Wirtschaftslage aus Sicht des Mittelstands:zwischen Hoffen und Bangen

19.06.2003
Der Verband der Vereine Creditreform hat über 4.700 deutsche Mittelständler nach ihrer Beurteilung der wirtschaftlichen Lage befragt. Nur die wenigsten zeigen offen Optimismus, das Gros gibt sich zurückhaltend bis verängstigt.

Die wirtschaftliche Lage im Mittelstand hat sich auch im Frühjahr 2003 weiter verschlechtert, wie der Verband der Vereine Creditreform in einer Umfrage herausfand. Lediglich 20,5 Prozent der 4.744 Teilnehmer an der Befragung beurteilen ihre Geschäftslage mit gut oder sehr gut (Frühjahr 2002: 24,4 Prozent). Am unteren Rand zeichnet sich jedoch eine leichte Stabilisierung ab: 57,8 Prozent der Befragten schätzen ihre Geschäftslage als befriedigend und ausreichend ein. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung um 5,3 Prozentpunkte. Jeder Fünfte (21 Prozent) bewertet die Lage mit mangelhaft bis ungenügend. Das entspricht dem Wert von 2002.

Im Osten wird die Geschäftslage schlechter eingeschätzt als im Westen Deutschlands. So beurteilten in den neuen Bundesländern lediglich 14,2 Prozent ihre Geschäftslage mit sehr gut und gut (Frühjahr 2002: 15,9 Prozent). Im Westen waren dies 21,5 Prozent (Vorjahr: 25,7 Prozent). Als mangelhaft oder ungenügend bezeichnen in den neuen Bundesländern 24,1 Prozent ihre wirtschaftliche Situation, in den alten Ländern sind es 20,7 Prozent. Somit fällt der Saldo aus guten und schlechten Bewertungen im Osten mit minus 9,9 Prozentpunkten deutlich schlechter aus als im Westen (0,8 Prozentpunkte).

Wenig Hoffnung auf steigende Umsätze

Ähnlich sieht es auch bei der Umsatzentwicklung aus: In Ostdeutschland haben sich die erwarteten Zahlen zur gestiegenen Umsatzentwicklung im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert. Zum aktuellen Zeitpunkt sprechen nur noch 7,6 Prozent der Befragten von gestiegenen Umsätzen. Im Vorjahr waren es noch 17,1 Prozent. Damit verschlechtert sich der Saldo aus gestiegenen und gesunkenen Umsätzen auf minus 44 Prozent. Zum Vergleich: In den alten Bundesländern können 13,9 Prozent (Vorjahr: 19,8 Prozent) von gestiegenen und 46 Prozent (Vorjahr: 43 Prozent) von gesunkenen Umsätzen berichten.

In Gesamtdeutschland ist der Umsatz lediglich bei 13,1 Prozent der Befragten innerhalb eines Jahres gestiegen (Frühjahr 2002: 19,5 Prozent). Gut 47 Prozent (46,7 Prozent) beklagen sinkende Umsätze; das entspricht ungefähr dem Vorjahreswert (Frühjahr 2002: 45,2 Prozent).

Angesichts des erhofften, aber nicht eingesetzten Wirtschaftsaufschwungs sind die Umsatzerwartungen im Vergleich zum Vorjahr dramatisch eingebrochen. Rechneten 2002 noch 33,3 Prozent mit steigenden Umsätzen, sind es aktuell nur noch 16,3 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die sinkende Umsätze erwarten, ist von 26,4 Prozent im Vorjahr auf 33 Prozent gestiegen. Gleichzeitig erwartet immerhin gut die Hälfte (50,1 Prozent) eine stabile Umsatzentwicklung in den nächsten sechs Monaten (Frühjahr 2002: 39 Prozent).

Weniger Impulse aus dem Mittelstand

Entsprechend der unbefriedigenden Umsatzentwicklung hat sich auch die Beschäftigungssituation im Mittelstand verschlechtert. Nur noch 12,4 Prozent sind bereit, neue Arbeitskräfte einzustellen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Abnahme um 3,2 Prozentpunkte. Ihren Personalbestand unverändert lassen wollen 53,5 Prozent der Befragten (Vorjahr: 52,5 Prozent). Der Anteil der Unternehmen, die Arbeitskräfte entlassen müssen, liegt mittlerweile bei 33,6 Prozent (Frühjahr 2002: 31,1 Prozent).

Innerhalb des kommenden Halbjahres planen sogar noch weniger Betriebe, ihren Personalbestand aufzustocken. So glauben nur noch 10,6 Prozent, dass sie künftig neue Arbeitskräfte einstellen können. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Abnahme um 5,1 Prozentpunkte. Und auch der Anteil der Unternehmen, die Personal voraussichtlich entlassen werden, ist von 19,8 Prozent in 2002 auf derzeit 25,1 Prozent gestiegen. Einen unveränderten Personalbestand vermuten 62,7 Prozent der Befragten (Vorjahr: 63,9 Prozent).

