"WLAN hat zwei Jahre Vorsprung vor Bluetooth"

01.11.2001

Die Voraussagen der Auguren zum Thema Bluetooth waren in den vergangenen Jahren sehr positiv. Zuletzt gab es von einigen Firmen jedoch negative Äußerungen. Wie stellt sich die derzeitige Lage von Bluetooth dar?

Kellerhoff: Als Marktforscher sehen wir von Micrologic Research die Zukunft von Bluetooth nicht so negativ, wie es die Schlagzeilen zum Teil darstellen. Es handelt sich um eine natürliche Evolution, das heißt es dauert einige Jahre, bevor ein Standard die verschiedenen Revisionen durchläuft. Der Markt will etwas schneller haben, als man mit den Standards und den technischen Aspekten, die zu erfüllen sind, nachkommen kann. Aufgrund des seit langem andauernden Marketingwirbels um Bluetooth ist es jetzt an der Zeit, dass die ersten Geräte auch in den Läden auftauchen, sonst verliert Bluetooth in den Augen der Anwender und Konsumenten an Glaubwürdigkeit.

Steinecker-Nehls: Wir von Compaq denken, dass ein großes Imageproblem durch die extrem hohe Erwartungshaltung zu Bluetooth verursacht wurde. Mich erinnert dies an die USB-Debatte vor einigen Jahren, als man auch sehr früh von einem Standard gesprochen hat, der das PC-Business beeinflussen wird. Aufgrund technischer Schwierigkeiten wurde diese Technologie aber lange Zeit nicht in die PC-Systeme integriert. Wir sind jetzt gerade in einer Umbruchphase und werden bis Ende des Jahres sicher sehr viele Produkte mit Bluetooth-Unterstützung sehen.

Warum hat sich Psion von Bluetooth verabschiedet?

Krutzke: Bei Psion haben wir uns nicht nur von der Bluetooth-Schiene verabschiedet, sondern langfristig auch allgemein von den Consumer-Produkten. Wir müssen schauen, dass wir mit unseren Produkten Geld verdienen. Wir können es uns nicht erlauben, lediglich ein Vorreiter in einer bestimmten Technologie zu sein. Vielleicht sieht es in einem Jahr ganz anders aus.

Löhnert: Wir von Ericsson Consulting sind überzeugt, dass mit dem Bluetooth-Standard 2.0, der in Kürze erscheint, eine ganze Reihe weiterer attraktiver Profile auf den Markt kommen wird.

Und wie sieht bei der IME GmbH die Zukunft von Blue-tooth aus?

Hilbert: Wie schon so oft bei Produkteinführungen hat man hier schnell geschossen und eine unheimliche Erwartungshaltung bei den End-Usern generiert. Als Bluetooth zum gegebenen Zeitpunkt nicht vorhanden war, sind die Leute sehr zurückhaltend geworden. Bluetooth wird aber sehr stark gefragt sein, sobald die ersten Geräte im Consumer-Markt angeboten werden. Was momentan vorliegt, ist doch sehr beschränkt.

RFI bietet schon seit längerem Bluetooth-Module an, zum Beispiel für Drucker. Wie verkaufen sich diese Module?

Daguhn: Wir haben bis zum heutigen Tag etwa 30.000 Produkte in den Markt geliefert und Aufträge für weitere 15.000 Stück vorliegen. Es ist aber bezeichnend, wie sich die Marktvorhersagen entwickelt haben. Wir hatten eine bestimmte Zeit, da wurde dem Bluetooth-Markt das rasanteste Wachstum überhaupt vorausgesagt. Hatte das vielleicht auch damit zu tun, dass die Finanzmärkte und Analysten solche Felder gebraucht haben? Wo hat es das denn schon gegeben, dass man einer neu eingeführten Technologie in den ersten Jahren Hunderte von Millionen Dollar Umsatz prophezeit hat? Das war eine unrealistische Einschätzung. Heute muss man das anders betrachten und sagen: Bluetooth ist eine tolle Technologie und muss sich wie alle Technologien erst langsam durchsetzen.

Wer soll die Kosten für die Bluetooth-Chips tragen? Der Endanwender oder der Hersteller?

