Erhöhte Vorsicht bei Import und Export geboten

Achtung - Umsatzsteuerfalle

27.12.2012
Wer Waren in der EU einkauft, die Produkte aber nicht nach Deutschland, sondern in ein anderes EU-Land liefern lässt, geht ein hohes Steuerrisiko ein, sagt Gert Klöttschen von der Wirtschaftskanzlei DHPG.
Wer grenzüberschreitend einkauft und verkauft, sollte seine Lieferbeziehungen auf den Prüfstand stellen.
Foto: Christian Töpfer

Vielen Unternehmen droht bei der nächsten Betriebsprüfung eine böse Überraschung. Denn wer Waren in der EU einkauft, die Produkte aber nicht nach Deutschland, sondern in ein anderes EU-Land liefern lässt, geht ein hohes Steuerrisiko ein. Der Grund ist eine knifflige Steuerregel: Unternehmen müssen einen innergemeinschaftlichen Erwerb deklarieren und zwar in dem Staat, in dem die Versendung oder Beförderung endet. Hierzu ist die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IDNr.) des Ziellandes der Lieferung zu verwenden. Darauf hat jüngst das Bayerische Landesamt für Steuern in einer Verwaltungsanweisung noch mal hingewiesen (S-7196 1.1-3/2 St 33).

Bislang ist nur wenigen Unternehmen das Problem bewusst. Viele Unternehmen greifen auf ihre deutsche USt-IdNr. zurück, wenn ihre Bestellung nicht nach Deutschland, sondern in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert wird.

Ein typischer Fall: Ein deutsches Unternehmen bestellt mit deutscher USt-IdNr. Ware in Italien und lässt sie direkt an ein Unternehmen in Polen liefern. Da die USt-IdNr. nicht dem Zielstaat entspricht, muss das deutsche Unternehmen einen so genannten fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland versteuern. Dies war lange Zeit unproblematisch, bis der Europäische Gerichtshof und infolgedessen auch das Bundesfinanzministerium hierfür den Vorsteuerabzug versagt haben, was einer Strafsteuer gleichkommt. Erst wenn das Unternehmen die ordnungsgemäße Besteuerung im Zielland nachweist, entfällt die Besteuerung hierzulande. Besonders tückisch: Die Neuregelung findet auch rückwirkend Anwendung. Betriebsprüfer werden vor allem Reihengeschäfte wie das oben beschriebene genau unter die Lupe nehmen.

Unkritisch sind so genannte innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte. Dabei handelt es sich um Reihengeschäfte zwischen (genau) drei Unternehmen, die in unterschiedlichen EU-Staaten registriert sind. Liegen die Voraussetzungen für ein Dreiecksgeschäft vor, entfällt für den mittleren Unternehmer die Verpflichtung, einen innergemeinschaftlichen Erwerb in einem anderen EU-Staat zu deklarieren.

Wer grenzüberschreitend einkauft und liefert, sollte dringend seine Lieferbeziehungen analysieren. Existieren steuerlich kritische Konstellationen, bieten sich im Wesentlichen drei Auswege an (siehe unten "Steuerrisiko bei EU-Lieferungen minimieren"). Viele Risiken lassen sich im Vorhinein vermeiden. Unternehmen sollten ihren Einkauf und Vertrieb für die Steuerproblematik sensibilisieren, damit Mitarbeiter schon bei Vertragsabschluss gegensteuern können. Steuerlich problematische Liefermodalitäten sollten Unternehmen mit ihren Kunden thematisieren, um Ärger untereinander zu vermeiden und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Traten in der Vergangenheit bereits kritische Fälle auf, sollte ein steuerlicher Berater kontaktiert werden, um das weitere Vorgehen zu klären. Denn eine Nachdeklaration im EU-Ausland ist nur bedingt möglich und kann Sanktionen zur Folge haben. Fazit: EU-weiter Import und Export erfordern Weitblick, damit Preisvorteile nicht durch steuerliche Nachteile aufgezehrt werden.

Steuerrisiko bei EU-Lieferungen minimieren

Unternehmen, die Waren in der EU bestellen und nicht nach Deutschland, sondern in einen anderen EU-Staat liefern lassen, gehen oft ein hohes steuerliches Risiko ein. Es bieten sich im Wesentlichen drei Auswege. Oft empfiehlt es sich, steuerlich problematische Lieferketten zu ändern.

Deklaration im EU-Ausland

Unternehmen verwenden die USt-IdNr. Des Ziellandes und melden den innergemeinschaftlichen Erwerb bei den Finanzbehörden im Zielland an. Um die USt-IdNr. zu erhalten, ist eine Registrierung im Zielland nötig. Damit es nicht zu Liquiditätsengpässen kommt, sollte die Registrierung frühzeitig erfolgen. Verwenden Unternehmen bis zur Vergabe der "fremden" USt-IdNr. die deutsche, müssen sie den innergemeinschaftliche Erwerb zunächst ohne Vorsteuerabzug in Deutschland versteuern. Die Umsatzsteuer erhalten sie erst zurück, wenn die Deklaration im betreffenden EU-Mitgliedstaat nachgewiesen werden kann. Aufgrund des bürokratischen Mehraufwandes schrecken viele Unternehmen vor dieser Option zurück.

Abholung durch Endkunden

Steuerlich problematische EU-Einkäufe lassen sich unter Umständen auch anders organisieren und abwickeln. Bei Reihengeschäften lassen sich Lieferbedingungen gegebenenfalls so gestalten, dass der innergemeinschaftliche Erwerb durch den Endkunden zu deklarieren ist, der i.d.R. auch im Zielstaat registriert ist. So kann zum Beispiel der Endkunde die Ware direkt beim ersten Lieferanten in der Reihe abholen. Allerdings steht dieser Gestaltung in der Praxis häufig entgegen, dass der Lieferant des Endkunden seine Vorlieferanten nicht preisgeben möchte.

Unterbrechung der Lieferkette

Soll der Erstlieferant geheim bleiben, kann eine Unterbrechung der Lieferkette ratsam sein. Die Lieferung erfolgt zunächst nach Deutschland. Hier hat der Empfänger einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern. Liefert er die Ware dann an den Endkunden in einen anderen EU-Staat weiter, so erbringt er eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Den innergemeinschaftlichen Erwerb im anderen EU-Staat hat der dortige Erwerber zu deklarieren. (oe)

Der Autor Gert Klöttschen ist Steuerberater in der Wirtschaftskanzlei DHPG in Euskirchen, www.dhpg.de.