Exklusivinterview mit Bill Gates

"Wir brechen zu neuen Ufern auf"

14.01.2008
Auf der Consumer-Messe CES in Las Vegas nahm sich Bill Gates Zeit für ein Exklusivinterview mit IDG News Service, dem Nachrichtendienst des weltweit tätigen Verlagshauses IDG. Das Interview führte unser US-Kollege Marc Ferranti.

Wir verfolgen Ihre Karriere seit mehr als 30 Jahren. In all den Jahren war ein häufiger Kritik-punkt an Ihrer Person die Aus-sage, dass Bill Gates zwar ein Vordenker bei Geschäftsmodellen, aber kein echter Erfin-der sei. Fallen Ihnen dazu aber dann doch einige Erfindungen ein, auf die Sie besonders stolz sind?

Bill Gates: Der Personal Computer ist das, worauf wir besonders stolz sind. Es war damals eine verrückte Idee, einfach den Mikroprozessor zu nehmen und darum eine Software-Industrie aus dem Boden zu stampfen. Denn bis dato gab es keine Software-Industrie. Computing war damals etwas für große Unternehmen, wir - ich verließ gerade die Schule - aber sagten im Jahr 1975, dass wir eine Industrie aufbauen könnten, die den Menschen befähigen würde, PCs zu nutzen. Wir konnten Partner suchen, die die Hardware dafür lieferten. Wir konnten jede Software für unsere Arbeit schreiben lassen und alles, was wir in diesen 30 Jahren seit damals taten, diente dazu, unsere Vision vom Personal Computer zu erfüllen. Wir waren die Ersten mit dieser Vision. Und jetzt brechen wir zu neuen Ufern auf. Wir bringen das Fernsehen, wir bringen neue Lernerfahrungen und Experimente auf dieses Gerät, das die Menschen erneut in einer neuen Art und Weise neue Möglichkeiten erschließen wird. Ich denke nicht, dass es in den letzten 30 Jahren etwas Vergleich-bares mit so viel Wirkung gab.

Wir sind hier bei der CES, einer typischen Consumer-Messe. Können Sie zu dieser Zielgruppe passend einige jüngere Inno-vationen nennen, die Microsoft in den nächsten Jahren vorantreiben und umsetzen will?

Gates: Nun, nehmen wir mal die Xbox und deren Spiele. In den USA wird dafür mehr Geld ausgegeben als für die Sony PS3 und die Nintendo Wii zusammen. Das verdanken wir der Erfindung von Xbox Live. Damit bringen wir Menschen zusammen, helfen Spielern, andere Spieler zu finden und gegen diese anzutreten. Und Video per Internet gibt es damit auch noch. Das ist ein wirklicher Durchbruch bei der Art und Weise, wie wir über die Zukunft des Fernsehens nachdenken sollten. Wir haben eine Millionen Menschen, die unseren IP-TV-Mediaroom mit Fernsehen via Internet nutzen. Unternehmen wie AT&T sowie 19 weitere Telekommunikationsunter-nehmen rund um den Globus setzen bei ihren künftigen Geschäftsmo-dellen auf unsere neue Video-Plattform. Wir machen so viel, um das Benutzererlebnis so natürlich und intuitiv wie nur irgend möglich zu gestalten. Wir sind die Firma, die diesen Weg geht.

Die Konkurrenz aus dem Ausland wächst, damit wächst zugleich für US-Firmen der Innovationsdruck. Was denken Sie in diesem Zusammenhang über das Verhältnis von Inno-vation und geistigem Eigentum?

Gates: Wir sind zwar ein in den USA ansässiges Unternehmen, aber wir beziehen unsere Entwicklertalente aus der ganzen Welt. Wir haben eine ungeheuer erfolgreiche Forschergruppe in China, ein ebenso großartiges Team in Indien, und wir beliefern Verbraucher rund um den Globus. Und wir verteidigen unser geistiges Eigentum in allen Staaten. Dabei gibt es allerdings unterschiedliche Arten des Urheberrechtsschutzes, was diese Angelegenheit insgesamt sehr kompliziert macht.

Sie werden hier auf der CES über neue Partnerschaften für Microsoft MSN, Xbox Live und die Mediaroom IP-TV-Dienste reden, um neue Inhalte für Microsofts Entertainment-Strate-gie zu gewinnen. Können Sie sagen, was auf der technischen und der wirtschaftlichen Seite getan werden muss, damit diese Verhandlungen erfolgreich enden?