Steinecker-Nehls: Bei Infrarotschnittstellen zum Beispiel kam man nicht auf die Idee, die zusätzlichen Gebühren auf etwas anderes umzulegen als das Produkt selbst. Bei Herstellungskosten von fünf Dollar pro Bluetooth-Chip kann man dem Endkunden zehn bis 15 Dollar zusätzlich zumuten. Wenn die Massenproduktion einsetzt, werden wir einen ähnlichen Effekt haben wie beispielsweise bei den Speicherchips oder Prozessoren. Die Kosten für einen Bluetooth-Chip werden dann, im Vergleich zum Produkt selbst, verschwindend gering sein.

Kellerhoff: Wenn man sich die Kosten der Gesamtelektronik für Bluetooth querbeet über alle potenziellen Zukunftsanwendungen ansieht, kommen wir in diesem Jahr auf durchschnittlich 25 Dollar pro Lösung, davon etwa zehn Dollar der Chip. Bis 2005 wird sich dieser Preis mindestens halbieren. Wir glauben, dass der Endkunde diese Kosten tragen wird. Bluetooth-Lösungen wird es zunächst im Highend-Segment geben. Der Endanwender erwartet, dass eine breite Palette an Bluetooth-Produkten verfügbar ist. Ist das der Fall, dann schaukelt sich der Markt von selbst hoch.

Löhnert: Das Fünf-Dollar-Ziel für den Bluetooth-Chip hat höchste Priorität für alle Hersteller. Die Kunden sind nicht bereit, für Bluetooth-Connectivity viel mehr zu bezahlen. Man wird erwarten, dass dies genau wie bei der Infrarotschnittstelle einfach im Gerät als Basisleistung enthalten ist. Der Preis unserer neuen Handys mit Bluetooth liegt kaum höher als bei vergleichbaren Geräten von vor einem halben Jahr.

Kellerhoff: Das bedeutet, Ihre Margen sinken durch die Integration der Bluetooth-Technologie?

Löhnert: Nein. Ich rede hier über Highend-Geräte mit einem bestimmten Preisniveau, bei dem sich die Integration dieser Technik rechnet.

Wo sehen Sie zurzeit die Möglichkeit, Bluetooth zu integrieren?

Daguhn: Bluetooth ist nicht gleich Bluetooth. Zurzeit gibt es noch viele Inkompatibilitäten. Deshalb sollte man sich auf Close-Shop-Projekte beschränken, in denen nur Komponenten verwendet werden, von denen man weiß, dass sie miteinander arbeiten. Es ist wichtig, Bluetooth-Produkte aus dem Retail rauszulassen, weil wir sonst viele Enttäuschungen erleben werden. Das Schöne an Bluetooth ist, dass man so viel damit machen kann. Das impliziert umgekehrt, dass man auch furchtbar viel falsch machen kann. Deswegen unser dringender Appell, mit dem Retail-Kunden noch zu warten.

Krutzke: Aber die Technik wird nur dann günstig, wenn wir Stückzahlen produzieren, und das geht nur über den Retail-Kanal.

Steinecker-Nehls: Es gibt auch Prognosen, nach denen der Consumer-Anteil bei Bluetooth-Geräten erst in den Jahren 2004 bis 2006 steigen und dann bei etwa 66 Prozent liegen wird. Man wird sich zunächst auf Mobilfunk-Devices konzentrieren. Handys von Ericsson oder Nokia zusammen mit einem Bluetooth-Headset sind eine vernünftige und für den Kunden nützliche Lösung, um eine Basis zu schaffen.

Daguhn: Aber stellen Sie sich das vor: Das Bluetooth-Connectivity-Kit von Nokia funktioniert nicht mit einem Headset, weil es kein Headset-Profil hat. Das ist eine Katastrophe. Wenn ich mir das Kit gekauft habe, wie soll ich - ohne Spezialist zu sein - herausfinden, dass es kein Headset-Profil unterstützt?

Krutzke: Die Hersteller sind in den Markt gegangen und haben versprochen, dass sich viele verschiedene Geräte miteinander problemlos verbinden lassen. Aber genau das funktioniert nicht.

Daguhn: Deswegen müssen wir in Close-Shop-Projekten mit den Kunden genau besprechen, was sie wollen und was sie bekommen können. Dann können wir Zufriedenheit erzeugen. Die Bluetooth-Technologie braucht bestimmt noch 18 bis 24 Monate, bis die ganzen Produkte miteinander interoperabel sind.

