Wirless Application Protocol

21.10.1999

MÜNCHEN: Hersteller von Mobiltelefonen, Festnetz- und Content-Anbieter reiben sich beim Stichwort WAP (Wireless Application Protocol) vergnügt die Hände. Nicht ohne Grund, denn allein in Deutschland tummeln sich derzeit 19 Millionen Handybesitzer und damit potentielle Kunden. Laut Dataquest wünschen sich rund 75 Prozent von ihnen einen Dienst, der nicht nur Sprache, sondern auch Daten überträgt und diese auch darstellen kann. Doch nicht alle teilen diesen Enthusiasmus. Die meisten PC-Fachhändler und Distributoren stehen der neuen Technologie bisher eher skeptisch gegenüber, denn den großen WAP-Kuchen teilen sich andere.Bereits 1997 schlossen sich unter anderem Nokia, Ericsson und Motorola zu einem Forum zusammen. Im vergangenen Jahr war es dann soweit: Die beteiligten Firmen, die mittlerweile auf mehr als 100 angewachsen sind, stellten das Wireless Application Protocol vor. WAP unterstützt alle gängigen Betriebssysteme. Der Internet-Motor eines WAP-fähigen Handys ist ein integrierter Mini-Browser, der auf der "Wireless Markup Language" basiert (WML). Vereinfacht gesagt: WAP ist im Grunde nichts anderes als HTTP für Handys und damit das "Sesam öffne Dich" für den E-Commerce über Mobiltelefone. Ein weiterer Vorteil, der die Softwaretüftler reizen dürfte: WAP ist ein offener Standard.

Einkaufen per Handy ist noch Zukunftsmusik

Der Endanwender wird sich noch ein wenig gedulden müssen, bis er in den Genuß kommt, mit seinem Handy im Internet einkaufen zu können. Bis dato gibt es nämlich nur wenige WAP-fähige Handys. So bieten beispielsweise Motorola mit dem "L7089" oder Nokia mit dem "7110" ein WAP-fähiges Handy an. Ericssons

"R380 S" sowie das "R320 S" und Panasonics "Smart Phone" sollen demnächst auf den Markt kommen. Preislich bewegen sich die Geräte ab etwa 600 Mark aufwärts. Siemens preschte als erster Anbieter mit dem "S25" ins WAP-Geschäft. Die Ironie der Geschichte: Kurz nach der Markteinführung des Geräts etablierte sich der De-facto-Standard WAP 1.1, der zu der Version 1.0 des S25 nicht kompatibel ist. "Dieses Jahr wird es kein neues Modell geben, das auf WAP 1.1 basiert. Wir werden aber keine abwartende Haltung einnehmen", gibt sich Christiane Bog-doll, seit kurzem Pressereferentin bei Siemens, nach dem Schnellschuß kämpferisch. "Wir setzen auf Standards, sichten die gesamte Wertschöpfungskette und planen Allianzen mit Content-Providern wie beispielsweise Fluggesellschaften, Banken oder Newsservices, um unseren Kunden ein Komplettpaket anbieten zu könnnen", umreißt Bogdoll die WAP-Strategie von Siemens. Auf der gerade beendeten TK-Messe "Telecom 99" in Genf zeigte das Unternehmen ein neues Handheld-Gerät, das Termin- und Adreßplaner, Notizblock und WAP-Terminal vereint. Das zigarettenschachtelgroße Gerät namens "Unifier IC35" ist aufklappbar und kann aufgrund eines eingebauten Modems mit einem GSM-Handset (Global System for Mobile Communications) verwendet werden. Um damit ins Internet zu gehen, wird der Unifier via Kabel oder Infrarotverbindung an ein Telefon angeschlossen. Steht die Verbindung, können die Benutzer E-Mails, elektronische Faxe oder Nachrichten über SMS verschicken und empfangen. Der integrierte WAP-Browser ermöglicht das Abrufen von Informationen aus dem Internet. Der Unifier hat zudem einen Schlitz für Smart-Cards und zwei zusätzliche für Multimediakarten. Einzelheiten zur Markteinführung oder zum Preis gibt es noch nicht.

WAP könnte zum riesigen Geschäft werden

Aber auch die anderen Gobal Player der Kommunikationsbranche legen die Hände nicht in den Schoß. Die Aussichten auf ein riesiges Geschäft sind verlockend. Denn wenn sich WAP beim Endkunden durchsetzt, müßten konventionelle Mobiltelefone durch WAP-fähige ersetzt werden.

