Nach EMC-Übernahme

Worauf sich Kunden bei Dell einstellen sollten

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Die Ankündigung von Michael Dell, EMC für 67 Milliarden Dollar schlucken zu wollen, wirft Fragen auf. Wir erklären, wo die Überlappungen in den Produktpaletten liegen und wie sich Anwender verhalten sollten.

Für den Hightech-Sektor ist es ein Rekord: 67 Milliarden Dollar oder 33,15 Dollar je Anteil wollen Dell, sein Großinvestor Silver Lake, die Private-Equity-Firma MSD Capital und Temasek, eine staatlich geführte Beteiligungsgesellschaft aus Singapur, für 70 Prozent der EMC-Anteile zahlen. Silver Lake hatte Dell anfang 2013 beim Buyout und der Sanierung unterstützt. EMC ist nicht nur Marktführer im Storage-Business, das Unternehmen hat eine Reihe von Firmen im Portfolio, die heute die sogenannte EMC Federation ausmachen.

Allein der Virtualisierungsspezialist VMware, an dem EMC 81 Prozent der Anteile hält, wird an der Börse mit knapp 30 Milliarden Dollar Marktwert gehandelt (siehe auch: EMC erwägt auch Übernahme durch Tochter VMware). Wie eng die Finanzierung kalkuliert ist, zeigt die Tatsache, dass die EMC-Aktionäre nicht die vollen 33,15 Dollar je Aktie bekommen sollen, sondern nur 24,05 Dollar plus einen bestimmten Anteil an VMware-Aktien. Medienberichten zufolge werden Dell und Silver Lake rund 40 Milliarden Dollar von Banken brauchen, um die Transaktion zu schultern.

CEO soll Michael Dell werden, während der inzwischen 68jährige EMC-Chef Joe Tucci sich in den angestrebten Ruhestand zurückziehen kann. Ihn hatte zuletzt das Investment-Haus Elliott Management unter der Führung der in den USA berüchtigten „Heuschrecke“ Paul Singer zugesetzt. Tucci sollte seine Federation zerschlagen und VMware verselbständigen, so Singers Ansinnen. Die Summe der Einzelteile im EMC-Verbund sei an der Börse mehr wert als das Ganze.

Dell wird Top-Player im Data-Center-Markt

Forrester Research hat sich in den vergangenen Tagen mit den Chancen und Risiken eines Zusammengehens von Dell und EMC beschäftigt. Die Analysten glauben, es entstehe ein „RZ-Infrastruktur-Titan“, bei dem Dell seine x86-Server, EMC seine Stärke im Storage-Segment und VMware sein Virtualisierungs- und Software-Defined-Networking (SDN-)Portfolio einbringe. Dieser „Legacy-Markt“, der weniger die Cloud-Provider als Privatunternehmen adressiere, bleibe von Bedeutung. Dell konkurriere hier vor allem mit Cisco, HP, Huawei und Lenovo. Sorgen machen sich die Analysten eher um Dells Position im Public-Cloud-Markt. Zwar gebe es mit VMwares „vCloud Air“ und EMCs Zukauf „Virtustream“ ein Angebot, aber Dell habe noch nicht erklärt, ob und wie diese Welten integriert werden können. Deshalb werde Dell wohl eher einen geringen Einfluss auf den Zukunftsmarkt Public Cloud haben.

Redundanzen im IAM-Angebot

Beide Parteien bringen große IT-Security-Assets in die Partnerschaft ein, geben sich aber eine Blöße im Segment der Cloud-Sicherheit. Dell hatte mit Quest Software und SecureWorks zwei einschlägige Anbieter zugekauft, EMC sich mit RSA verstärkt. Größere Überlappungen gibt es vor allem im Bereich Identity und Access Management (IAM). Ansonsten passen die Portfolien gut zusammen, meint Forrester.

Michael Dell, Gründer und seit zwei Jahren wieder Alleininhaber der Dell Inc.
Michael Dell, Gründer und seit zwei Jahren wieder Alleininhaber der Dell Inc.
Foto: Dell

Beide Unternehmen seien allerdings in der Vergangenheit dadurch aufgefallen, ihre Assets via „Cloud Washing“ aufwerten zu wollen. In Wirklichkeit hätten sie keine nativen Public-Cloud-Sicherheitslösungen zu bieten. Tatsächlich komme das beste Cloud-Sicherheitsangebot im künftigen Konzernverbund von VMware: Die SDN-Technologie „NSX“ implementiere die von Forrester im Security-Modell „Zero Trust“ definierten Vorgaben in Sachen Verschlüsselung und Segmentierung am besten. Ob und wie Dell diese Assets auch für Public-Cloud-Umgebungen bereitstellen werde, sei allerdings unklar.

Dell wird abspalten und eingliedern

Eine der wichtigsten Fragen wird sein, ob EMC seinen Federation-Ansatz unter Michael Dells Führung aufgeben wird. Forrester sagt, EMCs Bündelung verschiedener Unternehmen unter einem Dach sei gescheitert, sie habe Kunden und Investoren irritiert. Vor allem die Cloud-Kunden beanspruchten eine tiefere Integration des Produktangebots, um Entwickler und Endkunden schnell bedienen zu können. Die Analysten glauben, Dell werde sich jedes Unternehmen im Verbund genau ansehen und es entweder integrieren oder im Rahmen eines Spin-offs verselbständigen - und das schon relativ bald.