Löhnert: Der Kunde muss von uns darüber informiert werden, dass nur bestimmte Profile miteinander "reden" können. Da besteht sicherlich Aufklärungsbedarf. Auch die Händler müssen die Kunden darauf hinweisen, dass sich die Leistungsmerkmale von Gerät zu Gerät unterscheiden können.

Das Bluetooth-Konsortium setzt also einen Standard, und dann macht doch jeder, was er will?

Daguhn: Nein, so ist das nicht. Es werden einfach viele Profile benötigt, und das Bluetooth-Konsortium hat erst relativ spät bemerkt, wie viel Arbeit an dieser Stelle zu leisten ist, um die unterschiedlichen Anwendungen abzudecken. Dies dauert eine bestimmte Zeit und ist der eigentliche "casus knaxus".

Welche Position nehmen Mobilfunkbetreiber gegenüber Bluetooth ein?

Löhnert: Für die Mobilfunkbetreiber ist Bluetooth eine zwiespältige Technik. Auf der einen Seite können sie ihren Kunden neue und sehr attraktive Dienste anbieten, zum Beispiel die Anbindung von PDAs und Laptops an UMTS-Endgeräte. Auf der anderen Seite könnten Bluetooth-Data-Access-Points in einem gewissen Umfang in Konkurrenz zu UMTS-Knoten stehen.

Ist Bluetooth nichts anderes als ein besseres Kabel?

Daguhn: Nein, absolut falsch. Wir können mit Bluetooth Anwendungsszenarien bauen, die viel mehr sind als Kabel. Was Sie beispielsweise nie mit einem Kabel machen könnten, wäre, von der Headset-Verbindung dieselbe Karte zu nutzen, um eine GSM-Verbindung zu haben und um eine ISDN-Verbindung im Home-Office und im Unternehmen eine LAN-Verbindung zu haben. Oder die unter Umständen die Profile im PC automatisch umstellt.

Löhnert: Oder Sie öffnen Ihr elektrisches Garagentor mit Ihrem Bluetooth-Handy.

Daguhn: Wir arbeiten mit einem großen Kofferhersteller daran, normale Reisekoffer mit Bluetooth-Technologie auszurüsten, so dass es Alarm schlägt, wenn der Koffer sich so und so weit von ihnen entfernt hat. Wenn er gestohlen wurde, kann ich über flächendeckende Access-Points herausfinden, wo er im Moment ist. Das sind natürlich Visionen, die aber alle in der Technologie stecken.

Kellerhoff: Ich finde, die ganz einfachen Anwendungen sind doch eigentlich die Interessantesten. In der Tat lässt Bluetooth enormen Spielraum für Kreativität bei nie zuvor gesehenen Anwendungen, doch sind diese aus unserer Sicht in einer zweiten Phase von Bedeutung. In der ersten Phase sind die unmittelbar greifbaren Anwendungen zu unterstützen. Also ohne Kabel auf dem PDA oder Notebook E-Mails abzuholen und im Internet zu surfen oder die schnurlose Sprachverbindung zwischen Headset und Handy zu unterstützen. Das sind doch hochvolumige, greifbare Anwendungen, die dem Bluetooth-Markt einen kräftigen Startimpuls geben können.

Aber wenn ich Sie richtig verstehe, sind Killerapplikationen eigentlich nicht in Sicht ...

Daguhn: Das ist genau der Punkt. Bei Bluetooth gibt es keine, man kann eben alles Mögliche damit machen. Dieser mehrfache Nut-zen und die sich daraus ergebenden, wirklich vergleichsweise niedrigen Investitionen sowie die einheitliche und einfache Benutzeroberfläche - das ist die Killerapplikation. Ich kann drucken, GSM- und ISDN-Dienste nutzen, ich habe Sicherheits- und Shoppinglösungen und Synchronisation. Dafür habe ich früher zehn Produkte gebraucht, die haben zusammen das Fünffache von dem gekostet, was Bluetooth-Technologie kostet.

Hilbert: Ich sehe das auch so. Das Ganze wird von der Kreativität der Leute getrieben, die es für uns in den Markt bringen, also den Fachhändlern oder - wenn es denn klappen sollte mit dem Consumer-Bereich - auch den Leuten in den Märkten draußen.

