Zielgruppe: Kinder und Jugendliche

21.01.1999

MÜNCHEN: Kinder und Jugendliche verfügen in Deutschland über ein Vermögen von 17,6 Milliarden Mark sowie über ein ausgeprägtes Markenbewußtsein. Dem Fachhandel winken in diesem Jahr Umsätze mit Spielesoftware in Höhe von über drei Milliarden Mark.Kinder und Jugendliche sind eine sehr anspruchsvolle und heterogene Zielgruppe. Nicht alles, was die Industrie auf den Markt bringt, findet auch Zustimmung. 70 bis 80 Prozent aller Neueinführungen erweisen sich als Flop. Die Kids haben ein ausgeprägtes Markenbewußtsein und erkennen Logos schon sehr früh. So kennen beispielsweise alle Sechsjährigen das Coca-Cola-Logo. Ob Kinder sich mit einer Marke identifizieren, hängt vor allem davon ab, ob sie damit bei ihren Altersgenossen "ankommen". Dieses Markenbewußtsein, das bei konsequenter Pflege einer Marke auch in Markentreue übergehen kann, entwickeln Kinder in einem Alter von neun bis zehn Jahren. Pflegt der Hersteller die Marke nicht, ist er schnell wieder "out".

Das Markenbewußtsein der Kinder hat in der Regel großen Einfluß auf die Kaufentscheidung der Eltern. Insbesondere im Computerbereich gilt der Nachwuchs als kompetenter Ratgeber. Nicht so groß ist der Einfluß bei der Wahl eines Spielzeugs, hier bestimmen zunächst die Eltern, womit sich die Sprößlinge beschäftigen sollen. Ist jedoch einmal eine Entscheidung für Computerspiele gefallen, haben die Kinder sehr wohl einen großen Einfluß auf die Auswahl.

Kinder sitzen fast täglich vor dem PC

Die Kids Verbraucher Analyse 98 (KVA) des Egmont Ehapa Verlags zeigt, daß sich bei 40 Prozent (Basis: 9,86 Millionen Befragte) der 6- bis 17jährigen ein Computer im Haushalt befindet. 20 Prozent besitzen einen eigenen Computer. Das heißt, jeder zweite PC steht im Kinderzimmer. Zwölf Prozent derjenigen, die keinen eigenen PC besitzen, dürfen den im Haushalt vorhandenen benutzen. Insgesamt haben 32 Prozent der 6- bis 17jährigen direkten Zugang zum Computer.

Einer Studie des Hamburger Hans-Bredow-Instituts zufolge spielt jedes Kind mit PC täglich mehr als 37 Minuten damit, Jungen sogar fast 50, Mädchen nur 18 Minuten pro Tag. In 27 Prozent der untersuchten Haushalte wurde Anfang 1998 zudem ein Tamagochi gepflegt. Das virtuelle Haustier ist ein gutes Beispiel für den schnellen Wechsel der Gunst in den Kinderzimmern. War zu Beginn des Jahres nahezu jedes Kind todunglücklich, wenn es kein Tamagochi bekam, so interessiert sich heute kaum noch jemand dafür.

Der PC ist am beliebtesten

Die eindeutig beliebteste Beschäftigung am Rechner ist das Spielen: 79 Prozent der Acht- bis Zwölfjährigen, die Zugang zum PC haben, machen Computerspiele. An zweiter Stelle folgt das Schreiben von Texten und Briefen (36 Prozent). Wobei die ausgeübten Tätigkeiten je nach Alter differieren. Generell ist das Interesse an Computern bei den Jungen etwas höher als bei den gleichaltrigen Mädchen. "Knapp sechs Prozent der Kinder haben zu Hause Zugang zum Internet", berichtet das Hans-Bredow-Institut. Männliche Jugendliche sind im Durchschnitt besser ausgestattet: 26 Prozent der männlichen, aber nur zwölf Prozent der weiblichen Jugendlichen haben ihren PC im eigenen Zimmer immer verfügbar. Der Besitz eines Computers hängt zudem vom Familieneinkommen ab. Kinder aus Haushalten mit höherem Einkommen haben zu 60 Prozent einen PC, solche aus Familien mit mittleren Einkommen zu 36 Prozent und solche aus Familien mit niedrigen Einkommen nur zu 27 Prozent. Haushalte mit Kindern verfügen im Schnitt über eine bessere Computerausstattung als Haushalte ohne Kinder. Eltern geben sich Mühe, ihrem Nachwuchs neue Technologien zugänglich zu machen. Das staatliche Bildungssystem hingegen tut sich schwer mit den neuen Medien: Mehr als 70 Prozent aller Schulkinder haben in der Schule noch nie einen PC bedient. In der Altersklasse zwischen acht bis zwölf sind Sport-/Speed- (13,7 Prozent), Jump-and-Run- (13,4 Prozent) sowie Actionspiele (12,2 Prozent) am verbreitetsten. Auf den Wunschzetteln stehen Flugsimulatoren mit 8,4 Prozent ganz oben, gefolgt von Jump-and-Run-, Action- und Strategie-Games.

