XP-Update bei Harley-Davidson

15.07.2004
Trotz des immer weiter steigenden Softwareumfangs bei neueren Windows-Betriebssystemen bleibt die Migration auf höhere Versionen diffizil. Dienstleister können hier mit ihrem Know-how Punkte sammeln. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

Bisher wurden bei der Harley-Davidson Deutschland GmbH alle Softwareprodukte manuell auf den PC-Arbeitsplätzen installiert. Es dauerte vier bis acht Stunden, um einen PC neu aufzusetzen. Software von einem zentralen Server auf alle Clients zu verteilen war nicht möglich. Aufgrund der unterschiedlichen PC-Typen bei dem Motorradgroßhändler musste darüber hinaus fast jeder der etwa 50 Clients individuell konfiguriert werden. Allein die Suche nach den richtigen Treibern und der modellabhängigen Software nahm unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch.

Dieser Zustand war natürlich so nicht länger hinnehmbar und so fragte Ronald Seipel, IT-Verantwortlicher bei Harley-Davidson Deutschland, bei dem nur etwa 100 Meter entfernten IT-Dienstleister Syscon, ob die geplante firmenweite Einführung von Windows XP nicht doch einfacher vonstatten gehen könnte. Man kannte sich schließlich schon länger: Die geschäftliche Beziehung bestand bereits seit zehn Jahren.

Dienstleister hilft mit eigener Inventarisierungslösung aus

Daraufhin hat Syscon seinem treuen Kunden die eigene UBI-Lösung ("Unbeaufsichtigte Installation") präsentiert. Dieses Client-Management-System hilft nicht nur, die Windows-Betriebssysteme NT 4.0, 2000, 2003 oder XP auf mehreren Rechner gleichzeitig zu installierten, sondern vermag dies auch mit den gängigen Linux-Distributionen (Suse, Red Hat, Mandrake und Debian) zu tun. Außerdem lassen sich damit auch weitere Softwarepakete verteilen und die einzelnen Arbeitsplatz-PCs benutzerindividuell konfigurieren.

"Nachdem Harley-Davidson alle Features von UBI in der Live-Umgebung vorgeführt bekommen hatte, war man von der Lösung vollkommen überzeugt", erinnert sich Syscon-Geschäftsführer Giuseppe Mangiaracina an das erste Treffen. An weiteren Alternativen zeigte sich der Kunde nicht mehr interessiert, sodass Syscon sofort Workshops abhalten konnte, auf denen zwei Mitarbeiter des DV-Dienstleisters gemeinsam mit dem Kunden an die Planung des eigentlichen Projektes herangingen. Dabei wurde ein exakter Terminplan aufgestellt, die Meilensteine definiert, eine Projektrisiko-Analyse durchgeführt und die zu installierenden Softwaremodule zu einem Paket geschnürt.

In der allerersten Phase des Projektes ging es erstmals darum, ob man es überhaupt durchführt, und wenn ja, dann wie. Harley Davidson entschied nach internen Tests und dabei aufgetretenen Problemen, dass sicherheitshalber neben Windows XP noch ein zweites Betriebssystem, nämlich Windows 2000, als Migrations-Plattform zur Verfügung gestellt werden sollte. So bestand die Möglichkeit, dass im Worst-Case ein Rollout mit Windows 2000 anstatt mit Windows XP durchgeführt werden könnte. Aufgrund dieser Überlegung hat Syscon alle Tests und Entwicklungen parallel auf beiden Plattformen durchgeführt. Alle aufgetretenen Probleme konnten beseitigt werden, sodass einem erfolgreichen XP-Rollout nichts mehr im Wege stand.

Bevor es dann aber endgültig losging, erstellte der Dienstleister erstmal gemeinsam mit dem Kunden das Pflichtenheft. Darin wurde das Projekt "XP-Migration" durch sechs Meilensteine strukturiert. So sollten nach dem Kickoff-Meeting zuerst die Benennungskonventionen für die benötigten Dateinamen, User-Bezeichnungen, Shares, Server, Gruppen und die lokalen Workstations sowie die Rechte für die einzelnen Gruppen festgelegt werden. Im dritten Schritt sollte Syscon eine Boot-CD für die Grundinstallation von Windows XP erstellen.

Erfassung der Client-PCs unbedingte Voraussetzung

Als Nächstes stand die Konfiguration einer Windows-XP-Professional-Referenzmaschine inklusive der Standardsoftware-Komponenten an. Dies sollte per Boot-CD passieren, anschließend verpflichtete sich Syscon, einen vollständigen Funktionstest aller Applikationen durchzuführen. Vor dem endgültigen Abschluss des Projektes müssten eventuell noch zusätzliche Softwarepakete nachinstalliert und die Recovery-Funktionen ausführlich getestet werden.

