Zentrales Hochverfügbarkeits-System für gehobene Ansprüche

26.09.2002
Lösungen für kritische Anwendungsbereiche im gehobenen Mittelstand zu finden gehört zum täglichen Brot der Lean GmbH. Für die FWU AG implementierte der Dienstleister ein spezielles Hochverfügbarkeits-System, über das Christine Ryll* berichtet.

Das "Sun-Forum", eine Hausmesse von Sun Microsystems, brachte Kunde und VAR zusammen. Stefan Gröger, Geschäftsführer der Lean GmbH, präsentierte dort im Jahr 2000 sein auf Sun- und Oracle-Lösungen spezialisiertes IT-Dienstleistungsunternehmen. Gleichzeitig befanden sich Mitarbeiter der FWU AG auf der Suche nach einem Spezialisten, der für sie eine neue IT-Landschaft entwerfen, implementieren sowie später betreuen konnte, und sprachen Gröger an. Die neue Umgebung sollte skalierbar sein, hochverfügbar und leistungsstark genug, um die schon damals geplante Integration neuer Geschäftseinheiten zu ermöglichen.

Als unabhängiger Finanzdienstleister bringt die FWU-Gruppe Banken, Versicherungen sowie Vermögensverwalter mit selbstständigen Vertriebspartnern zusammen. FWU übernimmt dabei für alle Beteiligten die Konzeption der Produkte, Administration, zentrale Koordination sowie das Controlling und die komplette Verwaltung.

Ein derart komplexes Angebot funktioniert nicht ohne ausgeklügelte Infrastruktur im Bereich der Datenverarbeitung. Daher leistet sich der Konzern eine 20 Mitarbeiter starke IT-Abteilung. Spezialisten betreuen die vorhandene Hard- und Software, entwickeln zur individuellen Produktpalette passende eigene Lösungen und gewährleisten die Verfügbarkeit der ein- und ausgehenden Daten.

Bis Mitte 2000 arbeitete die Münchner FWU-Zentrale mit einem Produktionsserver von Sequent. Darauf lief eine Oracle-basierende selbst entwickelte Applikation zur Antragsverwaltung, das Inkasso- und Exkasso-System, das Fakturierungs- und Bilanzsystem sowie mehrere kleinere Programme. Immerhin zehn Jahre leistete der Server ohne größere Ausfälle seine Dienste. "Doch als sich mit der Übernahme von Sequent durch IBM auch die Supportpolitik des Hardwareherstellers verschlechterte, mussten wir eine neue Lösung suchen, zumal 2001 der Leasingvertrag ablief", kommentiert Rolf Gollub, Bereichsleiter IT der FWU AG.

Serviceleistung rund um die Uhr

Als Lieferant einer neuen Plattform für FWU bot sich Sun Microsystems an. Für Sun sprachen seine Kooperation mit Oracle, dem Hersteller der von FWU genutzten Datenbanken, und seine Kenntnisse in Cluster-Systemen. Denn der Münchener Finanzdienstleister ist auf ein Hochverfügbarkeits-System angewiesen, das sieben Tage die Woche an 24 Stunden zu Dienste stehen muss, "schon wegen der Auflagen diverser Partner aus dem Banken- und Versicherungsbereich", erläutert Gollub.

Aufgabe der Lean GmbH war es nun, dieses Hochverfügbarkeits-System zu entwerfen und zu implementieren. "Wir haben einen Gesamtlösungsvorschlag gemacht und zunächst den Auftrag erhalten, im dritten Quartal 2000 einen Sun Enterprise-Server 420 R miteiner Oracle-Datenbank als Entwicklungsserver zu implementieren", erinnert sich Gröger. Rund sieben Manntage brauchten zwei Mitarbeiter der Lean GmbH zum Aufbau der Hardware, für die Installation des Betriebssystems und die Implementierung der Datenbank. Außerdem bauten die IT-Profis eine Datensicherung auf und hielten Intensivtrainings für die Mitarbeiter des Kunden ab.

Im Anschluss daran stellte der Dienstleister zusammen mit dem Hersteller Support und Service der Systemtechnik sicher. Das bedeutete für die Lean GmbH Serviceleistungen rund um die Uhr, und zwar sieben Tage die Woche. Veränderungen übernahm der VAR zum Teil per Fernzugriff. Im Ernstfall garantierte der Wartungsvertrag, dass binnen zwei Stunden ein Spezialist vor Ort war und etwaige Probleme löste.

