Wirtschaftlichkeitsrechnung im Mittelstand: Sparen ist nicht alles

02.10.2003
In Sachen Wirtschaftlichkeitsrechnung für IT-Projekte klafft vor allem beim Mittelstand eine riesige Lücke zwischen Theorie und Praxis. Eine Bestandsaufnahme von Techconsult.

85 Prozent der 887 von Techconsult befragten mittelständischen deutschen Unternehmen empfinden Wirtschaftlichkeitsrechnung als wichtig oder gar sehr wichtig. Nur schlägt sich diese Meinung keineswegs in der praktischen Umsetzung nieder. Denn über 40 Prozent der Befragten führen selten oder nie entsprechende Analysen durch.

Internen Berechnungen glauben die Wenigsten

Diese Diskrepanz ist unter anderem auf die Unerfahrenheit der Anwender in diesem Gebiet zurückzuführen. Wirtschaftlichkeitsanalysen sind sehr komplex, und viele potenzielle Kunden scheuen den Aufwand. Denn für eine umfassende Analyse aller Faktoren (siehe Kasten) muss entweder der Kunde oder der Dienstleister alle relevanten Faktoren ausmachen und bewerten. Auch glauben nur die wenigsten Unternehmensführer den Berechnungen der eigenen EDV-Verantwortlichen; zum einen, weil sie ihnen nicht die entsprechende Kompetenz zutrauen, zum anderen, weil sie ihnen unbewusst unterstellen, die Wirtschaftlichkeit der eige-nen Abteilung und der gewünschten Investitionen schönzufärben. Wenn also eine Analyse gemacht werden soll, vertrauen sie lieber auf eine externe Lösung.

Doch auch in diesem Umfeld herrscht Unsicherheit. Denn nur wenige der rund 200 (!) verfügbaren Methoden und Tools sind mittelstandskonform. Die meisten webbasierenden Tools wurden zudem für den US-Markt entwickelt, berechnen also statt in Euro in Dollar, und sie können, wenn überhaupt, nur mit massivem Aufwand auf die deutschen Verhältnisse eingestellt werden, oder sie berechnen völlig falsche Kosten. Beispiel: In den USA liegen die zusätzlichen Kosten pro Mitarbeiter für Sozialabgaben bei 30 Prozent, in Deutschland muss man mit rund 70 Prozent rechnen. Oftmals werden nach Ansicht der Befragten die Formeln und Herleitungen nur ungenügend dokumentiert, der Anwender kann selten die Berechnungen nachvollziehen und stellt deshalb schnell die Neutralität in Frage.

Andererseits machen die Tools teilweise differenzierte Analysen und Bewertungen von vielfältigen Parametern möglich. Auch die professionelle Darstellung wird von vielen der befragten Unternehmen positiv hervorgehoben.

Gartner ist Vorrechner

Als Alternative zum Selberrechnen bieten etablierte Research-Institute ausgereifte Modelle an. Zahlreiche Fallbeispiele aus Großunternehmen sprechen für diese Alternative. Wohl zu den bekanntesten und etabliertesten Modellen gehört Gartners TCO-Berechnung (Total Cost of Ownership). Fast 85 Prozent aller Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Deutschland basieren auf diesem Modell. Die Anwender und Dienstleister können sich umfassend schulen lassen, erhalten eine Zertifizierung inklusive Dokumentation.

Jedoch sprechen auch dagegen einige Faktoren. So sind diese Modelle ebenfalls extrem US-lastig, orientieren sich vor allem an den Kosten, weniger am Nutzen, und sie kosten viel Geld. So schlagen etwa zwei Gartner-Schulungen inklusive Lizenzierung und Nutzungserlaubnis mit satten 29.000 Euro zu Buche. Das macht sie nur bedingt mittelstandstauglich.

Doch der Bedarf ist grundsätzlich gegeben. So gaben rund zehn Prozent der größeren Mittelständler (200 Mitarbeiter und mehr) bei der Techconsult-Befragung aktuellen Bedarf an Wirtschaftlichkeitsrechnung durch externe Dienstleister zu. Von diesen Unternehmen präferieren 27,4 Prozent grundsätzlich eine Wirtschaftlichkeitsanalyse als separate Dienstleistung, 26,7 Prozent ziehen es vor, wenn sie ein fester Bestandteil des Projekts ist.

www.techconsult.de

ComputerPartner-Meinung

Die reine Hardware oder Software hat für mittelständische Unternehmen nur wenig (Kauf-) Reiz. Sie fragen vermehrt nach dem wirtschaftlichen Nutzen einer IT-Investition. Und da die Unternehmen nur bedingt den Wirtschaftlichkeitsrechnungen der eigenen IT-Verantwortlichen Glauben schenken, sind Fachhändler und Sys-temhäuser am Zug, die über das notwendige Branchen- und Unternehmens-Know-how verfügen sowie das betriebswirtschaftliche Rüstzeug für eine kundenorientierte Kosten-Nutzen-Analyse haben. (go)

Der kleine Unterschied

Beim traditionellen Benchmarking werden die Kosten in fünf Gruppen unterteilt: Hardware, Software, Personal- und Betriebskosten sowie externe Dienstleistungen. Das bekannteste Verfahren der Kostenstrukturanalyse ist Gartners TCO (Total Cost of Ownership). Dabei geht man davon aus, dass die Kosten nicht nur auf der Serverseite liegen. Man betrachtet auch die Kosten auf der Clientseite sowie die der Benutzer und die so genannten Opportunitätskosten. Nicht berücksichtigt wird hingegen die Nutzenstruktur.

Laut Definition beschreibt Wirtschaftlichkeit das Verhältnis zwischen Kosten und Leistung beziehungsweise Aufwand und Ertrag. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse untersucht die Kosten- und die Nutzenstruktur sowie das Beziehungsverhältnis zwischen beiden. Analog zur Kostenmessung kann man auch den quantitativen und qualitativen Nutzen analysieren. Zur ersten Gruppe gehören alle unmittelbar messbaren Erträge wie etwa der Umsatz. Aber auch die erwarteten Erträge einer konkreten Marketingaktion können relativ genau definiert werden. Etwas schwieriger wird es mit dem nicht monetären Nutzen, beispielsweise der Kundenzufriedenheit. Das TEI-Verfahren (Total Economic Impact) von Giga Information oder das TVO-Verfahren (Totel Value of Ownership) von McKinsey analysieren neben den reinen Kosten auch den qualitativen Nutzen, wobei auch die Kriterien Risiko und Flexibilität untersucht werden.

Längere Implementierungszyklen oder gar das vollständige Scheitern eines IT-Projekts sind ein potenzielles Risiko. Man kann jedoch alle vorhersehbaren Probleme dokumentieren, deren Wahrscheinlichkeit erfassen sowie die möglichen Auswirkungen kalkulieren und Ernstfall-Szenarien vorbereiten. Das Comparex-Verfahren zur Risikoanalyse basiert beispielsweise auf einem Rechenmodell, das ähnlich wie bei versicherungsmathematischen Ansätzen die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Risiken berechnet. (go)

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