Guitar Hero Bill Gates, auf der CES. Statt selber zu spielen, ließ Gates den mit der Rockband Guns ‚Äön‚Äò Roses bekannt gewordenen Gitarristen Slash antreten.
Guitar Hero Bill Gates, auf der CES. Statt selber zu spielen, ließ Gates den mit der Rockband Guns ‚Äön‚Äò Roses bekannt gewordenen Gitarristen Slash antreten.

Gates: Xbox Live bietet bereits jetzt sehr gute und sehr viele Inhalte, die die Menschen anziehen und dazu bringen, viele Stunden damit zu verbringen. Unser Abkommen mit NBC zu den Olympischen Sommer-spielen 2008 hängt mit unserer neuen Erfindung Silverlight zusammen, mit der Sie interaktive Inhalte und Videostreams über das Internet sehen können.

Nachdem Ihre Consumer-Entertainment-Strategie ja nun Früchte trägt, stellt sich die Frage, wie sich dadurch Ihr Geschäftsmodell ändern wird. Können Sie uns konkret sagen, welche Zielvorgaben Sie mit werbebasiertem Umsatz erreichen wollen?

Gates: Unser durch Werbung erzielter Umsatz ist stark gestiegen. Auf diesem Gebiet ist allerdings immer noch Google die Nummer eins. Wir müssen sehr erfinderisch sein, um hier die Kurve hinzukriegen. Dabei hilft uns unter anderem unsere Kooperation mit Viacom. Und wir werden noch weitere Verträge mit Partnern rund um den Globus abschließen. Wir haben eine Reihe unterschiedlicher Geschäfts-modelle. So bieten wir Consumer-Software wie beispielsweise Spiele an, für die Sie nur einmal einen festen Betrag bezahlen. Sie können aber auch bestimmte Server-basierte Angebote von uns gegen eine monatliche Gebühr beziehen. Und natürlich gibt es von uns auch kostenlose Software. Hier kommt nun die Werbung als wichtige Kompo-nente ins Spiel. Ich denke allerdings nicht, dass werbebasierter Umsatz die klassischen vertriebsbasierten Umsätze ersetzen wird. Wir benötigen alle diese Geschäftsmodelle zusammen, um stark zu sein.

Sie sind ja auch als Philanthrop gemeinnützig tätig. Dabei haben Sie sich auf grundlegende Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit in Entwicklungs-ländern konzentriert. Im Be-reich Technik gibt es außerdem solche Initiativen wie das OLPC-Notebook, Microsoft zeigt zudem Anstrengungen, um die Produktpreise in den Entwicklungsländern zu senken. Doch daran entzündet sich auch Kritik: Ein 200-Dollar-Laptop würde einem Kind in einem Entwicklungsland nichts bringen, wenn es nicht einmal das 5. Lebensjahr erreicht. Was könnten denn Technologieun-ternehmen machen, um aufstrebenden Märkten zu helfen?

Gates: Unternehmen leisten ihren Beitrag auf zweierlei Art: Sie stellen Geld zur Verfügung und entwickeln auf die Bedürfnisse dieser Menschen zugeschnittene Produkte. Microsoft beispielsweise stellt in Chile in den dortigen Bibliotheken PCs mit Internetanschluss auf. Zusammen mit der Schulung der Menschen am PC und der Kooperation mit den staatlichen Behörden entsteht so ein Gesamtwerk aus vielen zusammenpassenden Einzelteilen. Für meine Stiftung habe ich in der Tat den Schwerpunkt auf Gesundheitsmaßnahmen gelegt. Microsoft hingegen versucht mit Software zu helfen. Außerdem helfen wir Unterrichtseinrichtungen und Lehrstätten. Ich nahm den Erfolg von Microsoft und investierte zehn Milliarden Dollar von dem durch Microsoft erzielten Gewinn in die Verbesserung der Lebensgrundlagen vieler Menschen. Ich würde mir wünschen, dass jede Firma so viel für das Gemeinwohl und die Entwicklung der Welt täte wie Microsoft. Microsoft hat nun einmal großen Erfolg und bewegt viel. Das hilft uns, die besten Mitarbeiter anzulocken. Und die Mitarbeiter von Microsoft fühlen sich gut dabei.

WL

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