Ein weiterer Knackpunkt sind die in Deutschland gängigen GSM-Netze. Zwar arbeitet WAP mit den Mobilfunknetzen D1, D2 und E-Plus zusammen, aber nur mit einer bescheidenen Übertragungsrate von ma- ximal 9.600 Bit pro Sekunde. Die volle Leistung des Systems garantieren erst die zukünftigen Standards für drahtlose Datenübertragung "Bluetooth", "General Packet Radio" (GPRS) und "Universial Mobile Telecommunication System" (UMTS).

Letztendlich fehlen derzeit noch die entsprechenden Möglichkeiten. Hier sind die Content-Anbieter gefragt, denn die Internet-Angebote präsentieren sich nach wie vor im HTML-Standard, und genau der ist zu WAP inkompatibel. Wer jetzt schnell ist, kann eine Marktnische besetzen, indem er entsprechende Dienstleistungen anbietet. "Wir wollen PCs und Handhelds verkaufen", umreißt Eric Ryan, Produktmanager für Netzwerk und Kommunikation beim Distributor Ingram Macrotron, die aktuelle Situation und fügt hinzu: "Momentan macht der kleine Händler in diesem Bereich keinen Stich." Anders dürfte es die Tochtergesellschaft Macrocom sehen, die den Mobile Channel bedient und sich mit Sicherheit schon jetzt auf satte WAP-Umsätze freut.

Schauen Fachhändler in die WAP-Röhre?

Ähnlich wie Eric Ryan sehen es die von ComputerPartner befragten PC-Fachhändler. Unisono erklärten sie, daß WAP für sie derzeit noch kein Thema sei. "Für uns bedeutet WAP allenfalls ein kleines Zusatzgeschäft", erklärt ein Münchner Einzelhändler. "Es besteht eine große Chance, daß Telekommunikation und PC nicht mehr zu trennen sind", setzt Corinna Philipp-Weinelt, Unternehmenssprecherin bei Ericsson, dagegen und verweist auf WAP-fähige Handheld- PCs. In diesem Segment könne der Händler durchaus an der neuen Technologie partizipieren, betont sie und vergißt nicht, in diesem Zusammenhang auf den neuen Handheld "MC 218" von Ericsson hinzuweisen. Die gleiche Richtung verfolgt die Unternehmensberatung Edge, die mit dem

"WAP-Man" einen WAP-1-fähigen Browser für das Palm-OS-Betriebssystem entwickelt hat und eine kostenlose Betaversion zum Download anbietet.

Stefan Schiechl, Manager für E-Business bei CHS, rollt die WAP-Thematik von der technischen Seite auf und gibt sich eher skeptisch:

"Von wirklich akzeptablen Übertragungsgeschwindigkeiten kann man heute noch nicht sprechen. Nichtsdestotrotz ist aber deutlich zu erkennen, daß die digitale Funktechnik massiv an Bedeutung gewinnt."

William Geens, Direktor Produktmarketing bei Actebis, gibt sich weniger abwartend und skeptisch:

"WAP bietet einen echten Zusatznutzen für alle mobilen Geräte - sowohl im Business-to-Business-Bereich als auch im Consumer- Segment." Geens ist überzeugt, daß die Vertriebsschiene Hersteller - Distributor - Einzelhändler eine große Chance hat: "WAP ist fast schon eine klassische Lösung für die Vermarktung im Kanal. Die Distribution ist prädestiniert für die Bündelung einzelner Produkte zu einer kompletten Lösung."

Auch T-Mobil-Vertriebschef René Obermann freut sich: "Den mobilen Varianten des E-Commerce wird schon in naher Zukunft große Bedeutung zukommen." T-Mobil kam im August auf 7,6 Millionen Kunden, Mannesmann-D2 zählte rund acht Millionen, E-Plus drei Millionen und Viag Interkom 400.000 Mobiltelefonierer. Das Marktpotential von WAP wird auch im Zusammenhang mit einer anderen Zahl deutlich: Allein 100 Millionen SMS-Nachrichten ê 39 Pfennig wurden innerhalb eines Monats über das D2-Netz verschickt. Der entscheidende Vorteil für Mobilfunknetzbetreiber und Content-Anbieter: Mit WAP läßt sich der Umsatz der Dienstleistung auf den Pfennig genau zahlungssicher ausrechnen und vor allem untereinander aufteilen. Gegenüber dem Internet ein entscheidender Vorteil. (mm)

So oder so ähnlich könnte ein WAP-Dienst in Zukunft funktionieren.

Das "Nokia 7110" ist eines der ersten Mobilfunkgeräte mit WAP-Funktionalität.

Mit dem " Unifier IC35" steigt auch Siemens in den Markt für Handhelds (mit WAP) ein.

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