Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess und die Folgen

24.12.2007
Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn erklärt, ob die Einigung ein Auslöser für eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld sein kann.

Die überwiegende Anzahl aller Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht endet mit einem Vergleich des Inhalts, dass der Arbeitnehmer eine ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung akzeptiert, wohingegen der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer im Gegenzug eine bestimmte Abfindungssumme für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt.

Auf der anderen Seite bestimmt der § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, dass die Bundesagentur für Arbeit den Arbeitnehmer beim Bezug des Arbeitslosengeldes für die Dauer von bis zu 12 Wochen sperren kann, sofern der Arbeitnehmer sich aus dem Arbeitsverhältnis gelöst hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Heißt das nun, dass jeder Abfindungsvergleich automatisch zu einer Sperrzeit führt, denn der Arbeitnehmer löst sich ja schließlich aktiv durch die Annahme des gerichtlichen Vergleichs von seinem Arbeitsverhältnis?

Das Bundessozialgericht hat im Jahre 2003 entgegen der bis dahin geltenden Rechtslage geurteilt, dass grundsätzlich auch im Falle eines Abwicklungsvertrages (d. h. bei einer Beendigungseinigung der Parteien nach Ausspruch einer arbeitsrechtlichen Kündigung) eine Sperrzeit eintreten kann (BSG, Urteil vom 18.12.2003, Az.: B 11 AL 35/03 R). Bislang war jedoch nicht eindeutig geklärt, ob von diesem Grundsatz wiederum eine Ausnahme für den Fall des Abschlusses eines Prozessvergleichs zu machen ist. Denn in der Praxis haben die Arbeitsagenturen bislang zumeist auf die Verhängung einer Sperrzeit verzichtet, sofern das Arbeitsverhältnis im Wege eines gerichtlichen Vergleichs beendet worden ist.

Nicht so jedoch in dem vom BSG am 17.10.2007 zu entscheidenden Fall, bei dem der Arbeitgeber des Klägers das langjährige Arbeitsverhältnis im März 2001 außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 30.09.2001 gekündigt hatte. In dem daraufhin geführten Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen arbeitsgerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis am 30.09.2001 enden und der Kläger eine Abfindung in Höhe von 95.000,- DM erhalten sollte. Als der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zahlung von Arbeitslosengeld beantragte, verhängte die Arbeitsagentur gegenüber dem Kläger eine Sperrzeit wegen der Arbeitsaufgabe.

Das Sozialgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab, während das Landessozialgericht die Arbeitsagentur zur Zahlung von Arbeitslosengeld ohne eine Sperrzeit verurteilte. Nach Ansicht des Landessozialgerichts sei eine Sperrzeit nicht eingetreten, weil der Abschluss eines Vergleichs auf Vorschlag des Arbeitsgerichts keine Lösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III darstelle.

Die von Seiten der Bundesagentur für Arbeit hiergegen erhobene Revision vor dem Bundessozialgericht führte nun dazu, dass das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und zur erneuten Überprüfung an das Landessozialgericht zurückverwiesen worden ist. In der Entscheidung vom 17.10.2007 stellten die Richter des BSG klar, dass sich der Kläger zwar durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom Beschäftigungsverhältnis "gelöst" habe. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass für den Kläger hierzu ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zur Seite gestanden habe.

Nach der Ansicht der Richter des BSG könne es einem Arbeitnehmer generell nicht zum Nachteil gereichen, wenn er zunächst gegen eine arbeitsrechtliche Kündigung vorgeht und dann im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klage zurücknimmt oder einen Vergleich schließt. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass kein Arbeitnehmer verpflichtet sei, gegen eine Kündigung gerichtlich vorzugehen. Die Richter des BSG stellten daher den Grundsatz auf, dass ein gerichtlicher Vergleich, der die Arbeitslosigkeit nicht zu einem früheren Zeitpunkt herbeiführt, keine Sperrzeit auslöst. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei allerdings dann zu machen, sofern im Einzelfall Anhaltspunkte vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein Umgehungsgeschäft vorliegt (BSG, Urteil vom 17.10.2007, Az.: B 11a AL 51/06 R).

Das bedeutet folgendes: die grundsätzlich bestehende sperrzeitrechtliche Privilegierung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs entbindet also letztlich nicht von einer genauen Prüfung der Umstände seines Zustandekommens. Die Arbeitsagenturen haben daher auch im Falle eines gerichtlichen Vergleichs zu prüfen, ob Anhaltspunkte für ein Umgehungsgeschäft vorliegen. Ein solches Umgehungsgeschäft wird unter Umständen dann anzunehmen sein, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien untereinander einvernehmlich darüber verständigen, eine rechtswidrige Arbeitgeberkündigung zwar "pro forma" mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen, dies jedoch allein mit dem Ziel, im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen Vergleich zu schließen, um so den Eintritt einer Sperrzeit zu verhindern.

Da das Landessozialgericht im vorliegenden Fall das Bestehen solcher Anhaltspunkte für ein Umgehungsgeschäft in seiner Entscheidung nicht geprüft hat, musste der Rechtsstreit für diese weitergehenderen Feststellungen zurückverwiesen werden.

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