Gesetze beachten

Abmahnungen

03.06.2010
Warum Abmahnungen eine große praktische Bedeutung im Arbeitsleben haben, sagt Armin Rudolf.

Abmahnungen haben eine große praktische Bedeutung im Arbeitsleben. Hier die Einzelheiten:

1. Begriff/Praktische Bedeutung

Die Abmahnung stellt ein Mittel dar, den Vertragspartner auf die Verletzung vertraglicher Pflichten hinzuweisen. Dieser Hinweis arbeitsvertragswidrigen Fehlverhaltens erfolgt mit dem Ziel, in Zukunft weitere Vertragsverstöße zu vermeiden. Die Abmahnung ist in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich normiert. Weil vor dem Ausspruch einer Kündigung, die auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gestützt wird, regelmäßig eine Abmahnung des Arbeitnehmers notwendig ist, stellt die Abmahnung eine "Vorstufe" zur Kündigung dar und hat demgemäß eine große praktische Bedeutung.

2. Funktionen der Abmahnung

Folgende Funktionen erfüllt eine Abmahnung:

a) Rüge- und Dokumentationsfunktion

Von einer Abmahnung im Rechtssinne kann nur gesprochen werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnt und ihn auffordert, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben. Nur dann weiß der Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als nicht vertragsgemäß ansieht und dies künftig nicht mehr hinnehmen wird. Der Arbeitgeber erfüllt die mit einer Abmahnung verbundene Rüge- und Dokumentationsfunktion nur dann, wenn er dem Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinreichend genau aufzeigt und darauf hinweist, welches genau bezeichnete Verhalten des Arbeitnehmers er als Pflichtverletzung wertet.

b) Warnfunktion

Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber ausdrücklich den Begriff "Abmahnung" verwendet. Eine Abmahnung liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Diese kündigungsrechtliche Warnfunktion gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung. Die kündigungsrechtliche Warn- und Ankündigungsfunktion erfordert aber nicht das Inaussichtstellen von bestimmten kündigungsrechtlichen Maßnahmen. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer durch eine zur Abmahnung berechtigte Person eindeutig und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass bei wiederholten Leistungsmängeln der gerügten Art der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Tipp:

Der Ausspruch einer Abmahnung ist grundsätzlich formfrei möglich, soweit keine einzel- oder kollektivrechtlichen Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben. Eine Abmahnung kann daher grundsätzlich auch mündlich ausgesprochen werden. Aus Beweisgründen ist aber dringend zu empfehlen, die Abmahnung schriftlich zu erteilen und sie auch ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Den Erhalt des von der abmahnenden Person handschriftlich unterzeichneten Originals sollte sich der Arbeitgeber vom Empfänger unter Angabe von Ort und Datum auf einer Fotokopie der Abmahnung quittieren lassen.

3. Keine "Strafe"

Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll letztlich der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten als so schwerwiegend ansieht, dass er kündigungsrechtliche Konsequenzen ergreifen würde. Hat der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klarstellung gegenüber seinem Arbeitnehmer die Möglichkeit solcher Einwände ausgeräumt, so liegt eine ausreichende Abmahnung vor.

Die Abmahnung soll daher nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten darstellen.

4. "Erziehungsgedanke" der Abmahnung

Die Abmahnung dient als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Erst wenn mit der Vertragserfüllung nicht mehr gerechnet werden kann, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Das deutsche Arbeitsrecht hat daher selbst in den Bereichen der Abmahnung sowie der Kündigung keinen Strafcharakter für die Vergangenheit, sondern ist ausschließlich in die Zukunft gerichtet. Deshalb kann man zusammenfassend sagen, dass der "Erziehungsgedanke" im Vordergrund steht.

5. Abmahnungsberechtigte

Zur Abmahnung berechtigt sind nicht nur kündigungsberechtigte Personen wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG, sondern alle Vorgesetzten, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind, dem betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung verbindliche Anweisungen zu erteilen.

Hinweis:

Abmahnungsberechtigt sind demgemäß nicht nur die Dienstvorgesetzten, die zu Personalentscheidungen befugt sind, sondern auch bereits die Fachvorgesetzten.

6. Beteiligung des Betriebsrats

Der Betriebsrat muss vor einer Abmahnung weder angehört noch unterrichtet werden. Er darf daher weder verlangen, dass ihm eine Kopie der Abmahnung ausgehändigt wird, noch kann er von sich aus die Abmahnung in der Personalakte einsehen.

Hinweis:

Vor Ausspruch einer Kündigung ist der Betriebsrat gem. § 102 BetrVG zu hören. Wird die Kündigung auf arbeitsvertragswidriges Fehlverhalten gestützt, so hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch über erfolgte Abmahnungen sowie über die Reaktionen des Arbeitnehmers hierauf zu unterrichten.

7. Erklärungsfrist für den Ausspruch einer Abmahnung

Für den Ausspruch einer Abmahnung besteht keine feste Ausschlussfrist. Das Recht zum Ausspruch einer Abmahnung kann aber nach längerem Zuwarten verwirken.

Tipp:

Arbeitgeber sollten die Abmahnung zeitnah nach der Feststellung des arbeitsvertragswidrigen Fehlverhaltens aussprechen. Anderenfalls könnte der betroffene Arbeitnehmer behaupten, es sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, aufgrund dessen er nicht mehr mit dem Ausspruch einer Abmahnung habe rechnen müssen.