Kids sind offen für Werbung

Ihr Wissen über Marken und Produkte holen sich die Kids zu einem großen Teil aus der Werbung, der sie andererseits aber sehr kritisch gegenüberstehen. Für 70 Prozent der Teenies muß sie vor allem witzig sein, für 41 Prozent zumindest noch unterhaltend. Beliebteste Werbeträger sind Plakate (35,4 Prozent) und Kinospots (32,5 Prozent). Fernsehen ist nur für 15 Prozent in puncto Werbung interessant, die TV-Spots hinterlassen allerdings die stärksten "Erinnerungsspuren". Das Radio entdecken Kinder erst spät: Nur knapp 50 Prozent der 10- bis 13jährigen hören regelmäßig Radio, unter den 14- bis 19jährigen sind es schon 86 Prozent - am beliebtesten sind Musik und Comedy.

Ein besonders bewegtes Segment sind die Kinder- und Jugendzeitschriften. Derzeit gibt es circa 170 Titel in verschiedenen Sparten. Dazu zählen nicht nur Hefte, die - wie die seit Urzeiten die Branche anführende "Bravo" - am Kiosk angeboten werden, sondern auch Kundenmagazine und Mitgliederzeitschriften. Beispiele hierfür sind "Junior", das in Apotheken ausliegt, "Extratour" vom Deutschen Jugendherbergswerk oder "15/17", das Jugendmagazin des ADAC. Hinzu kommen Schülerzeitungen mit zum Teil mehreren 10.000 Exemplaren Auflage.

Umsatz mit Spielen liegt bei zwei Milliarden

Nintendo hat die Wichtigkeit von zielgruppengerechtem Marketing erkannt. Der Hersteller richtet seine neue Werbekampagne nach den Interessen der über 16jährigen aus. "Nintendo ist mit Kindern groß geworden. Der Markt und der Verbraucher ändern sich jedoch stetig, und dem wollen wir Rechnung tragen", erklärt Unternehmenssprecher Werner Rudolph. "Mit Super Mario sprechen wir Acht- bis Zwölfjährige an. Bei Jugendlichen über 15 Jahren ist der Klempner fast gar kein Zugpferd mehr." Mit dem Spieleangebot für das Jahresendgeschäft ändert der Hersteller seine Vermarktungsstrategie. "Es wird Kinospots geben, die TV-Werbung ist auf Jugendliche als Zielgruppe abgestimmt worden. Zudem schalten wir Anzeigen in den Trendmagazinen", so Rudolph.

Das Budget dafür soll europaweit bei 50 Millionen Mark liegen.

Daß sich mit dem Spieltrieb von groß und klein viel Geld machen läßt, ist kein Geheimnis. Nach Angaben des Verbandes der Unterhaltungssoftware in Deutschland (VUD) wird der Umsatz mit PC-Spielen dieses Jahr bei über zwei Milliarden Mark liegen. Edu- und Infotainment-Programme sollen sich auf rund 600 Millionen und Videospiele auf über eine Milliarde Mark belaufen.

Das Vermögen der 6- bis 17jährigen schätzen Experten in Deutschland auf über 17,6 Milliarden Mark. Computer-, Elektronik- und Videospiele sind ein beliebtes Sparziel der acht- bis zwölfjährigen Jungen. Das Branchenblatt der Webeindustrie, "W&V Compact", berichtete in der Aprilausgabe, daß unter den 6- bis 13jährigen Computer und zugehörige Spiele mit 13,5 Prozent auf Rang zwei der Wunschliste rangieren, gleich hinter dem Fahrrad und noch vor Inline-Skates. Im Bereich Spiele/Spielzeug haben die Kids einen Einfluß von etwa 65 Prozent auf den Kauf. In keiner Altersgruppe sind Computerhersteller oder Spielehersteller unter den Markenhits - hier dominieren Produkte wie Coca-Cola, Magnum, Duplo oder Adidas.

Absatzzahlen bei Konsolen sind enorm

Die installierte Hardwarebasis im deutschen Markt ist enorm. Bis Ende 97 waren 5,5 Millionen PCs (ab Pentium 90) im Umlauf. Experten gehen davon aus, daß sich diese Zahl bis Ende dieses Jahres auf sieben bis acht Millionen belaufen wird. Sonys Playstation wanderte bis dato circa zwei Millionen Mal über die Ladentheken. Nintendo meldet 700.000 verkaufte 64-Konsolen. Ein Renner ist der Gameboy. 7,5 Millionen nennen die handliche Spielekiste ihr eigen. Zu Weihnachten brachte Nintendo das Gerät mit einem Farbdisplay neu auf den Markt. Der Hersteller hoffte bis Jahresende noch 250.000 Gameboy Color unter das Volk zu bringen.

Weit hinter den Erwartungen zurück ist dagegen Sega mit dem Saturn. Bis März 98 konnten nur 150.000 Stück abgesetzt werden. Doch das Augenmerk von Sega liegt in der Zukunft. Mit der neuen 128-Bit-Konsole "Dreamcast" wollen die Japaner 1999 verlorenes Terrain zurückerobern.

Fazit

Die Analysen zeigen, daß Kinder und Jugendliche für PCs und Computerprodukte ein beachtliches Marktpotential darstellen. Die direkte Ansprache dieser Zielgruppe ist in zweierlei Hinsicht erfolgversprechend. Kaufkraft und Kaufwünsche befinden sich auf einem hohem Niveau. (kfr)

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