Workflow unter 1.000 Mark

29.07.1999

DRESDEN: Wenn im Leben alles nur geradeaus ginge, hätte Peter Eichhorst, der SPI- und Enfin-Gründer, gar keinen Spaß mehr daran. Deshalb verwundert es nicht, daß sich der gebürtige Sachse nach der gescheiterten Zusammenarbeit mit Computer 2000 nun umdreht und mit Elan sein eigenes Vertriebsnetz aufbaut.Der Workflow-Markt steht für teure, schwierig zu erlernende Produkte. Diesem Vorurteil wollte Eichhorst mit seiner Softwarefirma Paravisio und dem selbst entwickelten Produkt Smartflow ein Ende setzen. Das Produkt sollte für fünf Clients unter 1.000 Mark kosten und leicht zu erlernen sein. Als das Workflowtool im letzten Jahr an den Start ging, setzte er bewußt auf einen Broadliner als Distributor und Microsoft als strategischen Partner. Die Zielgruppe, kleinere und mittlere Unternehmen, wollte Eichhorst durch einen von Computer 2000 geschulten Kreis von Fachhändlern erreichen. Im ersten Jahr sollte Paravisio auf diesem Weg bereits sechs Millionen Mark Umsatz erzielen.

Die Rechnung ging nicht auf. Nur einige 100 Boxen wurden verkauft, trotz Roadshow-Präsentationen durch Microsoft. Eichhorst sieht die Bruchlandung gelassen: "Aus Fehlern kann man lernen. Wenn man einen gemacht hat, dann muß man sich umdrehen und es anders machen."

Der Vertrag mit dem Broadliner wurde auf Eis gelegt und Paravisio

begann im Januar dieses Jahres, auf eigene Faust ein Netz von Fachhandelspartnern aufzubauen. Bereits nach der ersten Roadshow mit Smartflow zeigten 130 Händler Interesse an dem Workflowtool. Inzwischen sind 125 von ihnen geschult - 50 davon verkaufen aktiv ihre Lösungen auf der Basis von Smartflow. Ein Partner aus der Nähe von Mannheim meint dazu: "Das Produkt ist so billig, daß es im Grunde jeder kaufen kann. Aber auf der anderen Seite ist Smartflow sehr vielschichtig und komplex, also auch beratungsintensiv. Man braucht Gehirnschmalz um es zu verkaufen."

Ttelefonservice geht über das übliche hinaus

Für die Betreuung der frischgebackenen Paravisio-Partner wurde unter anderem ein Telefon-Hotline eingerichtet, die bei Problemen mit Smartflow helfen soll. "Manchmal geht der Telefonservice fast zu weit", meint Eichhorst, "soweit nämlich, daß wir unseren Partnern beim Entwickeln ihrer Lösungen helfen und nicht nur bei Problemen mit Smartflow." Doch das ist es ihm wert. Denn, daß Smartflow kein Regalprodukt ist, hat ihn seine Erfahrung mit Computer 2000 gelehrt.

Neben Smartflow sollen aber noch zwei neue Produktlinien an den Kunden gebracht werden. Die eine - Smartbusiness genannt - ist gerade eben auf den Markt gekommen. Unter Smartbusiness fallen Workflow-Frontends, die sich nahtlos in bestehende Warenwirtschaftslösungen einfügen - zum Beispiel in die Produkte von KHK oder Lexware. Die zweite - Supply-Chain-Management - ist erst in der Pipeline. Das Ziel: Die Optimierung von Zulieferungsketten, flexible Verbesserung der Geschäftsvorgänge im Unternehmen.

Bezahlung pro Aktion

Außerdem sollen die Produkte der Paravisio AG auf drei Vertriebswegen an die Endkunden gelangen. Zum einen über das ganz normale Lizenzgeschäft, zum anderen über die sogenannte "unlimited License". Damit kauft der Partner zu einem bestimmten Preis das Recht, zwölf Monate lang so viele Lizenzen zu verkaufen, wie er will und kann.

Der dritte Weg ist noch Zukunftsmusik, aber er spukt schon schwer in den Köpfen der Paravisio-Visionäre herum. Eichhorst und Konsorten planen einen aktionsabhängigen Vertrieb. Dabei zahlt der Endkunde nur für die Aktionen, die er wirklich der Software abverlangt, zum Beispiel für jede Buchungen. Eine Uhr in der Software zählt herunter und warnt rechtzeitig, wenn der "Aktionsvorrat" fast verbraucht ist. Die Partner stehen diese Vision allerdings ein wenig skeptisch gegenüber. "Diese Idee ist absurd", winkt einer ab, "das nehmen die Kunden niemals an. Viel sinnvoller wären unternehmens- oder

bereichsweite Lizenzen."

Zukunftsplanung diesmal etwas moderater

Auch wenn sein Kopf vor Ideen sprüht, für die Zukunft plant Eichhorst diesmal ein wenig vorsichtiger. Für dieses Jahr will er noch eine Million Mark Umsatz erwirtschaften, im nächsten Jahr sollen es aber doch mutige 13 Millionen Mark sein und im Jahr 2002 soll Paravisio 85 Millionen umsetzen.

Doch bis es soweit ist muß erst einmal investiert werden. Das nötige Kapital wird aus dem gerade vollzogenen Börsengang stammen. Über Webstock schüttet Paravisio Stammaktien im Wert von rund fünf Millionen Mark aus. Auch für hochkarätige Marktkenntnis hat Eichhorst gesorgt. Karl-Heinz Killeit, ehemals Free-License-Verfechter bei KHK, hat sich mit fünf Prozent bei Paravisio eingekauft und wird der AG als "aktiv beratender Aufsichtsrat" zur Verfügung stehen.

Ob sich die neue Ausrichtung auszahlt bleibt abzuwarten. Die Partner jedenfalls zeigen sich noch etwas verhalten, obwohl der Verkauf von Smartflow-Lösungen "nicht schlecht anläuft". Aber: "Eichhorst schätzt die Marktdurchdringung von Workflow zu hoch ein. Das grundsätzliche Konzept ist interessant und die Umsätze werden schon eintreffen - halt ein paar Jahre später", meint ein Partner aus München. (gn)

Peter Eichhorst läßt sich vom schwierigen Start der Paravisio AG nicht ins Bockshorn jagen.

Karl-Heinz Killeit kann es nicht lassen - er hat sich mit fünf Prozent an Paravisio beteiligt.

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