Andreas Kunzmann, CEO der united systems AG

„Wir sollten uns untereinander nicht so oft als Wettbewerber sehen“

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Andreas Kunzmann hat vor rund einem halben Jahr das Ruder beim IT-Dienstleister united systems übernommen. Wie er das im Unternehmen schlummernde Potenzial wecken und ausbauen will, schildert er im Interview.

ChannelPartner: united systems feierte dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. Als klassisches Systemhaus gestartet zählte das Unternehmen zu den Pionieren im Bereich Managed Services: Schon 2000 haben Sie Kunden Managed Services hoch automatisiert, als "IT-Service Passes" mit verschiedenen Levels zu einer monatlichen Pauschale angeboten. 2018 errang united systems in der Kundenzufriedenheitsumfrage der Computerwoche Platz 7 der besten Managed Service Provider Deutschlands und 2019 belegten Sie Platz 12 der besten Systemhäuser und wurden von den Kunden in der Kategorie PC- und Server-Infrastruktur sogar auf Rang 5 gewählt. Also alles in Butter?

Andreas Kunzmann, CEO der united systems AG
Andreas Kunzmann, CEO der united systems AG
Foto: United Systems

Andreas Kunzmann: Nein nicht ganz, denn Stagnation ist ein Rückschritt und kein Fortschritt. Wir müssen uns weiterentwickeln. Bereits 1999 haben wir begonnen, Managed Services zu entwickeln. Ich habe viele Jahre im Systemhaus gearbeitet und dort auch große Konzerne betreut. Viele dieser Firmen haben damals den Begriff Managed Services noch mit Mitarbeiter-Leasing verwechselt.

united systems hat es schon damals geschafft, mit mittelständischen Unternehmen Managed-Service-Verträge abzuschließen und die dazu nötigen Prozesse komplett zu digitalisieren und zu automatisieren. Das bedeutet, dass wir unsere Managed Services über die Leistungsscheine skalieren können - mit absoluter Transparenz und klarer Leistungsbeschreibung. Und da steht auch drin, was wir nicht tun - und wo der Kunde möglicherweise noch einen Dienst hinzu buchen muss.

Angefangen von Security- über Servermanagement und Monitoring bis hin zu Managed Services für die komplette IT: Wir können alles, was der Kunden quasi aus der "Steckdose" benötigt - Daten, Applikationen, Infrastruktur etc. -für ihn managen. Die Prozesse sind abgestimmt, klar definiert und skalierbar.

Das belegt auch die Kundenzufriedenheitsstudie der Computerwoche zu den besten Managed Service Providern Deutschlands 2018, bei der united systems sowohl in der Kategorie "Transparenz des Angebots und des Bestellprozesses" als auch in der Kategorie "Unterstützung während der Transition von On Premise zu Cloud- und Managed Services" jeweils Platz 6 unter allen MSPs erreichte.

Der Automatisierungsgrad ist extrem hoch. Und angesichts dessen müsste die united systems im Grunde ein Unternehmen sein, das heute weitaus mehr Kunden betreut und mehr Umsatz erwirtschaftet. Das wurde bislang nur nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt. united systems ist außerdem eines der Gründungsmitglieder der Süd-IT - einem Verbund aus sieben Unternehmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Synergiepotenziale, die dadurch möglich sind, haben wir bislang noch gar nicht ausgeschöpft.

ChannelPartner: Haben Sie sich inzwischen vom klassischen Systemhausgeschäft komplett verabschiedet?

Andreas Kunzmann: Die meisten Projekte ergeben sich aus der Anforderung unserer Kunden, ihre bestehenden On-Premise-Strukturen in Managed Services zu überführen. Der Grad der Automation und Professionalität, den united systems im Bereich Managed Services leisten kann, ist um ein Vielfaches höher als bei anderen Systemhäusern und durchaus vergleichbar mit den großen Playern.

ChannelPartner: Das bedeutet, Sie sind nicht mehr abhängig von einzelnen Personen oder Mitarbeitern….

Andreas Kunzmann: Exakt. Denn das große Problem heute ist doch der Fachkräftemangel! Wenn bei uns ein Mitarbeiter ausfällt, sind unsere Managed Service Prozesse so gehärtet und implementiert, dass ähnlich qualifizierte Mitarbeiter die Aufgaben übernehmen können.

ChannelPartner: Sie waren zunächst als Berater tätig, ehe sie im April 2019 zum Vorstand des Unternehmens berufen wurden. Was sind Ihre Pläne?

