Vor der BGH-Entscheidung

Gebrauchtsoftware: Schnäppchen mit Risiko?

Dr. Oliver Wolff-Rojczyk gehört zur Frankfurter IP/IT Practice Group von FPS Rechtsanwälte & Notare.
Am 17. Juli verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) abschließend über die Rechtmäßigkeit des Second-Hand-Handels von online übertragenen Softwarelizenzen. Die COMPUTERWOCHE hält Sie in den nächsten Tagen auf dem Laufenden und stellt die verschiedenen Standpunkte einander gegenüber. Oliver Wolf-Rojczyk von der Kanzlei FPS Rechtsanwälte und Notare schildert hier die Situation aus der Sicht der Softwarehersteller.

Jahrelang hatten sich der Softwarehersteller Oracle und der Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft darüber gestritten, ob Lizenzen für Oracle-Software "gebraucht" weiterverkauft werden dürfen - bis die höchsten deutschen Richter des BGH schließlich den Fall dem EuGH zur Klärung von drei grundsätzlichen Fragen vorgelegt haben. Die Luxemburger Richter kamen in ihrer Entscheidung vom Juli 2012 (Az. C-128-11) unter Auslegung der europäischen Software-Richtlinie zu dem Ergebnis, dass der Weitervertrieb von gebrauchter Software unter bestimmten Bedingungen zulässig ist. Und zwar unabhängig davon, ob die Software ursprünglich auf einer CD gekauft oder per Download über die Website des Herstellers heruntergeladen wurde.

Schutz digitaler Werke

Da man auch Autos gebraucht weiterverkaufen darf, ohne etwa BMW um Erlaubnis zu bitten, fragt man sich vielleicht, ob dies nicht eine Selbstverständlichkeit ist. Das ist aber nicht der Fall. Denn für Werke, die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt sind, gelten besondere Bedingungen. So darf der Erwerber eines Buches dieses zwar gebraucht verkaufen, er darf es aber nicht vervielfältigen und die Kopie an Dritte weitergeben, ohne vorher den Autor oder den Verlag um Erlaubnis zu fragen. Denn das "geistige Eigentum" eines Urhebers wird rechtlich besonders geschützt. Er soll die Kontrolle darüber behalten, was mit seinem Werk geschieht, damit er für seine Arbeit angemessen entlohnt wird.

Für digitale Produkte wie E-Books, MP3-Musik-Dateien oder Software gilt dies ganz besonders, da sie ohne Qualitätsverlust unendlich oft kopiert werden können und damit von Haus sehr Piraterie-anfällig sind. Aus diesem Grund wurde es beispielsweise dem Unternehmen ReDigi untersagt, über eine Online-Plattform, Apples Musikdateien ("iTunes") "gebraucht" zu verkaufen. Auch dürfen E-Book-Verlage in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen den Weiterverkauf ihrer Werke verbieten. Zu Recht: Denn wer würde sich noch ein E-Book zum Neupreis kaufen, wenn er die Version in identischer Qualität zum halben Preis auch "gebraucht" kaufen kann? Dies könnte für viele Verlage und Autoren existenzbedrohend werden.

Dennoch kam der EuGH für Software, die ebenso wie Bücher auch durch das Urheberrechtsgesetz geschützt ist, zu einem anderen Ergebnis. Nach Ansicht der Luxemburger Richter unterscheide die europäische Softwarerichtlinie nicht zwischen einem Verkauf auf einer CD und einem Online-Vertrieb. Genauso wie ein Käufer einer Software-CD diese weiterverkaufen dürfe, gelte dies für Software, die er sich von der Webseite des Herstellers heruntergeladen habe. Vertragliche Regelungen wie das Weitergabeverbot in den Lizenzverträgen von Oracle könnten dies nicht verhindern, so das Gericht.

Kritik an der Entscheidung des EuGH

Juristisch ist die Entscheidung des EuGH, auch den Weiterverkauf von Download-Software zu erlauben, durchaus angreifbar. So kamen alle deutschen Oberlandesgerichte, die sich mit denselben Fragen beschäftigt haben, zu einer anderen rechtlichen Einschätzung. Ihrer Ansicht nach käme sowohl in der europäischen Software- als auch in der Urheberrechtsrichtlinie der EU deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Urheber schützen wollte. Nur ausnahmsweise dürfe Software ohne Zustimmung des Herstellers weiterübertragen werden - nämlich dann, wenn sie ursprünglich auf einem originalen Datenträger in den Verkehr gelangt sei und kein vertragliches Übertragungsverbot bestehe.

