"In Europa bestimmen wir den Marktauftritt"

3Com: Ein schwacher, aber belebender Schimmer

11.06.2008
Der einstige Cisco-Konkurrent 3Com beansprucht nach längerer Sinn- und Existenzsuche im Enterprise- und SMB-Markt wieder zu den Großen der Netzwerkzunft zu gehören. Eine aktuelle Analyse.

Von Wolfgang Leierseder

Es ist nicht so, dass Netzwerker 3Com seine Übernahme durch den US-Investor Bain Capital und den chinesischen Joint Venture-Partner und TK-Ausrüster Huawei nicht mit aller Macht betrieben hätte. Das seit 2003 in Marlborough, Massachusetts, ansässige Unternehmen setzte sich mit allen, insbesondere dem amerikanischen Verteidigungsministerium, ins Benehmen, um die nationale Behörde, die Sicherheitsbedenken gegen den Verkauf geltend machte, da das US-Militär Sicherheitslösungen des Netzwerkers einsetzt, umzustimmen; die 3Com-Aktionäre begrüßten die 2,2 Milliarden Dollar teure Übernahme enthusiastisch, und Bain und Huawei versicherten mehrmals, sie würden alles tun, um 3Coms Security-Tochter Tipping Point aus dem Unternehmen herauszulösen und so dafür zu sorgen, dass Huawei, von 2003 bis November 2007 Joint Venture-Partner des Gemeinschaftsunternehmens H3C mit Sitz im chinesischen Hangzhou, nicht in den Besitz von Security-Geheimnisse käme.

Das alles beruhigte die US-Behörde nicht. Ende März dieses Jahres bliesen die drei Unternehmen die Übernahme ab, und 3Com, rund 6.300 Mitarbeiter zählend, war wieder auf sich allein gestellt.

Dass das im Sinne des Netzwerkers war, behauptet Jörg Kracke, Geschäftsführer von 3Com Deutschland, keineswegs. Kracke, seit Anfang 2005 in dieser Position und damit seit 2001 der erste Geschäftsführer, der sich länger als zwei Jahre auf diesem 3Com-Stuhl gehalten hat, erklärt gegenüber ChannelPartner vorsichtig: "Mit Bain wäre die Entwicklung neuer Produkte schneller gegangen."

3Com-Geschäftsführer Jörg Kracke: "Wir positionieren uns als Vollsortimenter bei Unternehmen."

So aber müsse das Unternehmen in Märkten, die es als sehr aussichtsreich erachte, nämlich IP-Video und -Speicherprodukte, mit eigenen Mitteln agieren. Über diese verfügt 3Com jedoch nicht ausreichend. Denn der fast 900 Millionen Dollar teure Kauf von 3HC im November 2007 erschöpfte die Barmittel. Im Moment verfügt 3Com lediglich über etwas mehr als eine halbe Milliarde Dollar Reserven. Angesichts der ausschließlich verlustreichen letzten Jahre keine ermutigende Situation möglichen Kreditgebern gegenüber.

3Coms Fehler sind zahlreich

Aber nicht nur die Finanzreporte zeigen, dass 3Coms Geschäfte schwierig sind. Das Unternehmen selbst hat über die Jahre Einiges dazu beigetragen:

Auf der keineswegs vollständigen Liste der hausgemachten Fehler steht der plötzliche Ausstieg aus dem Enterprise-Geschäft im Jahr 2001. Sie beinhaltet verfehlte Produktstrategien, etwa bei VoIP-Lösungen und Internet-Gadgets, sowie die vierjährige, seit 2003 ausschließlich verfolgte Enterprise-Strategie von H3C, die zur deutlichen Vernachlässigung des "Run-Rate"- und SMB-Geschäftes führte, wie ehemalige Partner gegenüber ChannelPartner kritisierten. Nicht zuletzt ist der jahrelange massive Personalabbau, weltweit und hierzulande, zu nennen.

Dass man sich jedoch im personalintensiven Projektgeschäft mit drei Dutzend Mitarbeitern nur mühsam behaupten kann, ist offensichtlich. Die Konsequenz: Die wenigen Gold- und Silber-Partner lehnten sich zwangsläufig immer enger an den Marktführer Cisco an - und die Projektdistributoren beklagten sich in den USA, in Deutschland und anderswo über ausbleibende Geschäfte. "Sie setzen das Partnerprogramm nicht so um, wie wir uns das gedacht haben", klagte ein Distributor Mitte 2007 gegenüber ChannelPartner.

Das alles weiß Kracke. Und er weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man sich andauernd im Rückwärtsgang bewegt. "Wir hatten den Kontakt zu Partner verloren", blickt er auf Jahre 2005 bis Mitte 2007 zurück.

In 3Coms Firmensitz in Marlborough, Massachusetts, arbeiten noch 400 Mitarbeiter. Hingegen 4.000 in dem neuen Hauptquartier Hangzhou.

