Zankapfel Servicepauschale: Hersteller und Handel bewegen sich aufeinander zu

30.05.2003
Das Ringen verschiedener Verbände hat sich gelohnt, erklärt der Technik-Handelsfachverband BVT: Gleich mehrere Hersteller hätten signalisiert, dass sie mit Kostenpauschalen für Service- oder Garantiefälle auf den Fachhandel zugehen würden. In der Welt der IT gelten allerdings oft ganz andere Regeln.

Der Mai entpuppe sich als "Wonnemonat" in Sachen Gewährleistungsabwicklung, schreibt der Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) in dem Newsletter "RF-Brief" für die Consumer-Eletronics-Branche. Denn nach zähem Ringen hätten gleich mehrere Hersteller signalisiert, dass sie dem Handel künftig 24 Monate lang eine Kostenerstattung für das Reklamationsmanagement im Garantie- und Gewährleistungsfall anbieten würden. Manche Anbieter denken dabei an eine einzelfallbezogene Euro-Pauschale, andere an einen Promille-Anteil vom Jahresumsatz. Was im CE-Handel erst langsam reift, scheint im IT-Umfeld noch kaum ein Thema zu sein.

"Formaljuristische Grauzone"

BVT-Geschäftsführer Willy Fischel wertet das Einlenken der Industrie inmitten einer "formaljuristischen Grauzone" nicht als Sieg, sondern als partnerschaftlicheLösung. Zugleich drückt er sein Bedauern aus, dass der Bitkom trotz zunehmender Konvergenz das Thema weitgehend beiseite geschoben habe. Im Gegenteil, meint Frank Roebers, Vorstandssprecher der Franchise-Kette PC-Spezialist. Ihm sind die entsprechenden Vorschläge des ITK-Hauptverbands allerdings "zu bürokratisch, handelsfeindlich und herstellerfreundlich".

Hintergrund der Debatte ist, dass das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts seit Januar 2002 zwar einen Regressanspruch des Händlers gegenüber seinem Lieferanten vorsieht, sich aber nicht alle oder zumindest nicht im gleichen Umfang daran halten. Das Problem stellt sich laut Fischel vor allem deshalb, weil der Reparaturanteil moderner Geräte immer mehr zurückgeht, die Händler aber auf den Kosten für Mehraufwand und den Transport in der Regel sitzen bleiben. Roe-bers: "Der Gesetzgeber hat uns mit dem Problem allein gelassen. Wir ignorieren die Gesetzesnovelle daher und vertagen das Problem." Solange es für Hersteller und Distributoren keine verbindliche Lösung gebe, herrsche "Business as usual". Höhere Preise wolle man als Fachhandelspartner schließlich auch nicht.

Promille-Umsatz oder Euro-Pauschale im Einzelfall?

Das erste offizielle Angebot kam Ende April von Philips-Geschäftsführer Hans-Joachim Kamp, der auch gleichzeitig dem Fachverband Consumer Electronic vorsteht: "Nach einer Reihe von Gesprächen auf Verbandsebene und mit unseren Kunden hat sich Philips Consumer Electronics entschlossen - freiwillig und ohne Anerkenntnis einer rechtlichen Pflicht -, dem Handel den Aufwand für eine Reparaturweiterleitung inklusive Versandkosten pauschal zu vergüten." Und er fügt hinzu: "Durch die Pauschale anstelle einer Einzelfallabrechnung wird der administrative Aufwand auf beiden Seiten gering gehalten."

Konkret bietet Philips den Händlern im Gewährleistungs- beziehungsweise Garantiefall für Reparaturweiterleitung und Versandkosten rückwirkend zum 1. Januar 2003 eine Pauschale in Höhe von 0,1 Prozent vom "verbonifizierbaren Jahresumsatz", etwaige Reparaturkostenvergütung und Fahrtkosten bei größeren Geräten nicht eingeschlossen.

Hans-Dieter Wysuwa, Channel-Chef bei Fujitsu Siemens, lehnt eine solche am Umsatz orientierte Pauschale hingegen als ungerecht ab. Serviceleiter Werner Billmann zufolge sieht das Partnerkonzept von FSC seit jeher Pauschalen für Reparatur, zurückgelegte Wegstrecken, Transport und Weiterleitung vor. Für das Reklamationsmanagement bieten die Bad Homburger eine Euro-Pauschale von sechs bis zehn Euro an.