Steinecker-Nehls: Wir haben Anfragen von Kunden, die nach IT-Lösungen suchen, deren Realisierung bislang nicht möglich war. Drahtlose Technologien eröffnen hier neue Möglichkeiten. Ein Beispiel ist der Bereich Healthcare. Hier rücken Lösungen in greifbare Nähe, die auf Bluetooth oder Wireless-LAN basieren, zum Beispiel die Bearbeitung von Patientenakten in Krankenhäusern. Der Nutzen dieser Technologie wird heute stark vom Kunden getrieben, anders als in der Vergangenheit, als neue Prozessortechnologien eingeführt wurden und dem Kunden künstlich ein Argument übergestülpt wurde.

Löhnert: Zum Thema Healthcare passen auch Messgeräte für Herzpatienten oder Diabetiker. Aufgrund des geringen Stromverbrauchs der Bluetooth-Chips lassen sie sich relativ lange betreiben. Dadurch wird der Wartungsaufwand für die Geräte minimal.

Daguhn: Wir haben Anfragen von Herstellern von Alarmanlagen. Sie sagen, dass es für sie günstiger sein könnte, Glasbruchmelder mit Bluetooth zu vernetzen. Auch wenn man dabei mit Kanonen auf Spatzen schießen würde.

Sieht Bluetooth im Vergleich zu Wireless-LAN nicht alt aus? Mit WLAN habe ich doch wesentlich mehr Möglichkeiten als mit Bluetooth.

Steinecker-Nehls: Es kommt darauf an, was der Kunde erreichen will. Wenn er Wert auf hohe Performance legt und einen Internetzugriff mit komplexen multimedialen Inhalten will, ist Wireless-LAN zu bevorzugen. Wenn aber geringer Stromverbrauch wichtig ist oder einfach nur Kabel ersetzt werden sollen oder ein Dateitransfer durchgeführt werden soll, reicht Bluetooth.

Daguhn: Die Frage ist doch: Was ist das bessere Werkzeug, ein Hammer oder ein Schraubenzieher?

Krutzke: Mit Bluetooth ist man wesentlich flexibler, man kann wesentlich mehr Anwendungen abdecken. Wireless-LAN nutzt man zur Datenübertragung, und das war#s dann. Aber es gibt zum Beispiel keine Sprachkanäle, das funktioniert zwar, aber das ist nicht praktikabel.

Löhnert: Bluetooth mit Wireless-LAN zu vergleichen ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Es steckt eine komplett andere Zielsetzung hinter den Produkten. Bluetooth ist technisch an einigen Stellen nicht so leistungsfähig wie WLAN, dafür ist es von der preislichen Gestaltung und dem entscheidenden Kriterium des Stromverbrauchs genau so entwickelt worden, dass es optimal in mobile Endgeräte wie Telefone und PDAs integriert werden kann.

Kellerhoff: Bluetooth ist als Personal Area Network, als PAN, für das private Umfeld mit zehn Metern Radius gedacht. Die Überlappungsflächen von PAN und LAN sind nicht sehr groß. Klar, Wireless-LAN (IEEE 802.11b) hat heute die Nase vorne, da es zwei Jahre Vorsprung hat. Dadurch geht Bluetooth der Teil des Marktes verloren, in dem Überlappungen bestehen, wie beim Datenaustausch zwischen einigen Teilnehmern in einem raumbegrenzten Netz. Der Stromverbrauch ist aus meiner Sicht das essentielle Unterscheidungsmerkmal. Bluetooth verbraucht ein Milliwatt und Wireless-LAN 30 Milliwatt. Der Faktor 30 sagt eben aus, dass Bluetooth bei kleinen, mobilen Geräten bevorzugt Einsatz findet, wo die von der Batterie bestimmte Betriebszeit eine kritische Rolle spielt.

