Zu laut gebrüllt, Löwe!

06.02.2003
Lange musste die Fangemeinde auf den Geforce4-Nachfolger warten. Im November vorigen Jahres war es dann so weit: Nvidia stellte den Chip vor. Aber Grafikkarten mit dem neuen Geforce FX sind erst jetzt erhältlich. Dementsprechend groß war die Erwartungshaltung. Erste Tests in Fachredaktionen zeigten aber, dass Nvidia auch nur mit Wasser kocht.

Nicht nur Spieler, auch die Führungsspitze von ATI fieberten dem 27. Januar 2003 entgegen. Da durften die ersten Testergebnisse von Nvidias neuem Flaggschiff, dem Geforce FX, veröffentlicht werden. Der mit viel Brimborium angekündigte und mit etlichen Vorschusslorbeeren versehene Chip hatte sich am Wochenende davor den realen Bedingungen in Testlabors verschiedener Zeitschriften stellen müssen. Mit den Ergebnissen der Tests dürfte Nvidia aber nicht besonders glücklich gewesen sein. Einvernehmlich bescheinigten die Tester der FX nur mäßige Werte.

ATIs Manager können sich erstmal beruhigt zurücklehnen und ihren Erfolg genießen. Vor einem Jahr sah die Geschichte noch ganz anders aus. Da hatte Nvidia mit dem Geforce4 die Nase weit vorn, und ATI musste sich anstrengen, nicht den Anschluss zu verlieren. Heute kann Nvidia mit dem Geforce FX dem Radeon gerade mal das Wasser reichen. Außerdem ist der Radeon bereits seit Monaten im Markt eingeführt und im Gegensatz zu Nvidias neuem Flaggschiff geradezu unverschämt billig. Nur 329 Euro verlangen die preiswer-testen Anbieter. Der Geforce FX Ultra ist im Moment nur bei zwei Herstellern zu finden: Terratec bietet ihn für 649 Euro inklusive drei Spielen an, und PNY hat ihn für 629 Euro im Programm.

"Zuerst konnten die Hersteller und Distributoren gar nicht genug Karten ordern", behaupten böse Zungen, "doch jetzt sind sie froh, wenn sie nicht zu viele Geforce FX zugeteilt bekommen."

Angesichts der mäßigen Testergebnisse und ob des hohen Preises halten sich die Hersteller auch sehr bedeckt. Sie glauben selbst nicht, dass viele Karten mit dem Geforce FX über die Ladentheke wandern. Nvidia hat im Vorfeld den Mund mit markigen Marketingsprüchen sehr voll genommen und kann die Versprechen kaum halten. Zugegeben, die Treiber sind noch nicht optimiert, aber ob die Karte mit besseren Treibern den Radeon abhängen kann, ist fraglich.

Radeon versus Geforce FX

Das Konkurrenzprodukt, ATIs Radeon 9700 Pro, konnte nur in einigen Disziplinen vom Geforce FX übertrumpft werden, und da auch nur um wenige Prozentpunkte.

Nvidias Entscheidung, die Schnittstelle zum Speicher auf 128 Bit zu belassen und dafür am Takt zu drehen, erweist sich jetzt als Fehler. ATI dagegen setzte mit dem Radeon 9700 Pro auf bewährte und verfügbare Technologie und schraubte die Bus-Breite auf 256 Bit herauf. Die kanadischen Entwickler hielten so die Taktfrequenz mit 300 MHz im beherrschbaren Rahmen, ohne gleichzeitig zu viel Performance zu verlieren. Durch diesen Trick kommt der Radeon nun mit Standardspeicher aus und verbraucht durch die geringere Taktfrequenz "nur" etwas mehr als 50 Watt. Der Geforce FX setzt dagegen bei der hohen Taktfrequenz von 500 MHz rund 75 Watt in Wärme um, und der Chip braucht zudem noch teuren DDR-II-Speicher. Zurzeit kann nur Samsung diese Speicherchips liefern, und die müssen zudem noch selektiert werden. Die hohe Taktfrequenz bringt noch weitere Nachteile mit sich: Die Betriebsspannung muss herabgesetzt werden, wodurch sich auch der Störspannungsabstand verringert. Nur mit aufwändigen Abschirmungen zwischen den Leiterbahnen lässt sich eine gegenseitige Beeinflussung der Signale (Übersprechen) verhindern. Deshalb wird der Geforce FX auf einem Zwölf-Layer-Board aufgebaut. Zum Vergleich: Der Radeon 9700 Pro kommt mit acht Layern aus.

Weiterhin muss die Verlustwärme des Grafikprozessors und der Speicherchips abgeleitet werden. Mit einem kleinen Axial-Lüfter ist es hier nicht mehr getan. Deshalb spendierten die Entwickler der Karte einen schnell drehenden Radial-Lüfter, den jeder von seinem Föhn her kennt. Dieser Radial-Lüfter produziert in etwa auch den gleichen Lärm wie ein Haartrock-ner. Testlabors attestierten dem Lüfter einen Geräuschpegel von 44 dB; damit übertönt er jeden CPU-Lüfter und selbst das Netzteil.

Damit der Lüfter nun nicht die warme Luft aus dem PC ansaugt, haben die Entwickler die Ansaugöffnung nach hinten an die Rückseite des PCs verlegt. Die warme Luft wird auch dort wieder ausgestoßen. Die "Abgas-Temperatur" beträgt nach Messungen rund 44 Grad Celsius. Zum Glück wird der Lüfter von der Karte gesteuert und schaltet bei 2D-Anwendungen einen Gang zurück.

Die Geforce FX ist nur etwas für Highend-Gamer, die ihren PC sowieso bis an die Grenze des technisch Machbaren vollgestopft haben. Und genau diese Zielgruppe wird auch große Probleme bekommen, die Karte einzusetzen. Denn das Netzteil arbeitet in diesen Rechnern meist schon an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Muss es jetzt noch mit einer Geforce FX fertig werden, kann es eventuell in Streik treten. Dann wird zusätzlich zur Grafikkarte noch ein neues Netzteil notwendig.

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar auf Seite 8.

www.ati.de; www.nvidia.de

www.terratec.de; www.pny.de

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