Laut Helmut-Jürgen Kamm, Leiter Rechnungswesen bei der Fachhandelskette Expert, ist das allerdings bei weitem zu wenig. "Allein für die Abwicklung wie Schreibarbeiten fallen in der Regel schon zwei Arbeitseinheiten, sprich 10 bis 15 Euro, an - was einen ärgert, wenn das Gerät gerade mal 19,95 Euro gekostet hat." Je nachdem ob Stadt, ob Land, ob erster oder vierter Stock, fielen bei Anfahrten oder Transporten zudem höchst unterschiedliche Kosten an. Von einem Umsatz-Promille hält Kamm aus diesem Grund erst recht nichts. Überhaupt ist er der Meinung, dass das vom BVT errungene Angebot "etwas dürftig" ist.

Fachhändler profitieren vom Vor-Ort-Service

Von Maßnahmen oder Plänen in Richtung Servicepauschale scheint bei IBM nichts bekannt zu sein. Für bestimmte Produkte und Partner-Levels gälten aber ohnehin schon gesonderte Serviceregeln, so ein Unternehmenssprecher. Auch für Maxdata ist das Thema offenbar neu. Der Marler Anbieter betont aber, dass man die Herstellergarantie schon seit langem über das gesetzliche Maß von 24 auf 36 Monate ausgedehnt habe. Darüber hinaus profitierten Fachhändler von kundenorientierten Leistungen wie 24-Stunden-Austausch- oder Vor-Ort-Service.

Als weitere Garantieleistung gelte der Vorab- oder Komponentenaustausch einschließlich Übernahme der Versandkosten zum Fachhandelspartner. Das deckt sich zumindest mit einem Teil der Forderung des BVT. Acer wiederum bietet als Erweiterung der eigenen Garantieleistungen dem Handel gegenüber laut Supportmitarbeiterin Silke Schiborn unter anderem einen "Pickup-Service" für Notebooks.

Neben Philips sind auch andere große CE-Anbieter wie Panasonic, Thomson, Sharp, Sony und Grundig bereits auf BVT-Kurs eingeschwenkt oder im Begriff, dies zu tun. Die meisten von ihnen denken dabei aber wie FSC eher an eine einzelfallbezogene Euro-Pauschale. "Eine prozentuale Erstattung halten wir für nicht geeignet, da sie nicht differenziert und Qualität nicht berücksichtigt", erklärt Sharp-Kundendienstdirektor Michael Brozek. CE-Vertriebs- und Marketingdirektor Hans Wienand bei Panasonic sieht in einer einzelfallbezogenen Pauschale zudem eine gewisse Kontrollfunktion. Panasonic hat einigen wenigen Handelspartnern bereits vor Monaten ein entsprechendes Angebot unterbreitet und will nun laut Wienand das Feedback abwarten, bevor man über gewisse Anpassungen nachdenken könne.

Für Frank Roebers von PC-Spezialist ist die geforderte Servicepauschale auch gar nicht das wahre Hauptproblem im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform. Viel schwerer wiegt seiner Ansicht nach noch, dass das seit Januar 2002 wirksame Gewährleistungsrecht den Händler zwei Jahre lang in die Pflicht ihrer Kunden nimmt, Hersteller und Distributoren sich dem Gesetz aber oft durch eigenwillige AGBs und Garantieerklärungen entzögen.

www.bvt-ev.de

www.bitkom.org

www.fujitsu-siemens.de

www.pcspezialist.de

ComputerPartner-Meinung

So sehr zu begrüßen ist, dass die Industrie der Forderung des BVT nach einer Kostenerstattung für Reklama-tionsmanagement langsam nachkommt, scheint die Umsetzung doch meist recht minimalistisch zu sein. Denn was sind schon 100 Euro bei einem Jahresumsatz von 100.000 Euro (Philips) oder wie bei FSC sechs bis zehn Euro im Einzelfall, gemessen an dem Aufwand, mit dem sich der Händler bei defekten Geräten herumplagen muss? (kh)

Zur Startseite