Krutzke: Der Stromverbrauch hat natürlich auch etwas mit Anwendungsfällen zu tun. Mit zehn Milliwatt kommen Sie nicht besonders weit. Wireless-LAN wird da eingesetzt, wo über weite Flächen gefunkt werden soll. Wir haben große Wireless-LAN-Netzwerke zum Beispiel in Läger eingerichtet. Dort werden Handheld-Computer mit Wireless-LAN-Karten eingesetzt, und das funktioniert wunderbar über einen kompletten Tag. Ich glaube nicht, dass Bluetooth in solche Einsatzgebiete eindringen wird. Mit Wireless-LAN kann man zudem wesentlich höhere Datenübertragungsraten erzielen, und das braucht man, um effektiv arbeiten zu können.

Steinecker-Nehls: Es gibt aber noch eine wesentliche Unterscheidung: Bluetooth kann immer eine gewisse Datenbandbreite garantieren, sofern einmal eine Verbindung aufgebaut ist. Das kann Wireless-LAN nicht. Deshalb gibt es große Schwierigkeiten, beispielsweise Sprache über Wireless-LAN zu übermitteln. Mit Bluetooth ist das sehr gut möglich.

Krutzke: Das stimmt nicht ganz. Wireless-LAN kann auch einer Verbindung eine Priorität zuweisen. Aber dann sinkt die Datenübertragungsrate für alles andere.

Daguhn: Der Konflikt, der zwischen Wireless-LAN und Bluetooth zweifelsohne besteht, ist durch die amerikanischen Hersteller ausgelöst worden. Intel, 3Com oder Xircom haben die Investitionen in Bluetooth drastisch reduziert und die Entwicklungsabteilungen zu gemacht.

Kennen die Anwender und die Fachhändler eigentlich den Unterschied zwischen Bluetooth und Wireless-LAN?

Hilbert: Da besteht immer ein großer Erklärungsbedarf. Wir müssen den Leuten die grundlegenden Unterschiede aufzeigen. Die Fachhändler kommen und fragen uns nach Lösungen. Wir stehen beratend zur Seite und sagen, wofür Bluetooth und wofür Wireless-LAN geeignet ist.

Wie viele Bluetooth-Produkte befinden sich in Ihrem Sortiment?

Hilbert: Wir haben derzeit etwa zwei Hände voll an Bluetooth-Produkten. Die Taiwaner werden momentan wach, aber es gibt noch nicht genügend Produkte, um sich einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen.

Was zeichnet einen Händler aus, der sich für drahtlose Lösungen interessiert?

Hilbert: Das sind meistens ziemlich pfiffige Leute, die schon immer recht schnell mit neuen Technologien umgehen konnten und ihr Geschäft sehr beratungsintensiv aufgezogen haben. "Box-Pusher" können wir in diesem Business vergessen.

Steinecker-Nehls: Der Anspruch an die Fachhändler ändert sich, wenn es um Wireless-Lösungen geht. Ein Händler im Mobile-Office-Bereich hat plötzlich mit Telekommunikationsaspekten zu tun, mit GPRS oder GSM, mit Mobilfunkgeräten. Hier haben Hersteller und Distributoren eine Erklärungsaufgabe, da wird man sehr, sehr viel mit den Fachhändlern reden müssen.

Wie ist der Wissensstand der Fachhändler in Bezug auf Bluetooth oder Wireless-LAN?

Hilbert: Man kann anhand einzelner Erlebnisse nicht die ganze Masse über einen Kamm scheren. Wir haben uns schon 1994/95 mit dem Thema Wireless-LAN beschäftigt und versucht, die Händler zu schulen und weiterzubilden. Das war damals aber zum Scheitern verurteilt, weil die Breite der Anwendungen und das Interesse nicht vorhanden war.

Und wie sieht es heute aus?

Hilbert: Wir haben immer noch Fachhändler von damals, die jetzt, da wir den WLAN-Standard haben, bereit sind, im großen Umfang loszulegen.

Steinecker-Nehls: Es herrscht aber zum Teil große Unsicherheit im Fachhandel. Viele fragen, ob sie überhaupt noch WLAN-Lösungen nach dem Standard 802.11b verkaufen oder auf nächste Generationen wie Hiper-LAN 2 warten sollen.

Hilbert: In dieser Situation frage ich die Händler immer, wann sie Geld verdienen wollen: jetzt oder später?

Krutzke: Ich bezweifle, dass der Fachhandel vernünftig Wireless-LAN verkaufen kann. Da muss erst einmal die Umgebung ausgemessen werden, dann müssen Access-Points installiert und konfiguriert werden und so weiter. Wireless-LAN ist keine subtriviale Angelegenheit, die man wie ein Mobiltelefon verkauft.