Andreas Kunzmann: Es gibt für die united systems zentrale Zukunftsprojekte. Dazu gibt es drei unterschiedliche Masterpläne. Unser Ziel ist es, in den nächsten zwei Jahren organisch und anorganisch zu wachsen und schnell die kritische Unternehmensgröße, die in diesem Markt in der Regel bei rund 100 Mitarbeitern liegt, zu überragen. Das Potenzial dieses Unternehmens ist gigantisch! Denn hier könnte man mit wenig Aufwand sehr schnell Prozesse und Firmen integrieren. Es gibt auch schon erste, intensivere Gespräche.

Aktuell konsolidiert sich der Systemhausmarkt sehr stark. Viele kleinere Systemhäuser mit 8 bis 15 Mitarbeitern haben einen exzellenten Kundenzugang, sehr gute Mitarbeiter, aber ihnen fehlen die notwendigen Prozesse für die Automatisierung von Managed-Service-Leistungen.

Ich betrachte mich bildlich gesprochen als Dirigent eines schon heute ganz ausgezeichneten Orchesters, das hervorragende Musik aktuell noch in einem kleinen Raum spielt. Dieses Orchester will ich so vergrößern, dass es auf großen Bühnen spielen kann. Um das zu erreichen, brauchen wir Wachstum.

ChannelPartner: Was steckt genau hinter den von Ihnen angesprochenen Zukunftsplänen?

Andreas Kunzmann: Zum einen ist es möglich, einen Investor einzubinden, der sich nicht nur finanziell, sondern auch strategisch im Unternehmen engagieren will. Das hieße, dass wir ein oder mehrere Unternehmen in die Prozesse integrieren und unter einer dann zu schaffenden Holding konsolidieren. united systems würde in diesem Fall die Dachgesellschaft bilden und es gäbe die Business Units Security, Managed Services und Infrastruktur-Consulting sowie einen neu zu gründenden Geschäftsbereich Business Development. In dieser Unit wird das Thema Künstliche Intelligenz sehr interessant werden und uns in spätestens drei Jahren ganz massiv beschäftigen.

Die Welt des Computing, des Super- und Quanten-Computing und die menschliche Intelligenz werden so stark verschmelzen, dass unsere Kunden die dadurch entstehenden Möglichkeiten sehr viel schneller einführen werden, als wir uns das heute vorstellen können. Denn in zwei Jahren werden die Supercomputer aufgrund der ihnen innewohnenden Logik imstande sein, so schnell zu lernen, dass sie eine ganze Menge eigenständig weiterentwickeln werden. Tausendmal effektiver als ein Mensch. In der Diagnostik, insbesondere in der Radiologie, ist das heute schon der Fall. Was diesen Computern selbstverständlich immer fehlen wird, ist die menschliche Emotionalität.

Mein Ziel ist es, die united systems heute schon so aufstellen, dass sie bei dieser Entwicklung als Leader vorangehen kann. Und das erreichen wir, indem wir durch unsere Produktivität, Produktivität beim Kunden auslösen. Das ist unser Bestreben.

ChannelPartner: Was verbirgt sich hinter den zwei weiteren Zukunftsprojekten?

Andreas Kunzmann: Eines davon berücksichtigt den Umstand, dass es viele Systemhäuser gibt, die anorganisch wachsen möchten. Diesem Umstand würden wir Rechnung tragen, indem wir uns in ein Unternehmen einfügen, das erheblich größer ist als wir und dem beispielsweise noch ein Standort in München fehlt, oder dem die Prozesse und Strukturen fehlen, um schnell organisch zu wachsen.

Im dritten Zukunftsprojekt sprechen wir mit einem reinen Finanzinvestor, der so stark an united systems glaubt, dass er uns mit dem Budget ausstattet, das wir benötigen, um aus eigener Kraft einen enormen Wachstumssprung hinzulegen und in diesem IT-Markt Alleinstellungsmerkmale zu schaffen, die es heute noch selten gibt.

Ich möchte hier etwas schaffen, was revolutionär ist. Dafür benötigen wir zusätzliches Kapital - und auch hier führen wir schon erste Gespräche mit potenziellen Kandidaten. Die guten Netzwerke, welche ich über lange Zeit hinweg in diesem Markt aufbauen konnte, werde ich sinnvoll in die united systems einbringen.

ChannelPartner: In welchem Zeitraum wollen Sie diesen Wachstumssprung schaffen?

Andreas Kunzmann: Mein Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres die Gespräche so weit zu vertiefen, dass wir eines dieser genannten Zukunftsprojekte realisieren können. Denn es wäre fatal, das Potenzial, das in unserem Unternehmen steckt, nicht zu nutzen. Meine Aufgabe ist es deshalb, für united systems im ersten Schritt den Starfighter zu buchen, damit wir abheben können.

