Windhorst bleibt nicht bei kleinen Brötchen

17.01.1997
RAHDEN: Kaum ein Name der Computerbranche ist in Deutschland so publikumswirksam wie der des Shooting-Stars Lars Windhorst. Ob im Guten oder Schlechten: Die Öffentlichkeit wacht über jeden seiner Schritte. Wobei in letzter Zeit die unerfreulichen Schlagzeilen überwogen. Doch was in den USA ein beliebtes Erfolgsrezept ist ("Hauptsache ist, man wird überhaupt erwähnt"), kann im konservativen deutschen Markt katastrophale Folgen haben. Die Reputation ist den Banken hierzulande wichtig - und beim leisesten Verdacht der Unseriosität behalten Kreditinstitute den Daumen auf den Geldern. Der Distributor mußte kleinere Brötchen backen. Doch Ende März, so steht zu erwarten, geht Windhorst wieder in die Vollen.Wir haben ein entsetzliches Jahr hinter uns", stöhnt Jürgen Brock. Der Geschäftsführer Vertrieb & Marketing der Windhorst Electronics Deutschland GmbH in Rahden teilt die Erschöpfung seiner beiden Kollegen an der Firmenspitze, Wernfried Zeissner und Lars Windhorst.

RAHDEN: Kaum ein Name der Computerbranche ist in Deutschland so publikumswirksam wie der des Shooting-Stars Lars Windhorst. Ob im Guten oder Schlechten: Die Öffentlichkeit wacht über jeden seiner Schritte. Wobei in letzter Zeit die unerfreulichen Schlagzeilen überwogen. Doch was in den USA ein beliebtes Erfolgsrezept ist ("Hauptsache ist, man wird überhaupt erwähnt"), kann im konservativen deutschen Markt katastrophale Folgen haben. Die Reputation ist den Banken hierzulande wichtig - und beim leisesten Verdacht der Unseriosität behalten Kreditinstitute den Daumen auf den Geldern. Der Distributor mußte kleinere Brötchen backen. Doch Ende März, so steht zu erwarten, geht Windhorst wieder in die Vollen.Wir haben ein entsetzliches Jahr hinter uns", stöhnt Jürgen Brock. Der Geschäftsführer Vertrieb & Marketing der Windhorst Electronics Deutschland GmbH in Rahden teilt die Erschöpfung seiner beiden Kollegen an der Firmenspitze, Wernfried Zeissner und Lars Windhorst.

Das "Sommertheater", wie die Windhorstler die Affaire nennen, die das Unternehmen in den Geruch der Unseriosität brachte - die Rede war von Betrügereien und Vortäuschung durch einen leitenden Angestellten - brachten Windhorst erst um die gute Presse und - viel wichtiger - vorerst auch aus der Gunst der Banken. Die großen Träume vom Aufkauf eines oder mehrerer Wettbewerber, die noch im Mai zum Greifen nah erschienen, platzten. Zudem erwies es sich als sehr schwierig, die großen Summen, die Windhorst in China beispielsweise verdient, hierher zu transferieren. So mußte an allen Ecken und Enden gespart werden, die Mitarbeiter brauchten ihre Streicheleinheiten, um nicht durch Schmähanrufe echauffierter Mitbürger und Belästigungen vollends die Motivation zu verlieren. "Während der Goldfischaffäre war hier der Teufel los", berichtet Brock. "Wir haben uns dabei überhaupt nichts vorzuwerfen, aber der Name Windhorst mußte für viele eben als Aufhänger für die Geschichte herhalten."

Das neue Jahr 1997 beginnt demzufolge mit guten Vorsätzen. So werbewerbs wirksam das Image des Firmengründers auch sei - und so nützlich er für den Aufbau des Unternehmens auch war: Nun soll hinter dem Hollywood-Effekt ein solides Unternehmen aufgebaut werden. Von Bescheidenheit oder Zaghaftigkeit ist das Geschäftsführungstrio dabei allerdings weit entfernt. Statt einen Platz unter den ersten zehn im deutschen Distributionsmarkt zielt man nun zwar nur noch auf einen "in den Top 30". 1996 erzielte das Unternehmen hierzulande einen Umsatz von rund 63 Millionen Mark, das sind immerhin 50 Prozent mehr als im Jahr davor. Für 1997, so die Windhorst-Vorgabe, sind allein im Distributionsmarkt mindestens 140 Millionen Mark anvisiert. Doch das ist wohl nur "Business as Usual". Der Distributionsmarkt ist nicht Hoffnungsträger Nummer 1, denn "die großen Systemhäuser, die für uns interessant wären, sind doch schon alle in festen Händen", weiß Brock. Das As im Ärmel, so hoffen die Geschäftsführer, ist der für Ende März angekündigte Windhorst-PC fürs Wohnzimmer. "Wir wollen ganz klar als PC-Hersteller auftreten", legt Brock die Marschrichtung fest. Die Weichen für die Broadline-Distribution ("Möglichst jeweils nur die Top-5 Produkte der Hersteller anbieten") und gleichzeitige Spezialisierung in Bereichen wie beispielsweise der PC-Foto-Bereich seien schon gestellt, nun werde die eigene Fertigung vorangetrieben. "Wir können mit dem geplanten PC im neuen Jahr einen Beweis für unsere Seriosität bringen", hofft der Vertriebsverantwortliche. Man habe ein "vorrangig emotionales Produktkonzept" entworfen. Das System habe ein modulares Design, einzig die Form bleibe gleich, um den Wiedererkennungswert zu garantieren. "Alles andere: die Technik oder Farbe oder der äußere Stil des PCs - das können wir machen, wie der Kunde es wünscht. Wir wollen aus der dummen Plattform PC ein Möbelstück schaffen", erklärt Zeissner (vormals Computer 2000).

Mit den bisherigen Lager- und Verwaltungsgebäuden käme man dann natürlich nicht mehr aus. Doch Abhilfe ist in Sicht, im April soll das neue Lager (rund 5700 qm) fertig sein, auch der Entwurf für den 6000-Quadratmeter großen Verwaltungsbau liegt vor. Rund ein Drittel der neuen Räumlichkeiten wird dann dem PC vorbehalten sein. "1997 werden wir voraussichtlich 30 Millionen Mark Umsatz mit dem Consumer-PC machen", schätzt Brock.

Daß der Tanz auf allen Hochzeiten und die hochfliegenden Pläne sich nicht von selber finanzieren, sehen die Windhorstler natürlich klar vor Augen. Doch die Besorgnis hält sich in Grenzen. Zum einen arbeite man derzeit massiv an der Wiederherstellung des guten Image, zum anderen werde es noch im ersten Quartal des laufenden Jahres eine finanzielle Beteiligung geben. Mit zwei wichtigen Gesprächspartner laufen derzeit bereits Verhandlungen.

Und der ehemalige Acer-Mann Brock weiß auch, wo er das Unternehmen auf längere Sicht in der Branchen-Schublade angesiedelt sehen möchte: "Irgendwo zwischen Siemens und Acer." (du)

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