Hilbert: Lassen Sie doch einfach den Fachhändler die Aufgabe übernehmen, den Kunden anzugehen. Die Leistungen, die Sie eben ansprachen, kann er sich über uns besorgen.

Kellerhoff: Heißt das, Sie würden abraten, im Soho-Bereich oder im Kleinunternehmen ein Netzwerk auf Funkbasis einzurichten, weil das so kompliziert ist? Wir von der Marktforschung sehen im Small- und Home-Office-Bereich und gerade nicht in Enterprise-LANs ein sehr lukratives Marktsegment für WLAN.

Krutzke: Das Potenzial ist da. Aber bedenken Sie, dass Sie die Datenübertragungsrate allein dadurch erhöhen, indem Sie einen Access-Point nach links oder nach rechts verschieben. Der Endnutzer weiß gar nicht, wie das richtig einzurichten ist.

Hilbert: Im Soho-Bereich ist aber keine so komplizierte Infrastruktur notwendig. Da steckt man das Ding dran, und es läuft.

Daguhn: Da stimme ich Ihnen zu. Wireless-LAN ist eine hochinteressante Applikation für zu Hause. Eine Wireless-LAN-Karte, die 600 bis 800 Mark kosten darf, stöpsle ich in mein Notebook, und dann laufe ich herum und kann arbeiten, wo ich will. Das gibt einen klaren Vorzug im privaten Lifestyle. Ich kann wieder mit meiner Frau zusammensitzen, wenn sie fernsieht, und meine Mails lesen.

Kommen wir zum Sicherheitsaspekt ...

Hilbert: Wenn man Wireless-LAN richtig konfiguriert, bestehen keine Bedenken. Wenn wir ehrlich sind, ist es genau so sicher oder unsicher, wenn es im vollen Umfang ausgenutzt wird, wie ein normales Netzwerk. Deswegen sollte dieses Geschäft von den kleinen und mittelständischen Fachhändlern betrieben werden.

Kellerhoff: Was ist für Sie der typische Fachhändler?

Hilbert: Der typische Händler für Wireless-Lösungen hat zwischen 5 und 50 Mitarbeiter.

Daguhn: Die Sicherheit wird permanent als Argument gegen Bluetooth ins Feld geführt. Dabei ist es mit das Sicherste, was man kriegen kann. Wir haben 78 Frequenzbänder, in denen wir 1.600 Mal pro Sekunde hin- und herspringen. Die Sprungsequenz wird zwischen den Geräten von Verbindung zu Verbindung individuell vereinbart, das heißt, um 78 Bänder in Ein-Sechzehnhundertstel-Schritten in einem Umkreis von zehn Metern abzufangen, müsste ich unglaublich viel Messtechnologie einsetzen. Und dann muss ich noch eine Technologie einsetzen, die in der Lage ist, einen 64- oder 128-Bit-Schlüssel zu entschlüsseln. Demgegenüber ist Wireless-LAN unsicher.

Krutzke: Eines der großen Probleme bei Wireless-LAN ist, dass viel getan werden muss, um es richtig und sicher einzurichten.

Löhnert: Hier sind die Hersteller und Anwendungsentwickler gefordert. Wo es sinnvoll und notwendig ist, sollte nicht viel durch den Endanwender konfiguriert werden müssen, sondern die entsprechenden, von Bluetooth bereitgestellten Sicherheits-Level sollten schon ab Werk eingeschaltet sein.

Daguhn: Das ist natürlich eine Frage der Performance. Bei einer Datenverbindung halbiert sich die Performance durch Einschalten der höchsten Sicherheitsstufe.

Steinecker-Nehls: Von der Verantwortung wird man nicht enthoben, wenn man ein Wireless-Netzwerk einführt. So sorgfältig, wie man mit seinen Passwörtern umgeht, muss man auch mit diesen Sicherheitsoptionen umgehen.

Kommen die Sicherheitsbedenken direkt von den Kunden, oder werden sie künstlich erzeugt?

