"Wir verschenken Netware 6 an unsere Partner"

28.03.2002
Vergangene Woche fand in Salt Lake City die alljährliche Kunden- und Partnerveranstaltung von Novell statt. Und diesmal begann die "Brainshare" mit einem Paukenschlag. Chris Stone verkündete eine völlig neue Channel-Strategie.

Etwa 5.000 Vertreter von Kunden und Partnern kamen zur diesjährigen Brainshare. Novells CEO Jack Messman konnte aufgrund einer Erkrankung nicht die Eröffnungsrede halten, für ihn sprang Chris Stone ein. In ungewöhnlich offener Form gab der zweite Mann bei den Netzwerkern aus Utah Fehler in der Vergangenheit zu: "Wir haben es zugelassen, dass unsere Direktvertriebs- leute bei Kunden unserer Partner anriefen. Das führte zu zahlreichen Channel-Konflikten und verärgerten Partnern." Nun soll alles besser werden: Lösungsanbieter, Berater, Systemintegratoren und unabhängige Software- und Hardwarehersteller sollen unter einer einzigen Dachorganisation zusammengefasst werden. Die Führung soll dort der Novell-Veteran Mike Giovia übernehmen.

Bis auf die bestehenden "named accounts" sollen keine weiteren Kunden mehr direkt beliefert werden: "Das soll der Channel besorgen", so Stone in der Olympiastadt. Er unterscheidet nur noch zwischen zwei Arten von Partnern: auf der einen Seite die großen "sell with"-Partner, die von Novells Channel-Managern unterstützt werden; und auf der anderen Seite die kleineren "sell through"-Partner, die vom Hersteller keine besondere Betreuung erfahren.

Das wird die Partner freuen

Den Kracher schlechthin sparte sich Stone aber für das Interview mit der ComputerPartner-Schwesterzeitschrift "Computerworld" auf. Darin verblüffte er mit folgender Aussage: "Warum machen wir es nicht genauso wie Microsoft? Die verschenken eine Plattform (Webbrowser und Mail-Clients, Anmerkung der Redaktion) und verkaufen dafür etwas anderes (Exchange, Anmerkung der Redaktion) - und das über unsere Partner. Deshalb bieten wir ihnen jetzt Netware 6.0 kostenlos an."

Von diesem Vorstoß zeigte man sich in der Deutschland-Niederlassung völlig überrascht. "Davon wussten wir überhaupt nichts", so ein Firmensprecher. "Netware 6 zu verschenken ist äußerst clever", so die Entgegnung von Werner Kreiner, Geschäftsführer des Novell-Partners Newcomp. Er hält es für möglich, dass dies keine Ente ist. "Es werden aber nur die File- und Printserver-Funktionen samt des Verzeichnisdienstes kostenlos abgegeben." Sobald der Kunde nach mehr verlangt, etwa nach einem Workflow-System oder einer Firewall, wird er laut Kreiner zur Kasse gebeten.

Und das kann sich für Novell durchaus auszahlen. Wenn man bedenkt, dass die "Small Business"-Edition dies und noch viel mehr (komplettes Groupwise-Paket, die Destop-Management-Suite "Zenworks" und die Netzwerk-Zugangslösung "Border Manager") bereits beinhaltet und das zu einem Straßenpreis von rund 1.800 Euro, erscheint die Strategie, mit dem Verschenken der "nackten" Netware Folgegeschäfte zu generieren, durchaus realistisch.

Produktoffensive

Außer reinen Absichtserklärungen hatte Novell aber auch Konkretes in Salt Lake City anzubieten, nämlich eine Reihe neuer Produkte. Das revolutionärste unter ihnen ist wohl "Workspace". Damit sollen Arbeitsgruppen einen gemeinsamen Zugriff auf alle projektbezogenen Aufgaben und Dokumente erhalten. Ein solches Team ist laut Novell rasch aufgebaut, einzelne Mitglieder erhalten vorbestimmte Rechte und Rollen, ein Projektmanagement-Werkzeug regelt den Ablauf und die Zusammenarbeit. Jedes Gruppenmitglied benötigt dazu lediglich einen handelsüblichen Webbrowser. Als Serverplattformen kommen Windows NT/2000 sowie Solaris infrage. Workplace integriert sowohl die Novell-eigene Groupware "Groupwise" als auch Microsofts "Exchange". Auf den Markt soll die Lösung im dritten Quartal dieses Jahres kommen, dann wird der Hersteller auch die genauen Preise bekannt geben. Momentan ist nur eine Betaversion vorhanden.

Einen festen Auslieferungstermin gibt es hingegen für Novells Daten- und Programme-Verteilungsmaschine "Zenworks Synergy". Anfang Mai soll diese Lösung er- hältlich seine und pro Lizenz 159 Dollar kosten. Mit Synergy lassen sich Applikationen und Daten nicht nur auf Windows-gestützten PCs ausliefern, sondern auch auf die so genannten "Thin Clients". Aber auch Anwender, die ihren Webbrowser als Arbeitsoberfläche nutzen, gehen nicht leer aus; sie werden ebenfalls von Synergy bedient. Spezielle Software auf dem Client sei hierzu nicht nötig, versichern Novells Produktmanager.

Ab dem 15. April wird es ferner eine Betaversion von "E-Directory 8.7" zum freien Download geben. Damit möchten die Softwerker aus Utah ihren Verzeichnisdienst einem breiteren Publikum zugänglich machen. Das Nachfolgemodell von Groupwise ist ebenfalls in Arbeit.

Und schließlich setzt Novell auf Webservices. Hierbei unterstützt der Softwarehersteller all die gängigen Standards wie J2EE (Java 2 Enterprise Edition), Soap (Simple Object Access Protocol), WSDL (Web Services Description Language) und UDDI (Universal Description, Discovery, Integration). Außerdem arbeiten die dortigen Entwickler daran, OpenSource-Produkte wie die Datenbank My SQL, den Applikationsserver "Jboss", mit der Java-Maschine "Tomcat" und den Webserver "Apache" in Netware zu integrieren. Dies ist wohl als letzter Versuch zu werten, Microsoft, IBM und Sun Paroli zu bieten (siehe auch Kommentar auf Seite 8).

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