Derart gründlich vorbereitet ging der Dienstleister kurz vor dem Jahreswechsel 2003/2004 an die Arbeit. In der ersten Projektphase wurde die Hardware des Kunden erfasst. Zu diesem Zweck installierte Syscon seine Inventory-Software auf dem Logon-Server. Jeder PC-Client, der sich nun im Netzwerk bei diesem Server anmeldete, bekam zusätzliche Anweisungen in sein Login-Script eingebaut, sodass er Informationen über seinen Aufbau (CPU, RAM, Betriebssystem und so weiter) an den Login-Server liefern konnte. Im Laufe einer Woche bekam Syscon so die Daten der meisten bei Harley-Davidson installierten PCs geliefert.

Es gab jedoch vereinzelte Clients, die sich während dieser einen Woche nicht im Netzwerk angemeldet haben, sei es, weil die zugehörigen Außendienstmitarbeiter gerade unterwegs waren oder weil die User sich gerade im Urlaub befanden oder krank waren. Diese nicht erfassten Rechner wurden remote ausgelesen. Auf Grundlage dieser Informationen konnte der Syscon-Mitarbeiter Dirk Niederhausen unter anderem feststellen, welcher PC noch mit mehr Arbeitsspeicher zu versorgen war. Hier lautete nämlich die Vorgabe: 512 MB RAM für alle. Auch die auszutauschenden Rechner wurden auf diese Weise ermittelt.

Eine andere Vorgabe des Kunden war, dem vorhandenen Wildwuchs in seiner Betriebssystem-Landschaft ein Ende zu machen: Bei Harley-Davidson waren parallel Windows NT-, 95-, 98- und Windows-2000-Rechner im Einsatz. Und diese Client-Basis galt es nun, auf eine einheitliche Plattform zu bringen: eben Windows XP, oder - wie bereits erwähnt - im "worst case" auf Windows 2000.

Erste diesbezügliche Tests verliefen schon so viel versprechend, dass man sich für Windows XP als Betriebssystem für alle PCs entschied. Dennoch lief anfangs noch nicht alles so einwandfrei, als dass man sogleich mit dem firmenweiten Rollout starten könnte. Zwar gab es keinerlei Probleme bei der Paketierung der Standardsoftware-Komponenten wie Microsoft Office, Symantec PC Anywhere oder Adobe Acrobat Reader, aber die Implementierung der Harley-Davidson-spezifischen Applikationen bereitete doch einige Schwierigkeiten.

Probleme mit den selbst entwickelten Programmen

"Die insgesamt zehn verschiedenen kundeneigenen Anwendungen waren entweder Webbrowser-basierte Applikationen oder selbst programmierte Visual-Basic-Programme", erinnert sich Dirk Niederhausen von Syscon. Diese selbst gestrickten Applikationen enthielten aber teilweise hart kodierte Verweise auf Systempfade oder arbeiteten nur mit einer bestimmten DLL-Version, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte.

Die größten Probleme bereitete aber ein selbst erstelltes MSI-Paket (Microsoft Windows Installer), das weltweit in allen Harley-Davidson-Niederlassungen und bei allen Händlern eingesetzt wird. Dieses Programm regelt das komplette Bestellwesen, erfasst alle Neuzulassungen und enthält auch die Historie des gesamten Verkaufsvorgangs. Nun war aber eine automatische Implementierung dieses Programms von den Entwicklern gar nicht vorgesehen. Während der Installation dieser Anwendung erscheint nämlich zwangsläufig ein Popup-Fenster, in das Daten einzutragen sind wie Username, Passwort, Standort, Händlernummer und so weiter. Diese Daten werden verschlüsselt und in speziellen Dateien auf der Festplatte abgespeichert.

Alle Versuche, dieses umständliche Procedere abzukürzen, scheiterten, und so entschloss sich Syscon, dieses MSI-Paket zu debuggen und die entsprechenden Abfragepassagen zu entfernen. Die zu verschlüsselnden Daten wurden einfach von einer Referenzmaschine in das Paket integriert. Jetzt funktionierte zwar die Installation, aber beim Aufruf der Applikation erschienen dennoch Fehlermeldungen. So "meckerte" das System, dass es unter Windows 2000 nur mit der MDAC-Version 2.51 (Microsoft Data Access Components) und unter Windows XP nur mit der MDAC 2.71 arbeiten könne.