Steinecker-Nehls: Es gibt offensichtlich grundlegende psychologische Bedenken dahingehend, dass, wenn Daten über Funk übertragen werden, dies grundsätzlich nicht sicher sei, weil jemand mithören könnte. Diejenigen, die an den Standards gearbeitet haben, haben ausreichend viel getan, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Unter anderem verwendet Bluetooth eine 128-Bit-Verschlüsselung mit einem sicheren Crypto-Algorithmus.

Wie ist das mit den gesundheitlichen Aspekten? Wenn dieses Gerät eine Massenverbreitung finden, dann erhöht sich der Störnebel ungemein.

Daguhn: Sie müssten immer noch 800 Wireless-Geräte zusammenpacken, um die Ausstrahlungsbelastung eines Handys zu egalisieren.

Kellerhoff: Die Gesundheitsgefährdung wird nicht nur durch die tatsächliche Leistung, sondern auch durch die Leistung pro Zeit und die Intensität, also die Nähe, bestimmt. Wenn Sie ein Mobiltelefon ans Ohr halten, dann sind das ganz andere Verhältnisse, als wenn Sie beispielsweise ein Bluetooth-Headset mit einer Milliwatt Leistung hätten. Es ist aber noch nichts nachgewiesen, da herrscht sicherlich Aufklärungsbedarf.

Daguhn: Die Gesundheitsbelastung wird auch durch die Frequenz bestimmt, und da ist das Frequenzsprungverfahren bei Bluetooth von Vorteil. Vielleicht habe ich das Pech, einmal eine Resonanzfrequenz zu treffen, aber dann springt das wieder ein bisschen weg und schaukelt sich dementsprechend nicht auf. Deshalb sagt die Weltgesundheitsorganisation, dass die Bluetooth-Technologie unkritisch ist. Aufgrund der jetzigen Grenzwerte wird auch Wireless-LAN als unkritisch eingeschätzt. Weil man aber die Langzeitfolgen nicht kennt, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, die Grenzwerte um den Faktor zehn nach unten zu setzen. Wenn das passieren sollte, dann würden Wireless-LAN-Produkte in den Bereich der kritischen Systeme hineinfallen.

Und was ist mit der zweiten Spezifikation, wenn Bluetooth auf zehn Milliwatt hochgesetzt wird?

Daguhn: Da verwechselt man wieder den Hammer mit dem Schraubenzieher. Wer Entfernung haben will, der soll nach einer anderen Technologie suchen. Deswegen sind wir dafür, bei Bluetooth die Ein-Milliwatt-Spezifikation, also die Null-Dezibel-Spezifikation, einzuhalten.

Was kosten die Bluetooth-Geräte momentan?

Steinecker-Nehls: Ein Bluetooth-Modul für die Compaq-Evo-Note-books liegt bei knapp 200 Dollar. Interessanterweise liegt das Wire-less-LAN-Produkt etwa in der gleichen Größenordnung. Wenn Sie die Frage in einem halben Jahr noch einmal stellen, sieht es völlig anders aus.

Daguhn: Das Gleiche gilt für uns. Wir liegen bei 449 Mark beziehungsweise 399 Mark für eine PCMCIA-Karte.

Hilbert: Ich habe gehört, dass sich die Preisrange kurzfristig in Richtung 300 Mark bewegen soll.

Wie sieht es mit der Ausfallquote bei Bluetooth- und Wireless-LAN-Modulen aus, wie oft kommen Geräte zurück?

Steinecker-Nehls: Auf der Cebit haben wir praktisch den gesamten Messestand mit Wireless-LAN und Bluetooth parallel betrieben. Diese Installation war stabil, ohne Ausfall.

Daguhn: Wir mussten einmal aufgrund von Produktionsproblemen alle Produkte von der Bausparkasse Schwäbisch Hall zurückholen. So etwas passiert am Anfang.

Zum Abschluss möchte ich wissen, wie Sie die drahtlose Kommunikation der Zukunft einschätzen. Was wird in den nächsten Jahren auf uns zu-kommen?

Steinecker-Nehls: Eines unserer wesentlichen Ziele bei Compaq ist es, die Nutzung solcher Technologien für den Kunden zu vereinfachen. Dass er wesentlich einfacher mit Produkten arbeiten kann, die ein Roaming zwischen verschie-denen Technologien ermöglichen. Wir sehen eine Integration von Bluetooth und Wireless-LAN in eine Komponente. Und wir denken darüber nach, die Telekommunikationsstandards mit einzubinden, also ein Roaming über verschiedene Infrastrukturen zu ermöglichen. Das wird allerdings erst in vier bis fünf Jahren der Fall sein.