Dienstleister überzeugte seine Kunden

"Dieses Projekt war quasi unser Pilotprojekt", bemerkt der FWU-Bereichsleiter IT Gollup. "Rund zehn Entwickler haben den Server ein Jahr lang mit diversen Datenbanken betrieben. Sie haben verschiedene Hardwarekomponenten nachträglich eingebaut, unter anderem weitere Platten und ein Backup-System. Der Rechner war voll ausgelastet. Trotzdem hatten wir keinen einzigen Ausfall."

Dank dieser zufrieden stellenden Ergebnisse habe sich laut Gollub die Entscheidung für Sun als künftige Plattform gefestigt. Auch der Dienstleister, der ja ebenfalls ein Jahr lang seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte, setzte sich durch. "Wir können mit 20 Leuten nicht alle IT-Probleme selbst lösen", erklärt Gollub, "deshalb brauchen wir einen extrem zuverlässigen Service- und Support-Partner."

In Phase zwei des Projektes stellte der VAR endgültig auf den Produktionsbetrieb um. Lean implementierte im zweiten und dritten Quartal 2001 eine hochverfügbare IT-Infrastruktur: Sie besteht aus zwei Sun-Servern "Enterprise 4500", zwei Sun Speicher-Systemen "Stor Edge A 5200-Array" mit dem Sun Cluster 3.0 für die Oracle-basierende Eigenentwicklung sowie einem Backup-System, das alle Server zentral sichert. Das gesamte Umfeld besitzt ein Fibre-Channel-Backbone und wird von dort aus sternförmig bedient.

Die gesamte Installation stellt ein spezielles Disaster-Recovery-Szenario dar. In drei Räumen des Rechenzentrums, die in verschiedenen Gebäudeflügeln liegen, befindet sich je ein Cluster. Selbst wenn ein Knoten komplett ausfallen sollte, gewährleisten die anderen beiden dank so genannter Quoren den reibungslosen Weiterbetrieb des FWU-Produktionssystems.

"Ein Cluster besteht mindestens aus zwei Knoten, die miteinander kommunizieren", verdeutlicht Gröger. "Liegt bei einem Totalausfall eines Knotens die Kommunikation brach, kann der funktionierende Knoten natürlich nicht wissen, dass er den Betrieb übernehmen soll. Daher hat Sun in seine Softwarelogik so genannte Quoren - vereinfacht Stimmen - implementiert. Nach der Vergaberichtlinie "Zwei Stimmen gegen eine Stimme" hat somit ein Knoten die Möglichkeit, den anderen im Ernstfall zu überstimmen und damit den Betrieb aufrechtzuerhalten. Also darf der Knoten mit dem geringeren Stimmrecht ausfallen, der andere jedoch nicht."

Drei statt zwei Cluster

Ein zweigeteiltes System - zwei Rechner in zwei verschiedenen Räumen - sei die Regel in den meisten Clustern. Für die FWU allerdings genügte auch diese zusätzliche Sicherheitsmaßnahme nicht. Denn das IT-System muss in jedem Fall funktionieren, egal welcher Knoten ausfällt. Daher entschieden sich der Lean-Geschäftsführer und die IT-Spezialisten von FWU, den Cluster dreizuteilen. Sie beschlossen, in jedem der drei, in unterschiedlichen Brandschutzzonen liegenden, Gebäudeflügel der FWU je einen Knoten zu legen. "Damit hatten wir drei Stimmen, die auf drei Räume verteilt sind. Die Gleichverteilung der Stimmen ist demnach in jedem Fall vorhanden. Selbst wenn ein Gebäudeflügel und damit auch der darin befindliche Cluster-Knoten komplett zerstört werden, können die anderen beiden den Betrieb immer noch weiterführen. Das Sicherheitslevel ist somit noch höher als üblich", resümiert Gröger.

Rund sechs Wochen dauerten die Arbeiten des zweiten Projektteils. In dieser Zeit stellte der Dienstleister gemeinsam mit den IT-Verantwortlichen von FWU die Hardware auf, migrierte die Altdaten auf das neue System und nahm dann den Cluster in Betrieb. Letzterer wurde zudem vom Hersteller genauen Tests unterzogen und im Anschluss daran abgenommen. "Als größte Herausforderung sehe ich allerdings im Nachhinein nicht die Aufstellung des Clusters selbst, sondern die nahtlose Übernahme des Produktionsbetriebes vom Altsystem in das neue System", reflektiert Gröger. Schließlich handle es sich um kritische Daten, die jederzeit verfügbar sein müssen.

Alle Daten - auch die des vor zwei Jahren implementierten Entwicklungsservers - werden seit vorigem Monat mit einer, ebenfalls von dem VAR installierten, Legato-Backup-Lösung zentral gesichert. Online, da die Oracle-Datenbank rund um die Uhr in Betrieb sein muss. Lediglich einmal pro Woche wird sie für etwa eineinhalb Stunden heruntergefahren, um zusätzlich eine Offline-Sicherung durchzuführen. Im Anschluss werden die Bänder in den Schließfächern einer nahe gelegenen Bank gelagert, damit auch im Katastrophenfall der Zugriff auf Daten gesichert ist.

