Wo kommt bloß der Kl@mmer@ffe her?

15.11.2001
Zum Beitrag "Happy Birthday! Die E-Mail ist 30 Jahre alt geworden" in ComputerPartner 42/01, Seite 34, erreichte uns folgende Zuschrift:

Die in Ihrer netten Laudatio angeschnittene Frage "Wo kommt bloß der Kl@mmer@ffe her?" scheint (wie man auch aus anderen Veröffentlichungen schließen könnte) zu den "großen Rätseln der Menschheit" zu gehören :-). Hier möchte ich nun auch noch meinen Senf dazugeben: Die in Ihrem Artikel erwähnte Herkunft - als Ligatur aus "ad" - ist wohl eine der zutreffendsten Hypothesen (neben vielen abstrusen Theorien), sofern das @ denn wirklich so schon in mittelalterlichen Handschriften vorkommen sollte.

Meines Wissens erfuhr das possierliche Tierchen seine (Wieder-?) Geburt erst so richtig im Zeitalter der Offices mit Stehpult, Ärmelschonern und grüner Zelluloid-Sonnenblende in Old England (vielleicht schon zu Lebzeiten von Charles Dickens ...) - schlicht und einfach durch schwungvollen Federstrich eines schreibfaulen viktorianischen Buchhalters aus dem kleinen, aber bedeutungsschwangeren englischen Wörtchen "at".

Auch da würde es sich also um eine Ligatur handeln. Zudem sind die im Englisch-Wörterbuch zu "at" zahlreich angegebenen Bedeutungen identisch mit denen des lateinischen "ad", und so wurde es - mit dem Symbol @ abgekürzt - wie in der natürlichen Sprache zuerst in der Handels- und Bankenwelt und später auch in der Technik verwendet (und auch genauso ausgesprochen).

Schon im 19. Jh. kam das @ (das ja "offiziell" auch als "Commercial A" bezeichnet wird) gedruckt in englischen Kaufmannsfibeln vor (ich habe selbst eine solche von anno 1892) sowie in den USA auf den Tas-taturen der "Klapperkisten" von Remington, Underwood & Co. Da die ersten Computer als Ein-/Ausgabe-Geräte Fernschreiber beziehungsweise elektrische Schreibmaschinen mit dem inzwischen schon lange genormten Tastaturlayout benutzten, landete der Kl@mmer@ffe später auch auf "richtigen" Computertastaturen, und er wurde in den ASCII-Zeichensatz übernommen.

Und daraus nun meine Theorie, wie das @ zum markanten Bestandteil jeder E-Mail-Adresse geworden sein könnte: Letztere ist bekanntlich immer nach dem Schema <name>@<adresse> aufgebaut. Schlägt man dann im "Langenscheidt" oder "Webster#s" unter "at" nach, findet man dort als erste Bedeutung "(Ort) in, an, bei, auf". Ist ja eigentlich so allein schon selbsterklärend ...

Dazu kommt noch die gewichtige Tatsache, dass auch Programmierer meist schreibfaule Akronyme-Fans waren (und sind, nicht nur die amerikanischen ...). Das "@" war ihnen aus Katalogen und Preislisten bes-tens geläufig, es stach auf der Tastatur so schön hervor, auch die Drucker kannten es. Warum es also nicht auch in der EDV-Welt einführen und exzessiv anwenden - zuerst wohl in diversen Assemblern und Compilern als Symbol für indirekte Adressierung, von Mainframes bis zu Mikrocontrollern, und auch schon lange vor der Geburtsstunde der E-Mail. Was lag dann also näher, als eben gerade das @ auch da zu verwenden, wenn es logisch so gut passte, als Trennzeichen optisch so prima wirkte und (auf der US-Tastatur) so bequem einzugeben war ?

Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu den internationalen "Kosenamen" des lieben @: In Spanien hat das "EDV-@" den Namen der alten Maßeinheit "arroba" geerbt. In Israel nennt man es dagegen sehr treffend "shtrudl" - das ist der in das Jiddische übernommene gute alte Strudel - für alle Landsleute nördlich des Weißwurst-Äquators: ein österreichisches Wickelgebäck :-). Die Russen nennen das Tierchen "sobatchka" (Hündchen), andere slawische Völker etwas derber - übersetzt - (Hunde-) Häufchen ...

Werner Reckziegel

Relab Computersysteme/EDV-Beratung Dresden

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