Studie von Roland Berger

5-Punkte-Plan für Cloud Computing

11.07.2012 von Holger Eriksdotter
Roland Berger gibt Politik und Anbietern Tipps, wie Europa bei Cloud Computing besser dastünde.

Roland Berger gibt Politik und Anbietern Tipps, wie Europa bei Cloud Computing besser dastünde.
von Holger Eriksdotter, CIO

Unter Analysten, Anwendern und Anbietern gilt es als ausgemacht, dass Cloud Computing sowohl die Nutzung von Informationstechnologie als auch die Anbieterlandschaft nachhaltig verändern wird. Das ist der Ausgangspunkt der Studie „Survival of the Fittest – Wie Europa in der Cloud eine führende Rolle übernehmen kann”, die Roland Berger Strategy Consultants und die SAP AG gemeinsam verfasst haben.

Amerikanische Cloud-Anbieter liegen vorn

„Dieser Richtungswechsel erschüttert das in der Welt der IT-Lösungen für Unternehmen aktuell vorherrschende Paradigma in ganz ähnlicher Weise wie vor ein paar Jahren Client/Server-Lösungen die etablierte Mainframe-Technologie“, schreibt Roland-Berger-Partner und Studienautor Carsten Rossbach. Cloud Computing leite einen Paradigmenwechsel entlang der gesamten Wertschöpfungskette für IT-Lösungen ein und wirke sich insbesondere für die Anbieter von Software und Hardware aus.

Carsten Rossbach, Partner bei Roland Berger und Autor der Studie, warnt: "Im Anbietermarkt wird es Gewinner und Verlierer geben."
Foto: Roland Berger

Denn auf der Anbieterseite verändert Cloud Computing die Art und Weise, wie IT-Lösungen entwickelt, vertrieben, betrieben und kontinuierlich aktualisiert werden. Für die Anwender stellt Cloud Computing neue Möglichkeiten für Kauf, Betrieb und Wartung dieser Ressourcen bereit. Dabei eröffnet Cloud Computing den Anbietern und Herstellern vielfältige neue Chancen – die sie auch tunlichst ergreifen sollten. „Es spricht einiges dafür, dass die Evolution der Cloud insbesondere für die etablierten ICT-Player zu einer Bewährungsprobe wird, bei der sich am Ende Gewinner und Verlierer herauskristallisieren“, warnt Rossbach.

Im Moment sähe es noch so aus, als sei das Thema Cloud fest in der Hand globaler IT-Anbieter US-amerikanischer Herkunft. Dieser Eindruck entsteht durch zwei Faktoren. Erstens: Im Consumer-Segment kommen die meisten bekannten Cloud-Anwendungen aus den USA. Zweitens: Im Infrastrukturbereich dominieren ebenfalls US-amerikanische Anbieter.

Cloud Computing - Markt und Meinungen
Cloud-Markt in Deutschland 2012 bis 2017: Investitionen und Ausgaben nach Segmenten (B2B) in Millionen Euro
Quelle: Experton Group 01/2013
Cloud-Technologien: Marktanteile in Deutschland 2013 (1,55 Milliarden Euro)
Quelle: Experton Group 01/2013
Das treibt Unternehmen in die Cloud:
mangelnde eigene IT-Ressourcen, Wunsch, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen Wunsch nach Kostensenkung; schnellere Bereitstellungs- und Evaluierungszeiten (Druck aus Fachabteilungen); mehr Flexibilität; bessere Arbeitsabläufe; Verantwortung für IT-Betrieb stärker auf den Anbieter verschieben

„Zwar sind IaaS-Angebote eine wichtige Säule des Cloud Computing. Mittel- bis langfristig ist Infrastruktur jedoch ein Commodity, das nur vergleichsweise niedrige Margen ermöglicht“, sagt Rossbach. Eine deutliche höhere Wertschöpfung verspreche der Markt für PaaS und SaaS, der noch keineswegs verteilt sei. Hier sieht er die größten Chancen der europäischen ICT-Industrie. Sie sollte innovative und auf den Markt zugeschnittene Services im Premiumsegment entwickeln, also überdurchschnittliche Qualität bei der Sicherheit und bei den Anforderungen an den Datenschutz bieten.