8. Wirkungsdauer einer Abmahnung

Eine wirksame Abmahnung kann allein aufgrund des Zeitablaufs unwirksam werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich längere Zeit vertragskonform verhalten oder der Arbeitgeber weitere Pflichtverletzungen unbeanstandet hingenommen hat. Ob bei erneutem, identischem Fehlverhalten des Arbeitnehmers der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung gerechtfertigt ist oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine weitere Abmahnung erteilt werden muss, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles, insbesondere von der Dauer des reibungslosen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, der Schwere des Verstoßes usw. ab.

9. Mehrere Abmahnungen

Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn die Kündigung jahrelang nur angedroht, letztlich aber nicht ausgesprochen wird.

Hinweis:

Gerade bei für sich genommen geringfügigeren Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers mit einem hohen sozialen Besitzstand befindet sich der Arbeitgeber in einem Konflikt. Er muss zum einen damit rechnen, dass möglicherweise eine einzige Abmahnung nicht ausreicht, um den Arbeitnehmer hinreichend zu warnen, dass er bei weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Sind jedoch mehrere Abmahnungen erforderlich, so droht andererseits beim Ausspruch zu vieler Abmahnungen der Verlust des Kündigungsrechts, weil ein "Gewöhnungseffekt" eingetreten ist. Ein Arbeitgeber läuft daher stets Gefahr, dass ihm ein Arbeitnehmer entweder entgegenhält, er sei zu oft, oder er sei zu selten abgemahnt worden.

Tipp:

Arbeitgeber sollten für den Fall, dass sie bei relativ geringfügigen Pflichtverletzungen zahlreiche Abmahnungen ausgesprochen haben, so dass deren Warnfunktion abgeschwächt wurde, die letzte Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten. In welcher Form dies geschehen sollte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Unter Umständen kann es bereits genügen, wenn die Abmahnung in besonders hervorgehobener Weise im Text als "letztmalige Abmahnung" bezeichnet wird.

Arbeitgeber sollten zudem immer nur ein konkretes Fehlverhalten abmahnen. Werden in einer Abmahnung nämlich mehrere Verhaltensweisen bemängelt und stellt sich in einem späteren Kündigungsschutzprozess heraus, dass bei nur einem Sachverhalt tatsächlich kein arbeitsvertragswidriges Fehlverhalten vorlag, so wäre hierdurch die gesamte Abmahnung unwirksam.

10. Kündigungsverzicht

Entscheidet sich ein Arbeitgeber aufgrund eines Pflichtverstoßes eines Mitarbeiters zum Ausspruch einer Abmahnung, so ist er an diese gebunden. Diese Bindung des Arbeitgebers an die von ihm ausgesprochene Abmahnung bedeutet, dass er nicht mehr allein wegen des von ihm gerügten Verhaltens eine Kündigung aussprechen kann. Er hat vielmehr mit der Abmahnung auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Nur die vergebliche Abmahnung kann für eine Kündigung herangezogen werden. Ohne einen weiteren Vertragsverstoß nach erfolgter Abmahnung kann daher nicht verhaltensbedingt gekündigt werden.

11. Kündigungsmöglichkeit

Setzt ein Arbeitnehmer trotz erfolgter Abmahnung sein vertragswidriges Verhalten fort, so darf der Arbeitgeber ihm entweder eine weitere Abmahnung erteilen oder ihn zur Vermeidung einer Kündigung gegebenenfalls im Wege einer Änderungskündigung oder einer Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz umsetzen. Der Arbeitgeber kann aber auch bereits eine außerordentliche oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, sofern der erneute Verstoß des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten ausreichendes Gewicht hat. Es muss jedenfalls ein gleichartiger Pflichtenverstoß mit gleichem Unrechtsgehalt vorliegen.

Es gibt zwar keine feste Regel, nach der vor einer Kündigung notwendigerweise mehrere Abmahnungen erteilt werden müssten. Es kommt insoweit vielmehr im konkreten Einzelfall auf das Gewicht der Pflichtverletzung und den darin liegenden Unrechtsgehalt an, ob eine weitere Abmahnung ausgesprochen werden sollte. Der Arbeitgeber muss daher eine Interessenabwägung vornehmen. Bei leichteren Pflichtverstößen oder Nebenpflichtverletzungen ist grundsätzlich eine mehrfache Abmahnung angebracht. Dies folgt daraus, dass das gesamte Arbeitsrecht und insbesondere das Kündigungsrecht vom sogenannten Ultima-ratio-Grundsatz beherrscht wird. Danach darf ein Arbeitgeber nur das jeweils mildeste Mittel wählen, um in geeigneter Form auf arbeitsvertragswidriges Fehlverhalten von Arbeitnehmern zu reagieren.

Tipp:

Arbeitgeber sollten vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung immer überprüfen lassen, ob die zuvor ausgesprochenen Abmahnungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten werden (oe).

Der Autor ist Mitglied des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de).

Kontakt:

Armin Rudolf, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, c/o Ritter Gent Collegen, Lüerstraße 3, 30175 Hannover, Tel.: 0511 53899921, E-Mail: rudolf@ritter-gent.de, Internet: www.ritter-gent-arbeitsrecht.de