Als diese Probleme beseitigt waren, erschienen neue Fehlermeldungen auf dem Bildschirm, die auf Schwierigkeiten mit dem Microsoft Internet Explorer (IE) hindeuteten. Mit der IE-Version 6 und dem Service Pack 1 arbeitete das System dann aber endlich einwandfrei.

Auf die Reihenfolge der Paketierung kommt es an

Alles schien sich zum Guten zu wenden: Ein Softwarepaket nach dem anderen wurde erfolgreich getestet und vom Kunden abgenommen. Als der komplette Warenkorb mit allen Anwendungen, Hotfixes und Security-Updates installiert wurde, funktionierte das wichtigste Harley-Programm auf einmal nicht mehr korrekt: "Einen Tag vor dem geplanten Rollout bestand immer noch ein Problem mit dem automatischen Software-Update für diese Applikation", so der Projektleiter Niederhausen.

Doch auch diese Hürde meisterte Syscon: Zum Schluss stellte sich nämlich heraus, dass die Reihenfolge der zu installierenden Programme entscheidend war. Installierte man die Harley-Davidson-Applikation als vorletzte und führte MDAC-Update durch, gab es keine Fehlermeldungen mehr. Damit waren alle Probleme beseitigt und sowohl der Kunde als auch Syscon konnten dem Rollout beruhigt entgegensehen.

Und in der Tat: die vollständige Migration der PCs bei Harley-Davidson auf Windows XP erfolgte wie geplant übers Wochenende. Ein Mitarbeiter des Kunden und einer von Syscon waren am Samstag und Sonntag insgesamt 20 Stunden damit beschäftigt, die Clients auf den neuesten Stand zu bringen. Am Montag, 2. Januar 2004, konnten die Anwender ihre PC-Arbeitsplätze wie gewohnt weiternutzen.

Für das gesamte Projekt stellte Syscon dem Kunden insgesamt 264 Arbeitstunden in Rechnung. Es wurde in einer Nettozeit von lediglich vier Wochen verwirklicht. In der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester 2003 ruhte die Arbeit.

Für den Kunden hat sich die Investition bereits jetzt gelohnt. Der Return on Investment (RoI) liegt nach Ansicht von Syscon bei höchstens fünf Monaten. "Unsere Anwendung Syscon UBI & Recovery wird nicht nur zur Installation und der zentralen Verteilung von Software auf die Firmenarbeitsplätze bei Harley-Davidson eingesetzt", sagt Geschäftsführer Mangiaracina gegenüber ComputerPartner. Auch Schulungs-PCs im Harley-Davidson-Trainingscenter in Mörfelden müssen immer wieder mit neuer Software bespielt werden. Und dies kann der Kunden nun selbst tun; auch der Zeitaufwand dafür hält sich in Grenzen.

Meinung des Redakteurs

Das vorliegende Projekt beweist wieder einmal, dass eine Betriebssystem-Migration auch innerhalb der Microsoft-Welt kein Kinderspiel ist. Sobald vom Kunden selbst entwickelte Applikationen ins Spiel kommen, ist es mit dem automatischen Update vorbei. Hier ist der Systemlieferant gefragt: Kann er das Problem meistern, ist ihm eine gestärkte Kundenbindung sicher.

Solution Snapshot

Kunde Harley-Davidson Deutschland GmbH, www.harley-davidson.de

Problemstellung Bisher nur manuelle Installation von Anwendungssoftware und Betriebssystemen auf den PC-Arbeitsplätzen

Lösung Client-Management-Lösung "Syscon UBI & Recovery"

Dienstleister/ISV Syscon GmbH, www.syscon.biz

Technologielieferant Microsoft, www.microsoft.com

Kontaktaufnahme Seit zehn Jahren bestehender Kunde

Verhandlungsdauer zwei Wochen

größte Herausforderung Implementierung aller Harley-Davidson-spezifischen Applikationen

Implementierungsdauer vier Wochen

Arbeitsaufwand des Dienstleisters 254 Arbeitsstunden

Kostenaufteilung 53 Prozent Service, 36 Prozent Softwarelizenzen, 11 Prozent Schulung, keine Hardwareanschaffungen

Service- und Wartungsverträge Servicevertrag (Softwarewartung und Support) beinhaltet die Pflege (Updates + eventuelle Patches) der erworbenen Produkte für ein Jahr

Schulung Vermittlung der UBI-Basiskenntnisse, des Know-hows zur Erstellung kleiner Softwarepakete und für die "Pflege von UBI"

Benefit für Kunden reduzierter Zeit- und Pflegeaufwand bei der Installation von Software

Benefit für Dienstleister gestärkte Kundenbindung, Marketingeffekt

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