Diese Einschätzung, die auf dem Wortlaut, den Begründungen der EU-Richtlinien und dem Welturheberrechtsabkommen beruht, vertraten auch die EU-Kommission und alle Länderregierungen, die Stellungnahmen vor dem EuGH abgegeben haben. Diese und weitere rechtliche Bedenken gegen eine Freigabe des Second-Hand-Handels wischte der EuGH beiseite, indem er den Verkauf mittels Datenträgern und den Online-Vertrieb als "wirtschaftlich vergleichbar" bezeichnete. Es bleibt also spannend, wie der BGH die Vorgaben des EuGH auf das deutsche Urheberrecht überträgt. Am 17. Juli dieses Jahres findet die Verhandlung zwischen Oracle und UsedSoft statt.

Wirtschaftliche Risiken

Für Käufer und Verkäufer von Software stellen sich aus praktischer und wirtschaftlicher Sicht darüber hinaus noch weitere Fragen: Muss der Hersteller der Software auch dem Gebrauchtkäufer Wartung und Support anbieten? Letzteres ist besonders interessant, da mit einer Softwarelizenz häufig auch Wartungsverträge verbunden sind, die die Pflege und Weiterentwicklung der Software betreffen. Der EuGH hat eine klare Trennlinie zwischen Softwarelizenz und Wartungsvertrag gezogen: So erschöpft sich zwar das ausschließliche Recht des Herstellers zur Verbreitung seiner Software mit dem ersten Verkauf. Dieser Grundsatz gilt aber nicht für den Wartungsvertrag. Die Konsequenz: Die Erwerber von Second-Hand-Software kommen nicht ohne weiteres in den Genuss der Wartung der Software. So sind Softwarehersteller nicht verpflichtet, mit dem Erwerber der gebrauchten Software einen Wartungsvertrag abzuschließen. Zuverlässiger Support und regelmäßige Updates sind aber oft entscheidende Kaufkriterien für Softwarekäufer.

Rechtliche Risiken

Ist der Kauf gebrauchter Software zumindest rechtlich risikolos? Die klare Antwort lautet: Nein, und zwar auch für den Fall, dass der BGH dem EuGH vollständig folgen sollte. Der Nachweis für die legale Nutzung der installierten Software liegt weiterhin allein in der Verantwortung des jeweiligen Anwenders, dies ist rechtlich unumstritten. Er muss jederzeit nachweisen können, dass die von ihm genutzte gebrauchte Software tatsächlich einmal vom Hersteller verkauft wurde. Die gesamte Lizenzkette bis hin zum Hersteller muss belegt werden können.

Jedem Käufer ist daher dringend zu raten, beim Erwerb gebrauchter Software besonders aufmerksam zu sein und die Herkunft und Gültigkeit der angebotenen Lizenzen genau zu prüfen. Dazu sollte er sich von dem Gebrauchtsoftwarehändler den ursprünglichen Lizenzvertrag zwischen dem Hersteller und dem ersten Erwerber für die Lizenzen, die übertragen werden sollen, vorlegen lassen. Nur so kann er sicherstellen, dass ihm eine tatsächlich existierende Lizenz und nicht nur ein "Scheinrecht" verkauft wird. Manche Händler sind zur Vorlage der Verträge aber oftmals nicht bereit, was Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Händlers aufkommen lassen sollte. Und bei selbsterstellten Lizenzurkunden ist ebenfalls größte Vorsicht geboten.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch so genannte Notar-Testate, die von manchen Gebrauchtsoftwarehändlern verwendet werden, als ungeeignet, auch nur ein Minimum an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Der Notar hat in aller Regel den ursprünglichen Lizenzvertrag gar nicht gesehen, und darf rechtlich auch gar nicht die Wirksamkeit des Lizenzübergangs an den Zweiterwerber bestätigen. Deutsche Gerichte haben die Notartestate daher mehrfach als irreführend und rechtswidrig bezeichnet.