Unternehmer scheuen Investitionen

Deutschlands Mittelständler sind verunsichert. Die schwache Binnenkonjunktur und die unsicheren konjunkturellen Aussichten sorgten für eine geringere Investitionsbereitschaft. Nur noch 32,2 Prozent der Befragten sind im kommenden halben Jahr zu Investitionen bereit (Frühjahr 2002: 38 Prozent). Keine Investitionen tätigen möchten 67,3 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Anstieg von 6 Prozentpunkten.

Auch die Art der Investitionen lässt noch nicht auf eine Trendwende zum Besseren schließen. Gerade die Erweiterungsinvestitionen, die in Aufschwungphasen gerne getätigt werden, sind deutlich gesunken. Dafür geben mehr Unternehmen ihr Geld für Ersatzinvestitionen aus.

Liquiditätslage im Mittelstand bleibt schwach

Nicht nur bei Umsätzen und Investitionen, auch für die künftige Ertragslage sehen Deutschlands Mittelständler pessimistisch in die Zukunft. Lediglich 13,5 Prozent der Befragten hoffen auf steigende Erträge; verglichen mit dem Vorjahr entspricht das einem Rückgang um 13,8 Prozentpunkte. Gleichzeitig stieg die Zahl der Unternehmen, die sinkende Erträge erwarten, um 4,7 Prozentpunkte auf 40,2 Prozent. Immerhin rechnet knapp die Hälfte mit einer stabilen Ertragsentwicklung.

Entsprechend der immer dünner werdenden Ertragsdecke entwickelte sich die Eigenkapitalausstattung der befragten Unternehmen. Betriebe, die über eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent verfügen, werden als stabil bezeichnet. In Deutschland haben lediglich 17,7 Prozent der Mittelständler eine solch stabile Eigenkapitaldecke. Mehr als ein Drittel (37,7 Prozent) hat eine Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zur Bilanzsumme von weniger als zehn Prozent und gilt somit als unterkapitalisiert. Um die Liquiditätssituation zu verbessern, achten Unternehmer zunehmend darauf, ihre Außenstände pünktlich einzutreiben. 66,1 Prozent verzeichnen pünktliche Zahlungseingänge, bei denen die Zahlung innerhalb von 30 Tagen erfolgt. Innerhalb eines Jahres entspricht das einer Zunahme um vier Prozentpunkte. Insbesondere die Kommunen und Gemeinden zahlen pünktlicher: Beglichen im vergangenen Jahr noch 58,5 Prozent ihre Rechnungen fristgerecht, sind es aktuell 63,8 Prozent.

Aus einer mangelnden Zahlungsmoral entstehen den Unternehmen häufig Forderungsverluste. Nur 8,6 Prozent der befragten Unternehmen hatten im vergangenen Jahr keine Forderungsverluste hinzunehmen. Hingegen stieg die Zahl der Mittelständler, die einen Forderungsverlust von mehr als einem Prozent im Verhältnis zum Umsatz hinnehmen mussten, leicht von 23,1 Prozent in 2002 auf aktuell 23,3 Prozent.

Angesichts der verschlechterten Umsatz- und Ertragssituation ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in 2002 auf 37.700 gestiegen. Im Vorjahr waren es noch 32.390; das entspricht einer Zunahme um 16,4 Prozent. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 82.400 Gesamtinsolvenzen, wobei der größte Insolvenzanstieg von Privatpersonen (44.700 Verbraucher und ehemals Selbstständige) kommt.

Um die Wettbewerbssituation der Unternehmen zu verbessern - und so Insolvenzen zu vermeiden -, sind Innovationen unerlässlich. Mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen (26,7 Prozent) entwickelte im vergangenen Jahr eine Neuerung. Spitzenreiter ist das verarbeitende Gewerbe (40,8 Prozent), weniger innovationsfreudig waren die Unternehmen aus dem Einzelhandel: Nur 11,1 Prozent entwickelten dort ein neues Produkt oder Verfahren.

Mehr Innovationen und weniger Ausbildungsplätze

Die Ausbildungssituation in Deutschland hat sich verschärft: Schätzungen gehen für 2003 von einer Lücke von 100.000 Lehrstellen aus. Im vergangenen Jahr hat ungefähr ein Drittel (32,8 Prozent) der von Creditreform befragten Betriebe einen Auszubildenden eingestellt. 47,8 Prozent der Betriebe nannten als Grund für die Nichteinstellung von Auszubildenden, dass sie schlichtweg über keinen freien Ausbildungsplatz verfügen würden. Bei 16,8 Prozent fallen die Personalkosten zu hoch aus.

www.creditreform.de

ComputerPartner-Meinung

Der Mittelstand wird von allen IT-Herstellern und dem Fachhandel derzeit als der interessanteste Absatzmarkt gehandelt. Wie aber die Auswertung der Creditreform-Umfrage zeigt, hat genau dieser Mittelstand so viele schwer wiegende Probleme zu bewältigen, dass nur sanfte, aber gleichzeitig nachhaltige Beratung und echter Mehrwert - etwa bei attraktiven Ersatzkäufen - die Unternehmen für Investitionen in IT offen macht. (go)

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