Aktien von Netzwerkern: Schnelle Erholung nicht in Sicht

21.03.2002
Massive Umsatz- und Ergebnisrückgänge ließen die Aktien der Netzwerker abstürzen. Eine schnelle Erholung der Erträge ist nicht in Sicht. Die Branche hat jedoch enorm abgespeckt, sodass im Jahre 2003 besser verdient werden dürfte. Die Mehrzahl der Analysten rät deshalb zum Kauf der Aktien.

Einige Lichtblicke gibt es bereits. Die Rezession scheint überwunden und die Wirtschaft wieder zu wachsen. Das Gröbste an milliardenschweren Sonderabschreibungen auf Forderungen, Lagerbestände, teuren Akquisitionen und Aktienbeständen dürfte ausgestanden sein - auch bei Zulieferfirmen wie Ciena und JDS Uniphase (optische Netzwerke und Komponenten).

Das Ende einer Bereinigung galt Analysten schon immer als günstiger Einstiegszeitpunkt. Ziel der Abspeckkur war es, die Kräfte zu bündeln und im Kerngeschäft rentabler zu arbeiten. Dafür haben die Konzerne massenhaft Personal entlassen und zahlreiche Beteiligungen verkauft. Über die Stärke der Erholung herrschen indessen einige Zweifel. Die Börse sieht die Flaute als Chance.

Derzeit überwiegen die schlechten Nachrichten

Die aktuellen Nachrichten sind alles andere als rosig. Lucent konnte nach einem sehr schwierigen Jahr nur dank außerordentlicher Einnahmen den jüngsten Quartalsverlust etwas reduzieren. Nortel wird frühestens im vierten Quartal 2002 in die Gewinnzone zurückkehren, bis dahin könnte es nochmal abwärts gehen, erklärte der Vorstand.

So hat man von den großen Netzwerkern in der strammen Erholung des IT-Aktiensektors bis jetzt nicht viel gesehen - Ausnahme: Cisco Systems. Die Aktie kletterte von 12 auf 22 Dollar. Inzwischen ist sie wieder unter 18 Dollar gefallen. Der Höchstkurs mit über 85 Dollar datiert vom März 2000.

Bis Mitte 2000 machten sich die Netzwerker Hoffnungen auf einen langen Aufschwung. Das rapide Wachstum war von einer Reihe Sonderfaktoren begünstigt: der Liberalisierung etlicher Telefonmärkte, der Interneteuphorie und dem Mobilfunkboom. Damit ist es vorbei. Viele New-Economy-Firmen gingen Pleite. Erschwerend wirkt die derzeitige weltweite Konjunkturkrise. Die alteingesessenen Telecoms, die größten Kunden der Netzwerker, haben Probleme. Sie gaben für Investitionen, Akquisitionen und Lizenzkäufe riesige Summen aus und müssen jetzt die enormen Schulden abbauen. Neue große Ausgaben können sie sich somit nicht leisten. Infolge der ausgeprägten Konkurrenz geraten die Margen unter Druck, sodass die Ertragslage dürftig ist. Momentan sind Übertragungskapazitäten frei, und somit entfällt der Grund, Netze auszubauen.

Unterdessen gewinnt Alcatel in wichtigen Bereichen Marktanteile hinzu. Trotz eines Rekordverlustes von netto knapp fünf Milliarden Euro reagierte die Börse positiv auf die Bilanzzahlen von Anfang Februar. Aber auch die Franzosen rechnen mit einem anhaltend schwierigen Geschäft. Ab dem zweiten Quartal wird es laut Vorstand aufwärts gehen. Als Marktführer in der Breitbandtechnik wird Alcatel profitieren, wenn die Telecoms ihre Investitionen wieder hochfahren.

In die Gewinnzone zurückgekehrt, ist der Siemens-Konzern, weshalb die Aktie schon weit gestiegen ist. "Alles in allem sind die Entwicklungen ermutigend", sagte Vorstandschef Heinrich von Pierer. Die Netzwerksparte ICN wird aber auch im zweiten Quartal defizitär bleiben. Nortel hat die Umstrukturierung beinahe abgeschlossen. Gleichwohl haben die Aktienexperten von Merrill Lynch nicht den Eindruck gewonnen, dass "sich der ökonomische Druck verringert hat". Lucent könnte Marktanteile verlieren. In den Bereichen städtische Telekommunikations-Netzwerke und Voice over IP erscheint die Position etwas geschwächt, und "der Fokus bewegt sich weg von der mobilen Telekommunikation". Auch die Bruttomarge lässt zu wünschen übrig, meinen die Aktienspezialisten von US-Bancorp Piper Jaffray.

Lucent-Chairman Henry Schacht hält dagegen: "Die Fortschritte, die wir erzielt haben, zeigen, dass wir auf dem Weg zur Profitabilität sind", sagte er Mitte Januar.

Einziger Lichtblick: Cisco Systems

Besser steht Cisco Systems mit 60 Prozent Anteil bei Routern und Switches da. Das operative Ergebnis ist vergleichsweise gut. In den nächsten fünf Jahren soll ein Umsatzwachstum von im Schnitt 16 Prozent herausspringen. Im Laufe des Jahres rechnet Vorstandschef Chambers mit einer "dramatischen Ausweitung" der Marktanteile - auch zu Lasten des einstigen Erzkonkurrenten Juniper, der Mitte Dezember die Anleger mit einer heftigen Gewinn- und Umsatzwarnung schockte. Cisco ist auch Marktführer im Wachstumssektor Voice over IP und Packet und hat bisher über 500.000 IP-Telefone und über sechs Millionen Voice-over-IP-Ports verkauft. Das Asiengeschäft läuft ansprechend.

Die ABN Amro-Bank hält die Cisco-Aktie für einen "Top-Global-Pick". Das Papier ist mit KGV 75 derzeit aber teuer - trotz der Wachstumsraten.

Wachstum im WAN-Markt vorhergesagt

Besser sieht es laut den Marktforschern von Infonetics aus San Jose vor allem im Segment Wide Area Networks (WAN) aus. Die US-Unternehmen investieren wieder in den Ausbau ihrer Firmennetze, heißt es.

Besonders hohe Zuwachsraten sind offenbar beim Mittelstand zu erwarten. Die Marktforscher von IDC haben für 2002 - kaum überraschend - den steigenden Stellenwert der drahtlosen Technologie WLAN (Wireless LAN - Local Area Networks) ausgemacht. Für kleinere und auch mittlere Firmen stellen sie eine ernst zu nehmende Alternative zum klassischen LAN dar, erklären die Experten von 3Com. Manche Analysten empfehlen deshalb die 3Com-Aktien. WLAN ist aber noch weit vom Massengeschäft entfernt.

Eines Tages werden steigende Datenströme die überdimensionierten Netze auslasten und technische Innovationen das Geschäft wieder ankurbeln, glauben die Optimisten. Bis dahin könnten einige kleinere Netzwerker noch auf der Strecke bleiben.

Spekuliert wird schon lange über das einstige Börsenwunderkind Marconi. Die Aktie ist seit Ende Oktober 2000 von 950 auf 12 Pence abgestürzt. Cisco Systems wurde öfters als potenzieller Käufer genannt. Gescheitert ist die Übernahme von Lucent durch Alcatel. Jedoch wird der anhaltende Druck zwangsläufig zu Zusammenschlüssen führen. (kk)