Ende für VCE?

Keine Chance gibt Forrester dem auf Converged Infrastructure (CI) konzentrierten Joint venture VCE. EMC hatte es im Jahr 2009 gemeinsam mit Cisco und VMware gegründet. Cisco brachte seine Server-Netzwerk-Plattform „Unified Computing System“ ein, EMC seine Speicher- und VMware seine Virtualisierungstechnik, um unter dem Namen „vBlock“ konvergente Systeme zu vermarkten. In der Spitze war der Ansatz sehr erfolgreich, zeitweilig sei ein Umsatzvolumen von einer Milliarde Dollar jährlich erreicht worden (siehe auch: VCE, HP, Hitachi und Cisco dominieren den CI-Markt).

Forrester hält die Lösung denn auch für gelungen, sie mache Anwendern das Data Center Management deutlich leichter. Allerdings sei der Preis zu hoch. Außerdem waren sich EMC und Cisco im Storage- und im Networking-Geschäft durch Übernahmen gegenseitig in die Quere gekommen. So hatte VMware zum Leidwesen von Cisco den SDN-Spezialisten Nicira geschluckt, auf den es auch Cisco abgesehen hatte. Die Interessenskonflikte führten schließlich zum Bruch in der VCE-Allianz und zu einem weitgehenden Ausstieg von Cisco. Forrester erwartet nun, dass Dell das VCE-Abenteuer schnell beenden wird, zumal Dell selbst CI-Lösungen anbietet.

Probleme in der Cloud

Theoretisch wäre Dell zusammen mit EMC und VMware auch in der Cloud gut aufgestellt. Allerdings liegt der Fokus von Dell und EMC eher auf konvergenten Lösungen für den Private-Cloud-Sektor. Hier ist auch EMCs Übernahme Virtustream als Hosted-Private-Cloud-Anbieter recht gut positioniert. Im Hyperscale-Public-Cloud-Bereich hat der Unternehmensverbund indes nur die VMware-Lösung „vCloud Air“ zu bieten, die derzeit eher in der zweiten Reihe spielt.

Um Marktgrößen wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft, Google oder IBM anzugreifen, dürfte dieses Angebot kaum ausreichen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass diese im Cloud-Business rasant wachsenden Player ihr Data-Center-Equipment bei Dell/EMC kaufen werden. Diese Anbieter designen ihre Server selbst und lassen sie dann von verschiedenen Auftragsfertigern in Taiwan und China bauen – ein Vorgehen, das übrigens bei Anbietern wie Dell oder HP auch nicht anders aussieht.

Was wird aus VMware?

Die Marktkapitalisierung von VMware liegt bei knapp 30 Milliarden Dollar. Dell finanziert die Übernahme von EMC zum Teil damit, VMware-Anteile zu verkaufen, um so die Schuldenlast ein wenig einzuschränken. VMware ist aber laut Forrester die „Wachstumsmaschine“ im EMC-Konglomerat. Ohne VMware müsste sich Dell weitgehend aus dem Cloud-Business verabschieden und sich auf den Verkauf von Premium-Hardware konzentrieren. In einem zunehmend standardisierten und schrumpfenden Markt für Enterprise-Equipment wäre das eine gewagte Strategie. Deshalb ist zu erwarten, dass Dell zumindest die Kontrollmehrheit an VMware halten wird.

Was sollten Kunden jetzt tun?

  • Wer auch in Zukunft VMware-Lösungen einsetzen will, sollte sich laut Forrester gedanklich darauf vorbereiten, zunehmend auch mit Dell-Produkten zu tun zu bekommen. Behält Dell die Kontrolle über VMware, dürfte das zu Konflikten mit VMware-Partnern wie Cisco, IBM oder HP führen. Forrester fürchtet, dass VMware nicht „agnostisch“ bleiben kann und binnen zwei Jahren weitestgehend von Dell assimiliert wird.

  • Wer konvergente Private-Cloud-Infrastruktur benötigt, sollte Dell auf die Shortlist setzen. Das Unternehmen wird zusammen mit VMware verstärkt auf solche Produkte setzen.

  • Mit Migrationsszenarien sollte sich beschäftigen, wer massiv in IAM-Produkte wie „Dell Cloud Access Manager (DCAM)“, „Dell Defender“, „RSA Via Access“ oder „RSA Federated Identity Manager“ investiert hat. So glaubt Forrester, dass DCAM den RSA Federated Identity Manager mittelfristig ersetzen wird. Binnen 18 bis 24 Monaten werde Dell sein Security-Equipment voraussichtlich neu geordnet haben. Die Komplexität von IAM und das damit verbundene Ökosystem an Kunden, Lieferanten und Partnern verlange aber, dass sich Kunden schon jetzt mit der Problematik vertraut machten.

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