ChannelPartner: Wie würden Sie Ihre Aufgaben, Ihre Rolle definieren?

Andreas Kunzmann: Ich will diesem Team helfen, über Managed Services hinaus zu denken, den Horizont zu erweitern. Wir müssen wieder lernen, mehr Vorstellungskraft zu entwickeln und uns darüber zu motivieren, über den Tellerrand hinauszublicken. Neben all den täglichen Aufgaben ist das eine essentielle Aufgabe. Ich möchte die Mitarbeiter dazu ermuntern, quer zu denken, etwas auszuprobieren, ich will Handlungsfreiheit geben, die Freiheit, bewusst Neues auszuprobieren.

Nur durch diese Motivation der Mitarbeiter, diese Intelligenz und durch die Förderung der Kreativität, wird sich ein Unternehmen weiterentwickeln.

Dann werden wir die Anforderungen des Kunden wirklich verstehen und aufnehmen können. Denn dessen Problem und Herausforderung ist nicht die mangelnde Rechenleistung.

Meine Vision ist es, in den nächsten fünf Jahren etwas zu schaffen, das so herausragend ist, wie es united systems 1999 schon einmal war: ein Vorreiter, Vordenker zu sein. Die Idee von Microsoft, an jedem Ort der Welt miteinander zu kommunizieren per Workplace und Connect, das ist doch wunderbar! Und wenn man eine Entscheidung getroffen hat: Handeln. Wenn ich etwas umsetzen will, zählt die Geschwindigkeit. Und das ist ganz einfach, wenn man es will.

ChannelPartner: Wie wird sich die Zusammenarbeit der Systemhäuser mit den Herstellern verändern? Wie verändert sich die Wertschöpfungskette?

Andreas Kunzmann: Da muss man meines Erachtens unterscheiden, ob es sich um einen amerikanischen, einen asiatischen oder einen europäischen Hersteller handelt. Denn die Denkweisen unterscheiden sich sehr stark. Amerikanische Firmen denken überwiegend quartalsgetrieben und verstehen den Channel in Deutschland nicht ausreichend. Deutschland ist im internationalen Vergleich das Land mit der ausgeprägtesten Systemhauslandschaft.

Für große Systemhäuser hat sich die Wertschöpfungskette verändert, weil sie noch enger und stärker mit den Herstellern zusammenarbeiten. Für kleinere und mittelständische Systemhäuser ist es eher schwieriger geworden. Wenn sie keine Distributoren und Partner haben, die das ideale Matching für die Lösung bieten, fällt es schwer, intensivere Herstellerkontakte aufzubauen.

ChannelPartner: Viele dieser mittelgroßen Systemhäuser, die ihr Geschäftsmodell stärker in Richtung Lösungsarchitektur und Prozessberatung ausbauen, erleben, dass sie ihren - immer noch überwiegend am Produktumsatz festgemachten - Status beim Hersteller nicht mehr aufrechterhalten können und damit auch die direkte Betreuung durch einen dedizierten Ansprechpartner verlieren. Der Partner wird also dafür bestraft, wenn er tut, was alle Hersteller in ihren Marketingbotschaften fordern. Wie ist Ihre Erfahrung?

Andreas Kunzmann: Das beobachten wir insbesondere bei großen Herstellern auch. Wenn man als mittelständisches Systemhaus nicht die kritische Größe erreicht und keinen Distributor an der Seite hat, der das managt, und bei dem nicht die Umsatzgröße allein, sondern das Entwicklungspotenzial des Partners zählt, dann wird es schwierig. Hier machen meines Erachtens Spezialdistributoren wie beispielsweise Prianto einen sehr guten Job. Egal, welches Problem ich habe, sie kümmern sich. Wenn es diese Partner nicht geben würde, hätten wir als Systemhaus keine Möglichkeit, mit dem Hersteller sinnvoll zusammenzuarbeiten, wir würden schlicht nicht wahrgenommen.

Anders ist das bei europäischen Herstellern oder bei B-Brand-Herstellern wie bluechip, Wortmann oder Tarox. Die sehen das Systemhaus nicht nur als Cash Cow, sondern immer unter dem Aspekt: Wie können wir gemeinschaftlich wirtschaftlich erfolgreich zusammenarbeiten und Geschäftsmodelle entwickeln.

Die großen amerikanischen Hersteller haben in der Regel kein klares Channel Commitment und keine klare Channel-Strategie. Wir haben auch schon Aufträge an einen Herstellerpartner verloren, weil der plötzlich direkt an den Kunden verkauft hat. Wenn man zu diesen Herstellern keine Kontakte ins Top-Management hat, dann ist es sehr schwierig. Diese Netzwerke zu pflegen und sinnvoll ins Unternehmen hineinzubringen, ist deshalb extrem wichtig. Nur so kann die Systemhauslandschaft weiter überleben.

