TK-Distributor Brightstar stellt Strafanzeige

Großrazzia bei Getgoods



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Im Rahmen einer Großrazzia wurden gestern die Firmenräume des insolventen Online-Händlers Getgoods sowie die Privatwohnung von Unternehmensgründer Markus Rockstädt-Mies durchsucht. Dabei geht es um eine Strafanzeige von TK-Distributor Brightstar, wonach Getgoods unerlaubt Waren in Millionenhöhe verkauft haben soll.
Seine Tage als Firmenchef von Getgoods dürften - selbst bei einer Rettung des Unternehmens - angesichts immer neuer Vorwürfe gezählt sein: Markus Rockstädt-Mies
Seine Tage als Firmenchef von Getgoods dürften - selbst bei einer Rettung des Unternehmens - angesichts immer neuer Vorwürfe gezählt sein: Markus Rockstädt-Mies

Nach Einleitung einer Untersuchung durch die Finanzaufsicht BaFin und Abklärungen im Rathaus der Stadt Frankfurt/Oder interessiert sich nun auch die Staatsanwaltschaft für den insolventen Online-Händler. Wie die Märkische Oderzeitung berichtet, haben am gestrigen Montag fünf Staatsanwälte sowie drei Dutzend Beamte des Landeskriminalamtes die Firmenräume von Getgoods, aber auch die Privatwohnung von Unternehmens-Chef Markus Rockstädt-Mies durchsucht.

Hochinteressant für die Gründe der Insolvenzanmeldung von Getgoods – aber auch für das Geschäftsmodell des Online-Händler – ist der Anlass für die Durchsuchungen: So hat der US-amerikanische TK-Distributor Brightstar bereits Mitte vergangener Woche – also noch vor Bekanntwerden der Zahlungsunfähigkeit von Getgoods – eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder eingereicht. Dabei geht es um den Vorwurf, Getgoods habe insgesamt 192.000 bei dem Online-Händler lagernde Mobiltelefone verkauft, sei dazu allerdings nicht berechtigt gewesen, da diese dem Elektronikversender zum fraglichen Zeitpunkt nicht gehörten. Insgesamt soll es sich um ein Umsatzvolumen von mehr als 50 Millionen Euro handeln.

Der Zeitpunkt der Strafanzeige deutet darauf hin, dass das Zerwürfnis zwischen Getgoods und Brightstar der unmittelbare Auslöser für die Insolvenz des Online-Händlers gewesen sein könnte. Zum anderen erhalten dadurch Einschätzungen, bei Getgoods handele es sich zu großen Teilen um einen Trader bzw. Subdistributor, zusätzliche Plausibilität. Denn die Tatsache, dass Brightstar bei einem Online-Händler – der selbst bereits mit knappen Lagerkapazitäten kämpft – unbezahlte Ware im Wert von 50 Millionen Euro einlagert, ist alles andere als alltäglich. Getgoods-Chef Rockstädt-Mies arbeitete vor der Gründung des Elektronikversenders als Director Key Account Management bei der damaligen Tech-Data-Tochter Brightstar. Mitte 2012 übernahm Tech Data das Europageschäft von Brightstar und führt dieses seitdem unter dem Namen Tech Data Mobile weiter. Wie aus den aktuellen Berichten hervorgeht, arbeitete Getgoods allerdings offensichtlich weiter mit der amerikanischen Konzernmutter Brightstar Corp., dem nach eigenen Angaben weltgrößten Mobile-Distributor, zusammen.

Getgoods-Chef äußert sich zur Insolvenz

In einem Video-Interview mit der Märkischen Oderzeitung äußerte sich Getgoods-Chef Rockstädt-Mies nun auch erstmals nach der Insolvenz seines Unternehmens öffentlich. Dabei machte der Unternehmer allerdings keinen besonders souveränen Eindruck und schwankte zwischen altbekannten Durchhalteparolen (man habe sich nichts zuschulden kommen lassen, Verhandlungen mit Investoren seien bereits fortgeschritten, könnten aber durch die aktuellen Ermittlungen gefährdet werden) und Ausflüchten zu konkreten Details (zur Frage der Insolvenzverschleppung könne man aufgrund laufender Vorgänge nicht sagen, Getgoods müsse nun erst einmal mehr Transparenz herstellen, usw.).

Mutmaßlich ungewollt informativ sind die Ausführungen von Rockstädt-Mies zum Thema Brightstar. So spricht der Getgoods-Chef von einer „ Vertragsmodulation durch Brightstar“ und etwas wirr von einer „Thematik, die gerne über solche Themen geregelt werden soll“. Der Firmengründer liefert damit Gerüchten Nachschub, wonach es bei den aktuellen Turbulenzen auch darum gehe, dass einzelne Gesellschafter versuchten, Rockstädt-Mies loszuwerden. Zudem erwähnt der Getgoods-Chef in dem Interview aus eigenem Antrieb heraus den Paragraphen 400 des Aktiengesetzes. Darin geht es um die „unrichtige Darstellung“ von Verhältnissen einer Gesellschaft – Vorwürfe, die sich angesichts der von Brightstar zur Anzeige gebrachten Tatbestände, nun auch für den Online-Händler und seinen Unternehmens-Chef als relevant erweisen könnten. (mh)

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