Wieviel kostet das Anschauen eines Compaq-PCs?

16.12.1999

Daß Compaq jetzt alle Schleusen öffnet und ein konsequentes Allkanalvertriebsmodell einführt (Artikel Seite 10 dieser Ausgabe), ist für Compaqs Vertriebspartner keine gute Nachricht.

Die Systemhäuser bewerten den neuen Compaq-Kurs noch am gelassensten. Auf uns kann Compaq nicht verzichten, so der allgemeine Tenor. Die Hardware ist für viele ohnehin nur Mittel zum Zweck, sie haben in der Vergangenheit schon nicht selten die Kisten mit null Marge durchgeschoben und dann an der Dienstleistung verdient. Wenn Compaq die Geräte direkt an die Kunden verkauft, haben die Systemhäuser wenigstens keine Probleme mehr mit dem Inkasso, und aufgrund des geringeren bei ihnen fakturierten Umsatzes steigt ihre Umsatzrendite.

Dennoch ist auch für sie nicht alles rosarot. Denn das neue Call-Center von Compaq in Ismaning wird sich nicht darauf beschränken, auf Anrufe von Interessenten zu warten ("Inbound"). Sondern von hier aus werden potentielle Kunden auch aktiv angerufen ("Outbound") und zum Bestellen motiviert. Es läßt sich überhaupt nicht ausschließen, daß darunter auch zahlreiche Kunden von Compaq-Systempartnern sind. Damit besteht die Gefahr, daß die betreffenden Vertriebspartner die Bindung an diese Kunden verlieren. Hier muß Compaq sehr schnell ein Modell implementieren, um die Vertriebspartner zu integrieren. Andere Hersteller haben gezeigt, daß dies funktioniert.

Richtig böse dran sind diejenigen Händler, die Compaq-Produkte an Privatkunden vertreiben. Nicht daß dies besonders viele sind - wäre es so, bräuchte Compaq nicht die Hilfe von Tankstellen -, aber in Zukunft wird es wohl keiner mehr sein. Denn für diese ist Compaq nicht länger Partner, sondern Konkurrent. Und überhaupt: Wenn der Händler den Compaq-PC zum selben Preis einkauft wie der Endkunde, muß Compaq ihm schon ein Argument liefern, warum er sich überhaupt ein Demo-Gerät in den Laden stellen soll. Und wer bezahlt die neuen Preislisten? Compaq-PC anschauen: 10 Mark, anfassen: 20 Mark, dran rumfingern: 50 Mark. Interessanter Ansatz.

Daß Compaq einen Verlust von Vertriebspartnern einkalkuliert und möglicherweise sogar begrüßt, darf man annehmen. Dahinter steht offenkundig die Überzeugung des Compaq-Managements, daß der klassische PC-Fachhandel keine große Zukunftschance mehr hat. Das Geschäft mit den gewerblichen Kunden machen die Systemhäuser, das mit den privaten die großen Retailer und branchenfremde Vertriebskanäle (Lebensmittelmärkte et cetera). Natürlich wird es auch die Tante-Emma-Läden der PC-Branche geben, aber an denen hat Compaq wohl kein Interesse.

Die ersten Reaktionen aus dem Handel waren verständlicherweise emotional geprägt. "Wenn Compaq direkt geht, sind sie die längste Zeit mein Freund gewesen. Und deshalb verkaufe ich deren Produkte auch nicht", so der spontane Kommentar eines Fachhändlers auf die neue Compaq-Vertriebsstrategie. Da davon auszugehen ist, daß andere Hersteller das Compaq-Modell über kurz oder lang adaptieren werden, steht zu befürchten, daß dieser Händler bald keine Freunde mehr haben wird.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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