Doch weil er seitdem wieder den Boden unter den Füßen 3Coms sieht, zumal nachdem die "Neubestimmung" des Netzwerkers als "internationales, nicht mehr vor allem amerikanisches Unternehmen" vollzogen sei, argumentiert er wieder offensiv. "3Com hat seine Hausaufgaben gemacht". Durch den Wechsel an der Führungsspitze - statt Edgar Masri gibt jetzt der Chinaveteran Robert Mao von dem neuen Hauptquartier Hangzhou aus die Strategien vor, der neue amerikanische Statthalter Ronald Sege aber berichtet an Mao - sei das deutlich geworden. "3Com hat etwas getan, was andere Unternehmen auch noch machen werden", prophezeit Kracke.

3Com Deutschland - ein Fall für sich

Was die europäischen Geschäfte angeht, die wie schon 2006 auch im letzten Fiskaljahr mehr Umsatz als der nordamerikanische Kontinent erwirtschafteten, sagt Kracke, er, seine fünf regionalen Mitstreiter und Europachef Mike Ansley hätten "die Verantwortung für Produkte". Mit anderen Worten: 3Com Europa steuere die "Go to market"-Strategie - was im Fall der VoIP-Produkte NBX und dem umstrittenen Nachfolger VCX etwa heißt, sie werden "lokalisiert" ausgeliefert Und nicht mehr als US-Produkt ohne europaspezifische Besonderheiten wie ISDN.

Das Nämliche gilt für das verunglückte Outsourcing des SMB-Supports. Der "mäßige Erfolg" (Kracke) hatte 3Com im Oktober 2007 veranlasst, europaweit den Support wieder ins Haus zurückzuholen. Das war dem Unternehmen sogar eine eigene Meldung wert. Jetzt spricht Kracke von einem "Erfolg". Die Kundenzufriedenheit, so hätten die hauseigenen Messungen ergeben, sei wieder "sehr gut".

Auch den Vorwurf, das "Run Rate"-beziehungsweise Small and Medium Busimess-Geschäft (SMB) über die Distribution vernachlässigt zu haben, will er so nicht stehen lassen: "Es ist uns nach wie vor wichtig." So seien die Umsätze mit Produkten wie Acces-Switches (4500 und drunter) sowie die "Office Connect"-Router im letzten Jahr "einstellig gewachsen" - das belege, dass 3Com diese Geschäfte nicht - mehr -vernachlässige. Doch man müsse sich klar machen, dass ganze Komponentenbereiche längst selbstverständlich ("commodity") seien, so dass in diesem Segment weder der Hersteller noch die Partner mit guten Margen rechnen könnten. Diese Entwicklung sei "unumkehrbar" - wie das Geschäft mit Netzwerkkarten zeige, aus dem sich 3Com, einst Marktführer, gerade verabschiedet.

"Wir sind ein Vollsortimenter"

Dass die Hauptarbeit 3Coms im Projektgeschäft mit Unternehmen liegen muss, steht für Kracke und seinen Vorgesetzten unbestritten fest. Dafür hat 3Com das Joint Venture H3C gegründet, dafür werden Produkte entwickelt, etwa Edge-Router für Tk-Anbieter und große Unternehmen oder die offene Netzplattform OSN (Open Services Networking), für die 3Com Third Party-Anbieter und Applikationen sucht, und diese Strategie zu verfolgen, sei auch die einzige Möglichkeit, das Partnergeschäft zu entwickeln. "Wir positionieren uns als Vollsortimenter bei Unternehmen", fasst der Geschäftsführer die Absichten zusammen.

Wie gesagt: Eine mehr als schwierige Aufgabe. Im Projektgeschäft muss man bei den Partnern "quasi auf dem Schoß sitzen", wie ein ehemaliger Partner anmerkte, damit man gegenüber dem übermächtigen Konkurrenten Cisco, aber auch Netzwerkern wie Alcatel-Lucent, HP Procuve oder Nortel, zu Geschäften und Wachstum kommt.

Auch das weiß Kracke. 3Com Deutschland stelle wieder Leute ein, und um das Projektgeschäft zu erweitern, setze der Netzwerker auf "aktive Partner, die von sich aus tätig werden" (Kracke).

Mit so manchem Erfolg. So erklärte ein relativ neuer Gold-Partner, seine Umsätze mit 3Com würden deutlich wachsen. Ein anderer Partner jedoch, "früher einer der größten 3Com Partner in Deutschland", bezweifelt diese Aussage. Er will 3Com "die Treue halten, solange wir Bestandskunden haben", erklärte er. Mehr nicht? "Mehr nicht!"

Er findet nämlich nach all den Jahren, in denen 3Com "alle sechs Monate eine neue Strategie´" ankündigte, dass das Unternehmen ein "Glaubwürdigkeitsproblem" habe - "bei Partnern und Kunden". Auch wenn Kracke sagt: "Wir haben seit vier Jahren alles eingehalten."

Man sieht, die Beschäftigung mit 3Com bringt verschiedene Ansichten hervor, unabhängig davon, was der Netzwerker gerade sagt. Und genau das ist das Problem Krackes: Was er sagt, wird verschieden gehört und verstanden. Darüber hat er derzeit keine Kontrolle. (wl)