Das Problem vieler kleiner Systemhäuser ist, dass sie genau das nicht machen. Dass sie nicht auf die Veranstaltungen gehen und sich nicht aktiv mit den Herstellern zusammensetzen und klären, wie man beispielsweise weitere Produkte in das eigene Portfolio mit aufnehmen und weiterentwickeln kann. Dies ist nicht nur ein Verschulden des Herstellers, sondern auch teilweise eine gewisse Bequemlichkeit auf der Systemhausseite.

ChannelPartner: Wenn man sich die marktbeherrschenden Hersteller ansieht, sind das US-amerikanische Anbieter - Microsoft, AWS, Google, - die Plattformanbieter und auch viele Netzwerk-Experten. Werden diese Player auch künftig den Markt beherrschen oder wird die Dynamik, die derzeit auch durch neue Technologien wie AI und Co., entsteht, auch die Kräfteverhältnisse auf der Anbieterseite verändern?

Andreas Kunzmann: Das ist angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage überhaupt nicht mehr vorhersagbar. Wir haben ein paar Verrückte in Europa und ein paar Verrückte in der Welt, die einen Handelskrieg anzetteln, dessen Ausmaße noch gar nicht absehbar sind.

Huawei besitzt eine Marktmacht, insbesondere im Bereich der Carrier-Systeme, die von Trump komplett unterschätzt wird. Huawei ist der einzige Anbieter, der vom kompletten Rechenzentrum über die USV bis zum Dieselaggregat, ja bis zum Kühlschrank alles anbietet - eine gigantische Kapitalmacht.

In Europa wirken momentan so viele unberechenbare Einflüsse, dass ich mich zu keiner Aussage hinreißen lasse. Bliebe alles wie bisher, dann wird die mangelnde Innovationskraft Europa ausbremsen. Länder wie China, Japan, Korea sind da weitaus schneller - die haben sich längst die Innovationsträger in Europa einverleibt und bringen die Dinge günstiger und schneller auf den Markt. Bei Produktlinien, die einen hohen Qualitätsstandard erfordern, ist diese Macht nur noch nicht so stark spürbar - noch nicht. Wenn wir nicht aufpassen, holen sie uns auch dort ein.

Die großen Hersteller im Bereich von Hardware-Systemen werden künftig aus Taiwan und aus Amerika kommen - sie kooperieren heute schon sehr stark. Im Server-Segment wird sich eine ganze Menge wandeln, im Prozessoren-Markt hat AMD mit sehr innovativen Lösungen gerade eine Kampfansage an Intel gemacht.

Kurz: dieser Wandel und die Konzentration auf wenige große, globale Player wird weiter voranschreiten - wie im Automobil-Bereich, wo auch vor einigen Jahren noch keiner damit gerechnet hätte, dass VW Porsche übernimmt, dass Opel, Fiat, Peugeot, Renault kooperieren oder aufgekauft werden. Die klare Struktur und die Effizienz der Plattformstrategie war in dieser Branche entscheidend - und in der IT-Industrie wird sie noch kommen.

ChannelPartner: Welche Rolle spielen für Sie Kooperationen mit anderen Partnern?

Andreas Kunzmann: Wenn wir etwas nicht selbst an Bord haben, besorgen wir uns das über einen Partner. Unsere Zusammenarbeit mit Prianto im Bereich Fulfillment ist dafür ein Paradebeispiel. Auch mit anderen Systemhäusern kooperieren wir. Denn der Markt ist so groß, dass wir alle als mittelständische Systemhäuer es vermeiden sollten uns untereinander als Wettbewerber zu begreifen, sondern versuchen, wo immer es sinnvoll ist, Kunden gemeinsam zu gewinnen und zu bedienen. Unsere gemeinsamen Wettbewerber sind doch die ganz großen Häuser, die mit Macht und Preispolitik im Markt agieren.

Foto: United Systems

Andreas Kunzmann leitet seit April 2019 als Vorstand den Münchner IT-Dienstleister und MSP united Systems AG. Zuvor verantwortete er unter anderem 13 Jahre als Geschäftsführer den Vertrieb der Bull GmbH Systemhaus PPC.
Weitere Stationen seiner beruflichen Laufbahn führten ihn als Geschäftsführer Vertrieb über Maxdata, zur Spirit Unternehmensgruppe (arxes / TDMI AG), Lynx IT Systeme und in die Geschäftsführung der CoSi medical IT GmbH. Mit seinem Wechsel zur united systems AG kehrt er zurück zu seinen Wurzeln ins Systemhausgeschäft.

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