Landgericht München I bestätigt Auslegung

Wirksamkeit der GPL

05.11.2007
Von Katharina Scheja
Rechtsanwältin Dr. Katharina Scheja erläutert ein aktuelles Urteil zur Wirksamkeit der GNU General Public License, des bekanntesten Open-Source-Lizenz-Vertragswerks, und zeigt dessen Folgen auf.

Am 24.7.2007 hat das Landgericht München I erneut zur Wirksamkeit der GNU General Public License (GPL), des bekanntesten Open-Source-Lizenz-Vertragswerks, entschieden (Az.: 7 O 5245/07 nicht rechtskräftig). Gegner des Verfahrens war die Skype Technologies SA (Skype), ein Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, das Voice-over-IP (VoIP) anbietet.

Über die Website von Skype war ein VoIP-Telefon vertrieben worden, das von der Firma SMC Networks (SMC) hergestellt wird. Dieses Telefon enthält ein Linux-Betriebssystem, dessen Vertrieb nur unter den Bedingungen der GPL gestattet ist. Entgegen den Bedingungen der GPL hatte SMC Networks das Telefon anfangs ohne den Lizenztext verkauft. Zudem lieferte SMC Networks den Quelltext des Programms nicht mit.

Nach Ziff. 1 der GPL muss bei jeder Verbreitung von GPL-geschützter Software der Lizenztext mitgeliefert werden. Gemäß Ziff. 3 der GPL darf ein Programm zwar auch im ausführbaren Objektcode verbreitet werden, der Quelltext muss aber beigefügt werden. Allerdings reicht es aus, lediglich auf eine Internetadresse, unter der der Quelltext heruntergeladen werden kann, hinzuweisen, sofern das Programm selbst ebenfalls über diese Webseite vertrieben wird, was vorliegend aber nicht der Fall war.

Deshalb beantragte der Kläger, Harald Welte, Gründer und Betreiber von www.gpl-violations.org, in separaten Verfahren Skype und SMC die Unterlassung der vertragswidrigen Verbreitung des Produkts aufzuerlegen. Das Verfahren gegen SMC ist noch anhängig.

Nachdem Skype über die Verletzung der GPL informiert worden war, hatte SMC das Telefon mit einem Beiblatt versehen, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die genutzte Software durch die GPL oder die Lesser GPL (LGPL) geschützt sei und wo der Quelltext erhältlich sei. Das Landgericht München I entschied, dass dieses Vorgehen nicht ausreicht, um den Bestimmungen der GPL zu entsprechen. Entsprechend Ziff. 1 GPL müsse der Lizenztext selbst, nicht nur ein Hinweis darauf, mitgeliefert werden. Zudem sei der pauschale Hinweis auf zwei unterschiedliche Lizenzen nicht bestimmt genug. Der Kunde müsse der Information genau entnehmen können, welche Teile der GPL und welche der LGPL unterstünden. Gemäß Ziff. 3 der GPL müsse des Weiteren der Quelltext unmittelbar dem Produkt beigelegt werden. Skype selbst wurde nicht als Distributor des Telefons eingestuft. Da jedoch das Telefon über die Website von Skype angeboten wurde, urteilte das Gericht, dass Skype nach einem entsprechenden Hinweis auf die Rechtsverletzung hätte überprüfen müssen, ob das Telefon künftig unter Übereinstimmung mit den Bestimmungen der GPL vertrieben wurde. Unterlasse Skype eine gründliche Prüfung, könne es als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Skype hätte demnach das Telefon nicht weiter auf der eigenen Website anbieten dürfen, da trotz Beifügung des Beiblatts eine Verletzung der Bestimmungen der GPL vorlag.

Fall 1: Wann sind die Regelungen der GPL Bestandteil eines Vertrages?

Die Entscheidung des Landgerichts München I ist mittlerweile die dritte, die die Wirksamkeit der GPL zum Gegenstand hat. Bereits im Jahre 2004 hatte das Landgericht München I erstmals zur GPL Stellung nehmen müssen (Landgericht München I, Urteil vom 19.5.2004 Az.: 21 O 6123/04). Im damaligen Fall hatte ein Netzwerkkomponentenhersteller einen Netzwerk-Router vertrieben, der GPL-geschützte Software zur Filterung von Datenverkehr enthielt, ohne Lizenz- und Quelltext beizulegen. In dem Rechtsstreit hatte Harald Welte als Urheber oder mindestens Miturheber der Software ebenfalls die Unterlassung der Verbreitung beantragt. Als weltweit erstes Gericht hatte das Landgericht München I darüber zu entscheiden, ob die GPL als Allgemeine Geschäfts-bedingungen (AGB) wirksam in den Vertrag zwischen Urheber und Nutzer einbezogen werden können.

