Zwischen Hoffen und Bangen warten Softwarehäuser auf Microsoft-CRM

21.11.2002
Microsofts Schritt in das Geschäft mit Software für das Kundenbeziehungsmanagement zwingt seine ISVs zum Handeln. Mit einem Rückzug auf Branchenlösungen vollziehen sie jetzt den Spagat zwischen Loyalität zum Technologiepartner und Konkurrenz zum Anwendungshersteller Microsoft.

Die gute Nachricht für mittelständische Softwarehäuser: "Der Markteintritt von Microsoft wird verhindern, dass Anbieter wie SAP, Siebel oder Peoplesoft im Mittelstand Fuß fassen, weil sie nicht über entsprechende indirekte Vertriebs-kanäle verfügen", erklärt der Branchenkenner und Schirmherr der CRM-Expo Wolfgang Martin, unabhängiger IT-Analyst und Research Fellow der Meta-Group. Die schlechte Nachricht lautet: "Microsoft fegt alle Generalisten aus dem mittelständischen CRM-Markt." Nur Branchenspezialisten haben, so Martin, eine Überlebenschance.

Frontrange setzt auf vertikale Märkte

Zu diesem Schluss scheinen auch die Softwarehersteller gekommen zu sein, die ihre Anwendungen auf Basistechnologie des Softwaregiganten aus Redmond entwickeln. Im ersten Halbjahr 2003 will zum Beispiel der CRM-Spezialist Frontrange sein neues Softwarepaket "Customer IQ" als Branchenlösung für das produzierende Gewerbe und Finanzdienstleister auf den Markt bringen.

Das verändert auch das Anforderungsprofil der Vertriebspartner des Microsoft-ISV: "Wir brauchen eine Reihe von Partnern, die dieses Geschäft verstehen", erklärt Otto Neuer, Geschäftsführer Frontrange Solutions Deutschland. Im Gegensatz zu den USA werde aber Cus-tomer-IQ ausschließlich über Wiederverkäufer vertrieben: "Wir verändern unser Vertriebsmodell nicht, aber wir suchen Partner mit anderen Qualitäten", betont Neuer.

Zwischen dem Strategiewechsel auf Branchenlösungen und dem angekündigten Launch von Microsoft-CRM besteht aber laut Alexander L. Sapp, Program-Manager bei Frontrange, kein Zusammenhang. Der CRM-Spezialist hält deshalb auch weiter in Treue fest zu seinem Technologiepartner: "Der Mittelstand setzt auf Windows, wir auch", betont Sapp. Doch so ganz wohl fühlt sich auch er nicht, mit Microsoft als Konkurrenten im Rücken. "Wir fürchten uns nicht, aber wir sind wachsam."

Update hofft auf Lücke im Microsoft-Portfolio

Pünktlich zur CRM-Expo hat der in Wien angesiedelte CRM-Spezialist Update mal wieder einen neuen CEO an der Unternehmensspitze. Kurz vor der Nabelschau der CRM-Hersteller in Köln trat Thomas Deutschmann als CEO bei dem CRM-Spezialisten seinen Dienst an. Mit dem Produkt "Marketing Manager" besitzen die Österreicher etwas, das dem "Release 1" aus Redmond fehlen wird: Marketing-Automation-Funktionalität. Doch auf den Wettbewerbsvorteil kann der neue Update-Chef nicht allzu lange setzen: "Kampagnen-Management wird in späteren Versionen eine Standardfunktionalität von MS-CRM", stellt Eduard Dell, Produktmanager bei Microsoft CRM, klar. Doch obwohl sich die Österreicher selbst nicht als Wettbewerber zu MS-CRM sehen, sucht auch Deutschmann sein künftiges Auskommen bei Branchenlösungen: "Wir fokussieren uns auf wenige vertikale Märkte wie Pharmazie."

Am Vertriebspartnermodell von Update verändere sich dadurch im Prinzip nichts, betont der Update-CEO, der bis zum Ende Dezember schließenden Geschäftsjahr 2003 erreichen will, was seinen Vorgängern Gabriele Rittinghaus und Gerhard Schuberth verwehrt blieb: "Im schlechtesten Fall schreiben wir dann eine schwarze Null."

Superoffice prüft Kernbranchen

Der in Deutschland nach eigenen Angaben mit rund 1.000 Installationen präsente CRM-Hersteller Superoffice plant für das erste Quartal 2003 ein neues Major-Release, welches das seit dem Jahr 2000 angebotene "CRM5" ablösen soll. Doch auch die Skandinavier haben bereits Erhebungen durchgeführt, in welchen Branchen sie am stärksten vertreten sind. Ob eine Konzentration auf vertikale Märkte die künftige Strategie sein wird, sei aber noch nicht beschlossen. "Wir befinden uns noch im Entscheidungsprozess", berichtet Manfred Kaftan, Geschäftsführer bei Superoffice in Deutschland.