Auch dem Weiterverkauf einzelner Lizenzen aus Volumenlizenzpaketen hat der EuGH einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht der Luxemburger Richter ist es nicht zulässig, eine erworbene Volumenlizenz aufzuspalten. Ein als Volumenlizenz gestaltetes Lizenzpaket darf daher nur entweder ganz oder gar nicht weiterveräußert werden. Der Kunde muss daher sicherstellen, dass er nicht einzelne Lizenzen aus einer Volumenlizenz erwirbt.

Ebenso muss der Kunde darauf achten, dass der Gebrauchtsoftwarehändler die angebotene Lizenz nicht schon einem anderen Kunden übertragen hat oder mehr Lizenzen anbietet als zuvor erworben wurden ("aus eins mach zwei"). Denn dies wäre auch nach der EuGH-Entscheidung zweifellos illegal. In zwei anderen Fällen erließen das Landgericht Frankfurt (Az. 2-03 O 88/13) sowie das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 3 O 9251/12) kürzlich einstweilige Verfügungen gegen zwei verschiedene Gebrauchtsoftwarehändler, weil diese Datenträger mit Microsoft-Software zusammen mit nicht dazu gehörigen beziehungsweise verfälschten Echtheitszertifikaten vertrieben hatten. All dies zeigt deutlich, dass die Rechtsprechung des EuGH nicht dafür genutzt werden darf, um unter dem "Deckmantel gebrauchte Software" illegal Lizenzen zu vertreiben.

Eine Frage der Haftung

Jeder der Software nutzt, ist dafür verantwortlich, dass er zur Nutzung auch berechtigt ist. Wenn der Gebrauchtsoftwarehändler eine Lizenz mehrfach verkauft hat oder es gar keine ursprüngliche Lizenz gab, konnte auch der Käufer keine Lizenz erwerben. Er dürfte die Software also nicht nutzen. Selbst wenn der Kunde von seiner fehlenden Berechtigung zur Nutzung nichts weiß, begeht er eine Urheberrechtsverletzung und haftet gegenüber dem Hersteller. Die Folge: Der Käufer darf die Software zukünftig nicht mehr nutzen und muss dem Softwarehersteller Schadensersatz leisten.

Deutsche Gerichte haben immer wieder auch die Geschäftsführer persönlich in die Haftung genommen und zu Schadensersatzzahlungen verurteilt. Sie hätten es versäumt, durch geeignete Maßnahmen für eine ausreichende Lizenzierung zu sorgen. Hat der Geschäftsführer es für möglich gehalten, dass die "gebrauchten" Lizenzen nicht legal waren, drohen ihm sogar strafrechtliche Konsequenzen. In aller Regel stellt eine Unterlizenzierung außerdem einen Verstoß gegen interne IT-Compliance-Regularien der Unternehmen dar.

Fazit

Zwar ist nach dem EuGH der Weiterverkauf von gebrauchter Software unter bestimmten Umständen zulässig. Unabhängig davon, wie der BGH den konkreten Oracle-Fall entscheiden wird, müssen Käufer gebrauchter Software damit leben, dass damit verbundene Wartungsverträge nicht automatisch mit übergehen. Sie sollten zudem die angebotene Lizenz genau überprüfen und keinesfalls selbsterstellte Lizenzurkunden oder Notartestate als Nachweis einer ordnungsmäßen Lizenzübertragung akzeptieren. Ansonsten begehen sie möglicherweise Urheberrechtsverletzungen und sind den Ansprüchen der Hersteller ausgesetzt.

FPS Rechtsanwälte & Notare

FPS Rechtsanwälte & Notare ist eine nach eigenen Angaben unabhängige, auf nationaler Partnerschaft basierende, vollintegrierte Wirtschaftssozietät mit Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Hamburg. Über 120 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notare seien aktuell bei FPS tätig. In der Vergangenheit hat die Kanzlei Softwarehersteller in Verfahren gegen Händler von Gebrauchtsoftware vertreten – beispielsweise Adobe Systems gegen Usedsoft. Im Mai 2011 veröffentlichte FPS Rechtsanwälte und Notare eine Pressemitteilung zu einem Urteil des Landgerichts Frankfurt. In dem Verfahren, in dem die Kanzlei Adobe vertrat, wurde Softwarehändler Usedsoft zu Schadensersatz verurteilt (Az. 2-06 O 428/10).

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