Trotz starkem zweiten Quartal

Getgoods kämpft gegen niedrigen Börsenkurs

23.07.2013
Trotz kräftig steigender Umsätze kennt der Börsenkurs des Elektronikversenders Getgoods seit rund zwei Jahren nur eine Richtung: nach unten. Vor einer Woche sah sich nun sogar Unternehmenschef Markus Rockstädt-Mies zu einer Stellungnahme gezwungen.
"Kursverkauf nicht nachvollziehbar": Getgoods-Chef Markus Rockstädt-Mies
"Kursverkauf nicht nachvollziehbar": Getgoods-Chef Markus Rockstädt-Mies

"Das operative Geschäft verläuft nach Plan und wir sind sehr zufrieden mit den jüngsten Entwicklungen in unserem Onlineshop", so der Getgoods-CEO. Der aktuelle Kursverlauf von Aktie und Anleihe sei für die Unternehmensführung nicht nachvollziehbar.

Der Effekt der ungewöhnlichen Wortmeldung war allerdings beschränkt: Von seinem Tiefststand bei 1,70 Euro erholte sich der Aktienkurs von Getgoods bislang lediglich auf rund 2 Euro. Die Marktkapitalisierung des Elektronikversender liegt damit aktuell bei rund 36 Millionen Euro – wenig für ein Unternehmen, das 2012 einen Umsatz von 402 Millionen Euro erzielte und scheinbar auch die im ersten Quartal aufgetretene Wachstumsschwäche überwunden hat: Laut den Anfang Juli veröffentlichten Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2013 kam Getgoods im zweiten Quartal auf einen Umsatz von rund 141 Millionen Euro, eine Steigerung von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Nicht nur die Aktie von Getgoods, auch die Ende 2012 aufgelegte Mittelstandsanleihe des Elektronikversenders entwickelt sich schwach. Die Suche nach den dafür verantwortlichen Gründen ist schwierig. In einem aktuellen Interview mit dem Bond Magazine erklärt Rockstädt-Mies, möglicherweise hätten einzelne Investoren die Anleihe verkauft, weil sie „anderweitig unter Druck geraten sind, vielleicht durch die Kursentwicklung bei Praktiker“. Verschwörungstheorien sprechen auch von gezielten Spekulationen gegen die Getgoods-Aktie. Deutlich handfestere Anhaltspunkte liefert dagegen die Unternehmensstrategie des Online-Händlers: Mit seinem großen Kapitalbedarf ist Getgoods stark von hohen Wachstumsraten abhängig. Und auch wenn Rockstädt-Mies im ChannelPartner-Interview vor wenigen Wochen eine transparentere Informationspolitik ankündigte, neigt das Unternehmen weiterhin zu sprunghaft wirkenden Aktionen.

So vermeldete Getgoods Ende Juni überraschend die Aufstockung der Unternehmensanleihe um weitere 10 Millionen Euro: Das Angebot habe sich ausschließlich an institutionelle Investoren gerichtet und sei ohne übermäßige Kursabschläge zu einem Durchschnittskurs von 98 Prozent erfolgt. Ob mit Hilfe der Anleiheaufstockung der geheimnisvolle „institutionelle Investor“, der bereits rund 22 Prozent der Aktien an Getgoods hält, seine Stellung weiter ausgebaut hat, wurde nicht mitgeteilt – ebenso wie die Identität des Investors. Dass im Netz weiter Spekulationen über eine Beteiligung von Media-Saturn-Gründer Erich Kellerhals an Getgoods blühen, ist daher wenig überraschend.

Wie viel ist Getgoods wert?

Die Debatte um den schwachen Börsenkurs von Getgoods dreht sich letztlich um die Frage, wie viel das Unternehmen wert ist. Geht es um Mergers & Acquisitions großer Online-Companies wird gerne ein Bewertungsschlüssel zugrundegelegt, der sich zwischen dem 1,5- und 2-fachen des letzten 12-Monats-Umsatzes bewegt. Davon ist Getgoods mit einer Marktkapitalisierung von 36 Millionen Euro bei einem für 2013 anvisierten Umsatz von mindestens 500 Millionen Euro weit entfernt.

Betrachtet man Getgoods im Kontext der deutschen Online-Elektronikhandels-Szene, ist der Kursverlauf des Unternehmens dagegen gar nicht so unrealistisch. Zwar gab es in den vergangenen Jahren spektakuläre Übernahmen wie z.B. Redcoon, für das Media-Saturn 125 Millionen Euro bezahlte (bei einem damaligen Jahresumsatz von rund 400 Millionen Euro), oder die Minderheitsbeteiligung von EP an Notebooksbilliger.de, der eine ähnliche Bewertung zugrundegelegen haben soll. Auf der anderen Seite bezahlte Premiere 2007 für den Online-Händler Home of Hardware lediglich zwischen 5 und 10 Prozent des damaligen Jahresumsatzes und war der bereits in einer Umsatzregion über 20 Millionen Euro angesiedelte Elektronikversender Myby.de dem Handelskonzern Rewe Ende 2009 „nur“ 2,4 Millionen Euro wert. Die Botschaft ist klar: Umsatzsprünge alleine machen ein Unternehmen aus Investorensicht noch lange nicht zum Juwel. (mh)

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