Der schweizerische CRM-Spezialist Team Brendel konzentriert sich dagegen seit jeher auf vertikale Märkte. Sein indirektes Vertriebsmodell verändert er dennoch: "Wir benötigen sehr leistungsfähige Partner", betont Michael Brendel, CEO bei der Team Brendel AG. Höchstens zehn Wiederverkäufer sollen deshalb 2003 in das neue Solution-Partner-Programm der Schweizer aufgenommen werden. Entsprechend hoch sind die Anforderungen: 100 Projektkunden sowie Branchen-Know-how oder Kenntnisse anderer Anwendungsbereiche wie kaufmännischer Software erwarten die Eidgenossen von ihren Solutions-Partnern. Dazu kommen mindestens ein Verkäufer und ein Berater für die Team-Brendel-Produkte.

Dafür will der CRM-Spezialist aber für je sieben Partner einen Manager abstellen, der ausschließlich diese betreut. Allerdings betreiben die Schweizer weiterhin auch das Direktgeschäft. Dabei will sich Team Brendel aber auf seine vertikalen Kernmärkte Dienstleister, Technologiehersteller und Bauzulieferer konzentrieren.

Act6 verspätet sich

Der zur Sage Group gehörende Softwarehersteller Sage CRM Solution verzichtete auf das Kräftemessen mit Microsoft auf der CRM-Expo. Die ehemalige Interact verschob kurz vor der Kölner Messe die Verfügbarkeit ihres Produkts "Act6" für den deutschen Markt. In Amerika, wo das neue Release des Kontaktmanagers bereits verfügbar ist, gab es Probleme bei der Abspeicherung der Kontaktdaten im Netzwerk, wie Insider berichten.

Der deutsche Vertriebspartner CRM Business Solutions der Sage CRM Solution hält die verschobene Markteinführung für die richtige, wenn auch schmerzhafte Entscheidung. "Unsere Kunden zu vertrösten ist besser, als sie zu verärgern", berichtet Patric Grumer, Marketingleiter bei CRM-Business Solutions. Er sieht sich mit dem noch auf einer D-Base-Datenbank basierenden Act nicht in der Schusslinie von Microsoft. Für das zweite CRM-Produkt aus demSage-Portfolio "Saleslogix" trifft das schon eher zu. Doch in Deutschland konnte dieses Softwarepaket bislang noch nicht Fuß fassen. Eine Integrationslösung zu den ERP-Anwendungen der ebenfalls zur Sage Group gehörenden Sage KHK blieb Saleslogix im Gegensatz zu Act mit dem "Kundenmanager" bislang verwehrt.

MBO bei Epicor

Der bisher in Deutschland wenig in Erscheinung getretene amerikanische Softwarehersteller Epicor könnte deshalb zum Herausforderer für Sage KHK im gehobenen Mittelstand werden. Neben dem bereits verfügbaren CRM-Modul "Clientele" wollen die Amerikaner ihre ERP-Lösung "E-Back-Office" ab dem ersten Quartal 2003 auch in Deutschland anbieten.

Allerdings hat sich die Epicor GmbH laut ihrem Prokuristen Anton Kreutzer aus dem operativen Geschäft in Deutschland zurückgezogen. Das betreibt als Master-Distributor seit April 2002 die E-Solution GmbH, deren CEO ebenfalls Kreutzer ist. Im Rahmen eines Management-Buy-out übernahm er die exklusiven Vertriebsrechte an dem Produktportfolio der Amerikaner. Microsoft-CRM sieht Kreutzer nicht als Wettbewerber: "Wir adressieren den gehobenen Mittelstand. Das ist ein anderes Kundensegment." Doch diese Einschätzung könnte sich für viele Softwarehersteller mit ERP- und CRM-Portfolio als Trugschluss erweisen. Microsoft nimmt den mittelständischen CRM-Markt sowohl von oben als von unten in die Zange. Denn sowohl MS-CRM als auch das Navision-CRM-Modul gehören zu Microsoft Business Solutions.

Für ersteres zieht die Microsoft Business Solutions (MBS) einen eigenen Vertriebskanal ein. Auch bestehende Partner des neuen Microsoft-Geschäftszweigs müssen sich für MS-CRM autorisieren, wenn sie es verkaufen wollen. Die Anzahl der künftigen Wiederkäufer wollte Eduard Dell nicht benennen: "Unsere Anforderungen regulieren das."

www.crm-expo.com

ComputerPartner-Meinung:

Nach außen geben sich die auf Microsoft-Technologie fokussierten Softwarehäuser gelassen. Doch die innere Spannung ist zu spüren. Hinter den Türen bereiten sich Microsoft-ISVs und Solution Provider auf den Markteintritt des Softwaregiganten vor. Zeit dazu haben sie - zumindest hier zu Lande. Denn wie Microsoft-Produktmanager Dell einräumt, kommt das CRM-Paket wohl eher im zweiten als im ersten Quartal 2003 nach Deutschland. (hei)

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