektronik mit ihren standardisierten und gut vergleichbaren Geräten für den Online-Handel geradezu prädestiniert.

Dass das Online-Geschäft mit Elektronikgeräten blendend funktioniert, zeigt die Umsatzentwicklung der Elektronikversender: Vor 10 Jahren kamen Notebooksbilliger.de und Cyberport zusammengenommen gerade auf ein Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro. Heute dagegen beträgt der zusammengerechnete Umsatz der fünf größten Elektronikversender – Cyberport, Notebooksbilliger.de, Redcoon, Getgoods und Media-Saturn – mehr als zwei Milliarden Euro. Auch hier markiert das Jahr 2010 eine wichtige Schwelle: Erstmals übersprangen die Top 5 in diesem Jahr die Umsatzhürde von einer Milliarde Euro und wuchsen seitdem jeweils um mindestens 30 Prozent.

Vor diesem Hintergrund wird noch einmal verständlicher, warum selbst Notebooksbilliger-Chef Arnd von Wedemeyer nach dem Ende des Jahres 2011 gegenüber ChannelPartner erklärte, der Shift von Offline zu Online bei den Konsumenten erfolge schneller und konsequenter als erwartet. Auch aktuell sieht Wedemeyer kein Ende dieser Entwicklung – trotz einer allgemein eher schwierigen Marktlage: „Wir spüren in einem generell schwachen Marktumfeld einen stärken Switch von Offline zu Online als in einem starken Markt.“ Der Hauptgrund dafür sei das sich weiter wandelnde Verbraucherverhalten, das im Online-Handel noch einmal zu einer ganz speziellen Dynamik führe.

Kein Ende des Trends absehbar

Bedenkt man, dass es neben den wachstumsstarken Elektronikversendern auch noch Amazon gibt, das ebenfalls einen beträchtlichen Anteil seines Umsatzes mit dem Handel mit Elektronik und IT erzielt, wird erst das ganze Gewicht der Online-Branche deutlich. Wie aus den in diesem Jahr erstmals öffentlich gemachten Umsatzzahlen des E-Commerce-Marktführers hervorgeht, hat Amazon in Deutschland 2012 einen Umsatz in Höhe von 6,4 Milliarden Euro erreicht. Amazon selbst schlüsselt die Umsatzzahl nicht weiter nach Produktsegmenten auf, doch gegenüber ChannelPartner haben sich im Frühjahr einige Online-Fachleute an einer Umsatzschätzung versucht: Cyberport-Chef Olaf Siegel taxiert Amazon im Elektronikbereich auf ein Umsatzvolumen von 2,8 Milliarden Euro. Und Michael Gerke, COO des Aschaffenburger E-Commerce-Dienstleister 004, billigt dem Online-Händler sogar Elektronikumsätze zwischen 3,5 und 4 Milliarden Euro zu.

Zusammengenommen machen die in diesem Beitrag präsentierten Zahlen eines klar: Die Online-Entwicklung im deutschen Elektronikhandel ist weit von einer bloßen Modeerscheinung entfernt. Angesichts der zu beobachtenden Umsatzverschiebung in Richtung online und des weiter anziehenden Wachstumstempos im E-Commerce kann hier klar von einem tiefgreifenden Wandel gesprochen werden – oder eben von einem „Tsunami“: Denn wenn man beobachtet, wie sich Rewe von seiner Elektronik-Tochter ProMarkt verabschiedet, mit welcher Vehemenz sich Media-Saturn Marktanteile im Online-Geschäft dazukauft und wie sich PC-Spezialist, EP und Euronics zunehmend auf das Service-Geschäft verlegen, wird deutlich, wie sehr die Elektronikbranche inzwischen in Bewegung gekommen ist. (mh)

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