Kellerhoff: Im Bereich des Funks wird in ähnlichem Maß das passieren, was wir im Festnetz hatten. 1999 wurden erstmalig mehr Daten über Festnetze geschickt als Sprache, und da geht auch beim Funk die Reise hin. Dabei beruht die Erfolgsformel im Kurzstreckenfunkbereich nicht ausschließlich auf Anwendungen, die breitbandig sind oder enorme Datenmengen bewältigen. Vielmehr sind einfache und überzeugende Anwendungen gefragt, die mehr Komfort bei alltäglichen, lästigen Routinen und Aufgaben bieten.

Daguhn: Die Entwicklungen sind zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwer abzuschätzen. Die Erwartung der Benutzer, Dinge sehr einfach und automatisch tun zu können, wird uns in Anwendungsgebiete bringen, die uns jetzt noch gar nicht klar sind. Das sind ganz neue User-Szenarien, neue Business-Modelle, neue Arten, Geschäfte zu machen. Während es Cisco bei den kabelgebundenen Kommunikationsinfrastrukturen verstanden hat, den gesamten Markt zu kontrollieren und zu beherrschen, wird es sicherlich so einen Anbieter auch für Wireless-Communication geben. Ich vermute, dass so jemand aus Europa kommt, vielleicht aus Skandinavien, da die Amerikaner diese neuen Technologien in ihrer Ganzheit im Moment nicht voll erfassen oder verstehen und bearbeiten wollen.

Krutzke: WLAN wird sich so entwickeln, dass man in nicht allzu ferner Zukunft beispielsweise Flugzeughallen oder Hotels mit Access-Points ausstatten wird, so dass man dann wirklich von einer schnurlosen Datenkommunikation sprechen kann. Man wird die Vorteile von Wireless-LAN nutzen, egal wo man sich aufhält. Man wird seine E-Mails abrufen, aber nicht über ein Mobiltelefon, sondern über ein Wireless-LAN, das im Notebook oder im PDA integriert ist. Deswegen wird Wireless-LAN ein großer Pferdefuß für die Einführung von UMTS sein.

Löhnert: Im Moment ist ein wichtiger Zeitpunkt für Bluetooth, denn anhand der nun in größeren Stückzahlen auf den Markt kommenden Geräten kann der Kunde in der Praxis feststellen, ob beziehungsweise dass die Interoperabilität zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller gewährleistet und ein günstiger Preis gegeben ist. Wenn das Vertrauen der Kunden in die Bluetooth-Technologie geschaffen ist, dann ist Bluetooth kaum aufzuhalten. Am Anfang werden wir sicherlich Anwendungen im Computer-Umfeld sehen, aber im nächsten Schritt wird Bluetooth im Haushalt, in der Industrie, in Messgeräten und in diversen anderen Bereichen eingesetzt.

Hilbert: Bluetooth sollte den Schritt in den Consumer-Markt wagen, während Wireless-LAN sich komplett anders entwickeln wird. Da hängt es von der Bandbreite ab: Je größer die Bandbreite, desto interessanter werden die Anwendungen. Vielleicht werden Sie eines Tages mit dem Auto in die Werkstatt fahren, und die Fahrzeugdaten werden übertragen, bevor Sie jemandem "Guten Tag" gesagt haben.

Und auf einer großen Tafel erscheint bereits der Preis für die Reparatur.

Roundtable

Die Teilnehmer

Walter Daguhn, Vorstand der RFI Mobile Technologies AG

Christoph Hilbert, Geschäftsführender Gesellschafter der IME GmbH

Niels Kellerhoff, Director of European Operations bei Micrologic Research

Alexander Krutzke, Produktmanager bei der Psion GmbH

Lutz Löhnert, Manager Mobile Application Development bei der Ericsson Consulting GmbH

Alfred Steinecker-Nehls, Business-Manager Wireless Computing bei der Compaq Computer GmbH

Die Gesprächsrunde moderierten Hans-Jürgen Humbert und Christian Töpfer von ComputerPartner.

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