Bis zu diesem Zeitpunkt war zudem die Konstruktion der Rechtsübertragung nach der GPL in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten gewesen. Das Landgericht München I betrachtete die GPL als AGB. Es entschied, dass der Hinweis auf die GPL und die Internetadresse, unter der sie gefunden werden könne, für die Einbeziehung ausreichend seien. Unschädlich sei ferner, dass die rechtsverbindliche Version der GPL in englischer Sprache abgefasst sei, zumindest gegenüber einem gewerblichen Softwarehersteller als Nutzer.

Copyleft-Klausel wirksam

Im Anschluss daran hatte das Gericht darüber zu befinden, ob Ziff. 4 der GPL, die Copyleft-Klausel, mit den AGB-rechtlichen Bestimmungen des BGB (§§ 305 ff. BGB) vereinbar sei. Nach dem Landgericht München I stellt sich die rechtliche Situation wie folgt dar: Mit Abschluss des Vertrags räumt der Urheber dem Nutzer ein Nutzungsrecht an der Software ein. Die Einräumung stehe allerdings gemäß Ziff. 4 der GPL unter einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 des BGB. Verletzt der Nutzer die Bestimmungen der GPL, dann entfällt aufgrund der auflösenden Bedingung auch die Einräumung des Nutzungsrechts, das Recht fällt an den Autor zurück. Verhält sich der Nutzer künftig gemäß den Bestimmungen der GPL, erwirbt er erneut die Nutzungsrechte vom Urheber. Das Gericht sah diese Konstruktion als vereinbar mit §§ 305 ff. BGB an. In dieser Beurteilung folgte es der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Meinung in der Literatur.

Fall 2: LG Frankfurt bestätigt Entscheidung aus dem Jahr 2004

Im Jahre 2006 hat sich das Landgericht Frankfurt/Main dieser Linie angeschlossen (Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 6.9.2006 Az.: 2/6 O 224/06). Beim Verfahren aus dem Jahre 2004 hatte es sich lediglich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren gehandelt. Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main war dementsprechend das erste Hauptverfahren, dessen Inhalt die Wirksamkeit der GPL darstellte. Während das Landgericht München I im einstweiligen Verfahren noch die Urheberschaft von Harald Welte vermuten konnte, musste nun die Klagebefugnis deutlicher dargelegt werden. Harald Welte hatte sich für diesen Zweck die ausschließlichen Rechte an der Software von den Initiatoren, also den "Ersturhebern" verschiedener Softwareprojekte, treuhänderisch einräumen lassen. Dies sah das Landgericht Frankfurt/Main als ausreichend an. Weiter betrachtete es die GPL erneut als wirksam und gab dem Unterlassungsbegehren statt. Dem Kläger erkannte es Ersatz für den Aufwand zu, der für die Untersuchung der Software auf die Rechtsverletzung hin nötig gewesen war.

Die aktuelle Entscheidung des Landgerichts München I geht insofern über die vorherigen Entscheidungen hinaus, als Bestimmungen der GPL erstmals im Detail ausgelegt und konkretisiert wurden. Zusätzlich wurde klargestellt, dass mittels der GPL auch gegen ausländische Rechtsverletzer sowie gegen Personen, die in den Verbreitungsvorgang rechtsverletzender Produkte eingebunden sind, vorgegangen werden kann.

Die Entscheidungen machen deutlich, dass die GPL wirksam in Verträge zwischen Urheber und Nutzer einbezogen werden kann. Die "Copyleft-Klausel" der Ziff. 4 GPL ist wirksam. Die Verletzung der GPL zieht dementsprechend für künftige Verbreitungsvorgänge automatisch die Verletzung der Urheberrechte nach sich.

Streitfall Open-Source-Lizenzen: Wem gehört der Code?
Streitfall Open-Source-Lizenzen: Wem gehört der Code?
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Fazit: Die GPL ist im Grundsatz, wenn auch nicht durchgehend, wirksam und durchsetzbar. Die Gerichte behandeln die GPL wie andere AGB und werden sie bei Bedarf in Zukunft weiter auslegen und konkretisieren. Die drei Entscheidungen zeigen, dass bei Verwendung der GPL ein hohes Maß an Rechtssicherheit gegeben ist, obwohl Marktteilnehmer teilweise noch das Gegenteil vertreten. Im Einzelfall kann dies anders zu beurteilen sein; auch ist zu beachten, dass es bisher an oberinstanzlicher Entscheidungspraxis fehle und auch keine BGH-Entscheidung vorliegt. Wer Streit vermeiden will, sollte jedoch die Regeln der GPL beachten oder nur nach genauer rechtlicher Prüfung und Beratung über die dadurch entstehenden Risiken hiervon abweichen. MF

Dr. Katharina Scheja

ist seit 1990 als Rechtsanwältin tätig und Partnerin der Sozietät Heymann und Partner in Frankfurt. Zu ihren Spezialgebieten gehören EDV-, Urheber-, Patent- und Lizenzvertragsrecht sowie Outsourcing.

Kontakt und Infos:

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