Wirkliche Innovationen sind selten

11.02.2000

Schöner, schneller, weiter. Diese drei Worte kennzeichnen das Leben in unserer heutigen Computergesellschaft. IT-Hersteller bringen ständig neue Geräte auf den Markt. Aber zu den Computermessen überschlagen sie sich geradezu mit der Ankündigung neuer Produkte. Schon Wochen vorher werden die Computer-Redaktionen und Fachhändler mit Presseberichten und Beschreibungen "innovativer" Neuerscheinungen überflutet. "Dieses Produkt wird die Computerbranche revolutionieren", heißt es großspurig in den Verlautbarungen. Doch dabei handelt es sich in den meisten Fällen um heiße Luft. Wirkliche Innovationen sind selten. Oft handelt es sich beim angepriesenen neuen Produkt um kosmetisches Face-Lifting eines alten Gerätes. Wenn zum Beispiel Sony seine "neuen" Projektoren mit den Worten "bewährte Leistungsmerkmale, wie SVGA-Auflösung und 600 Ansi-Lumen Lichtleistung" anpreist, kann man vermuten, dass im Wesentlichen nur das Gehäuse neu designt wurde und einige Features in der Software hinzugekommen sind.

Dem Handel wird es nicht leicht fallen, den Kunden eine solche "Innovation" schmackhaft zu machen. Ob der Projektor nun in computergrau oder einem hellen Türkis auf dem Tisch steht, macht für den Anwender wohl keinen großen Unterschied.

Canon ist da ein wenig ehrlicher. In der Pressemitteilung gibt der Druckerspezialist offen zu, dass sich seine nun "Copy Mäuse" getauften Kopierer technisch gesehen nicht von den Vorgängermodellen unterscheiden. Aber das neue Design soll sie nun weitaus attraktiver machen. Hier muss sich der Händler offensichtlich als Marketing-Spezialist bewähren, um seinem Kunden die Vorzüge einer "durchscheinenden, hellgrauen Papierabdeckung" als Verkaufsargument unterzuschieben.

Selbst bei den Zugpferden der Computerevolution, den Prozessoren, geht es dem Handel nicht besser. Höhere Taktraten sind zur Zeit das Einzige, was die Hersteller als Innovation verkaufen. Doch ob die CPU mit 900 oder 1.000 MHz läuft, macht letztlich beim Anwender keinen Unterschied. Bei Office-Anwendungen wird er die zehn Prozent Leistungsverstärkung nicht einmal bemerken. Und wie soll der Handel dem Käufer erklären, warum er für die neue Maschine rund 1.000 Mark mehr ausgeben muss, wenn es keinen erkennbaren Vorteil gibt. Das Argument "Zukunftssicherheit" zieht beim Käufer auch nicht mehr, denn egal welchen Rechner man verkauft, in spätestens einem Jahr ist jeder PC nur noch zweite Wahl.

Was aber, wenn ein Hersteller tatsächlich mal eine wirklich gute und clevere Idee hat? Dann kommt es darauf an: Ist er groß und bekannt, ist es für den Handel einfach. Mit einer groß angelegten Marketing-Operation sorgt der Hersteller für öffentliches Interesse an dem neuen Produkt. Es verkauft sich quasi von allein. Handelt es sich aber um kleines Unternehmen, fehlt die notwendige Marketing-Power. Dann ist der Handel gefragt: Er kann Hilfestellung bei der Vermarktung geben und dabei auch noch profitieren. Dazu ein Beispiel: Das recht kleine Unternehmen Microboss hat einen MP3-Player auf den Markt gebracht, der clever konstruiert ist. Näheres dazu finden Sie auf Seite 61 in dieser Ausgabe. Die Idee ist einfach genial, so dass man sich fragt, warum bislang noch keiner darauf gekommen ist. ComputerPartner verleiht dem Player deshalb das Prädikat "Innovation des Monats".

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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