Noch fehlen einheitliche Rahmenbedingungen

Um die Voraussetzungen für eine europäische "Premium Cloud Umgebung" zu schaffen, bedarf es einer Vielzahl von Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen.
Foto: Roland Berger

Der weltweite Markt ist riesig und wächst rasant. Von rund 21,5 Milliarden Dollar im Jahre 2010 soll der weltweite Umsatz mit Cloud-Services bis 2015 auf 73 Milliarden Dollar ansteigen. Auf dem Weg dahin könnten – konservativ geschätzt - jährlich 70.000 neue Arbeitsplätze rund um das Cloud-Geschäft entstehen. „Von diesem Wachstum können europäische ITK-Anbieter deutlich profitieren“, schreibt Rossbach. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass sie eigene Aktivitäten starten und die europäische Politik die richtigen Rahmenbedingungen dafür schafft.

Dafür sei es vor allem nötig, dass europäische ITK-Anbieter eng mit Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten, um die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Cloud Economy festzulegen. "Anwender bemängeln derzeit besonders das Fehlen von einheitlichen technischen, juristischen und wirtschaftlichen Standards für das Cloud Computing", sagt Rossbach. "Dies gilt etwa für den Datenschutz, der heute noch keinem europaweiten Standard unterliegt. Der europäische Datenschutz darf jedoch keine Bürokratieängste schüren, sondern muss zu einem Gütesiegel für "Made in Europe" werden."

In der Studie hat er die dafür notwendigen – oder wünschenswerten – Schritte in einem 5-Punkte-Programm formuliert:

1. Einheitlichen EU-Rechtsrahmen für Cloud Services schaffen
Die EU kann gesetzgeberisch und regulatorisch tätig werden, indem sie Datenschutz und Datensicherheit harmonisiert. Sie kann außerdem den digitalen EU-Binnenmarkt fördern, damit Cloud Services leichter grenzüberschreitend angeboten werden können.

2. "European Cloud Gold Standard" unterstützen
Die Industrie sollte einen "European Gold Standard" für Cloud Computing vorantreiben. Die EU und nationale Regierungsstellen können die Entstehung und Akzeptanz eines solchen Standards unterstützen, indem sie Anforderungen öffentlicher Verwaltungen in Europa harmonisieren und in Bezug auf den Goldstandard definieren, nationale Datenschutz- und Sicherheitsbehörden den Standard anerkennen, in Rechtstexten darauf verweisen und den Standard bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen berücksichtigen.

3. Cloud in der Forschung fördern
Die Cloud Economy ist ein zeitkritisches Innovationsthema. Dieses gilt es zentral anzustoßen und in die Breite zu tragen. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten deshalb Cloud Computing zu einer Priorität von öffentlichen F&E-Programmen machen. Ein Schwerpunkt sollte darauf liegen, wie Cloud-Ökosysteme und "Centers of Gravity" in Europa entstehen. Themen wie Interoperabilität, Skalierbarkeit und Datensicherheit bieten hier erste Ansatzpunkte.

4. Cloud Computing bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen unterstützen:
Cloud Computing kann gerade KMU entscheidende Vorteile bieten. Sie sind das Herz der europäischen Wirtschaft. Nutzen sie die Cloud effektiv, stiege Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa. Die Studienautoren empfehlen, ein EU-weites Programm aufzulegen, um die Nutzung von Cloud Computing durch KMU zu fördern. Steuerliche Vorteile, Schulungen und ein EU-Portal zum Austausch von Best Practices könnten mögliche Maßnahmen sein.

5. Öffentliche Hand als Pionieranwender
Der öffentliche Sektor ist der größte Einkäufer von IT-Produkten und -Services in Europa. Setzen alle öffentlichen Institutionen Cloud Services ein, stiege die Marktdurchdringung erheblich. Mögliche Maßnahmen wären die Entwicklung eines Cloud-Beschaffungsleitfadens, finanzielle Anreize für innovative Projekte, eine europäische Plattform für den Austausch von Best Practices sowie die Anpassung der Haushaltsplanung an Cloud Computing.

Politik und Wirtschaft in der Pflicht

„Angesichts der strategischen Bedeutung stehen Politik und Wirtschaft in der Pflicht, eine führende Cloud-Industrie aufzubauen“, appelliert Studienautor Rossbach an die Verantwortlichen. „Denn nur mit einer gemeinsamen Anstrengung lassen sich die erwünschten Wachstumseffekte auf volkswirtschaftlicher und unternehmerischer Ebene – innerhalb wie außerhalb der ICT-Industrie – realisieren.“