Am Ende sollen alle Daten in München liegen

Dabei handelt es sich um eine große Datenmenge. Schon heute muss in der bayerischen Landeshauptstadt Datenvolumen von 100 Gigabyte verwaltet werden. Jeden Monat kommen weitere 300.000 Datensätze hinzu. Mit noch mehr Bytes ist zu rechnen. "Die Datenbanken aller Unternehmen der FWU-Gruppe sollen nach München verlagert und in das hochverfügbare IT-System integriert werden. Das Gleiche gilt für die Rechenleistung anderer FWU-Töchter, die zum Teil noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen werden - in Frankreich, Deutschland und im arabischen Raum", äußert sich Dr. Reiner Hirschberg, Chief Information Officer der FWU AG, zur Geschäftspolitik. "All diese Unternehmen werden unsere Infrastruktur nutzen. So sparen wir Kosten und gewährleisten gleichzeitig extrem hochwertige, zentral gesteuerte IT-Betreuung." Lean kann es nur recht sein. Denn der Dienstleister ist bei den neuen Projekten wieder mit dabei.

*Christine Ryll ist freie Journalistin in München.

ComputerPartner-Meinung:

Die FWU AG suchte einen Spezialisten, der für ihr individuelles Problem eine Lösung bieten konnte. Sie fand diesen in der Lean GmbH. Der IT-Dienstleister entwarf und implementierte nicht nur eine neue Systemlandschaft, sondern verpflichtete sich, das System weiter zu betreuen. Das gibt dem Kunden Sicherheit und bringt dem VAR zusätzliches Geschäft. (ce)

Solution Snapshot

Kunde: FWU AG, Boschetsrieder Straße 67, 81379 München; Ansprechpartner: Rolf Gollub, Bereichsleitung IT, Telefon: 0 89/74 85 88-0, www.fwugroup.com

Problemstellung: Ersatz eines Produktionsservers von Sequent, auf dem unter anderem Oracle-basierende Eigenentwicklungen laufen. Ziel: neue Plattform "mit Zukunft". Bedingung: Skalierbarkeit zur Abbildung von neuen Geschäftsprozessen, Hochverfügbarkeit wegen hochvolumiger Geschäftsabläufe

Lösung: zwei Enterprise-Server "E4500" und zwei Speichersysteme "Stor Edge A 5200"-Arrays mit Sun Cluster 3.0 für Oracle-basierend Eigenentwicklung, Fibrechannel-Backbone

Distributor: DNS Deutschland GmbH, Industriestraße 10a, 82256 Fürstenfeldbruck, Ansprechpartner: Harald Dinse, Telefon: 0 81 41/35 36-0, www.dns-gmbh.de

VAR: Lean GmbH, Dachauer Straße 21 a, 80335 München, Ansprechpartner: Stefan Gröger, Geschäftsführer, Telefon: 0 89/5 15 55 76-0, www.lean.de

Kontaktaufnahme: auf Hausmesse: Sun-Forum 2000

Verhandlungsdauer: etwa zwei Monate

größte Herausforderung: nahtlose Übernahme des Produktionsbetriebs vom Altsystem auf das neue System, sehr hohe Anforderungen an die Systemverfügbarkeit wegen der Zentralisierung der gesamten Unternehmensgruppen-IT

unerwartete Schwierigkeiten: Systemübernahme des Clusters funktioniert normalerweise bei Komplettausfall eines vollständigen Clusterknotens nur in eine Richtung. Lösung: drei Quoren

Implementierungsdauer: Testumgebung: zwei Wochen; Produktionsumgebung: sechs Wochen

aufgewendete Mannstunden (VAR): etwa 50 Manntage

Verhältnis Hardware/ Software/Dienstleistung: 56 Prozent Hardware, 17 Prozent Software, 27 Prozent Dienstleistung

Service- und Wartungsverträge: Gold-Wartung mit 24 x 7 Hotline-Support, Remote-Support durch VAR

Schulung: individuelle Administratortrainings sowie "Training on the job" über drei Monate

Benefit für Kunden: zukunftssicheres System, extrem skalierbare Systemarchitektur, dadurch offen für Wachstum und Integration neuer Geschäftseinheiten

Benefit für VAR: wichtiger Referenzkunde im mittelständischen Finanzsektor, laufende Folgeprojekte durch schrittweisen Ausbau und Integration weiterer Bestandteile auch im Ausland

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