Kein umfassender Geheimnisschutz

Aktuelles zu privaten E-Mails am Arbeitsplatz

15.04.2009
Die verfassungsrechtlichen Grenzen in die Praxis - von Niko Härting.

Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung sind längst nicht alle privaten E-Mails, die am Arbeitsplatz geschrieben oder empfangen werden, für den Arbeitgeber nicht einsehbar. Das jetzt vollständig vorliegende Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt/Main vom 6.11.2008 (Az.: 1 K 628/08.F 3) zeigt, dass das Telekommunikationsgeheimnis auf E-Mails nur in engem Maße anwendbar ist.

Das Telekommunikationsgeheimnis gilt für Telefonate, aber auch für Telefax und E-Mail. Das heimliche Abhören eines Telefonats und das heimliche Mitlesen eines Faxes oder einer E-Mail wird nach § 206 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

Der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern den privaten E-Mail-Verkehr ermöglicht, wird dadurch zum Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen und unterfällt dem Fernmeldegeheimnis. Dies ist zwar gesetzlich nirgendwo klar geregelt, entspricht jedoch der Auffassung fast aller Telekommunikationsrechtsexperten.

Viele Firmen verbieten privaten Mail-Verkehr

Um Schwierigkeiten mit dem Telekommunikationsgeheimnis zu vermeiden, verbieten zahlreiche Unternehmen ihren Mitarbeitern die Versendung privater E-Mails.

In dem Urteil des Verwaltungsgericht Frankfort/Main ging es um ein börsennotiertes Unternehmen aus Darmstadt, das seinen Mitarbeitern allerdings private E-Mails erlaubt hatte. Das Unternehmen wehrte sich vor Gericht gegen eine Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin hatte das Unternehmen zur Vorlage archivierter E-Mails aufgefordert. Problem: Um die Anordnung umzusetzen, hätten zahlreiche E-Mails durchgesehen werden müssen - darunter auch etliche Privat-Mails von Mitarbeitern. Dem stand nach Auffassung des Darmstädter Unternehmens das Telekommunikationsgeheimnis entgegen.

Von den meisten Experten bislang übersehen: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im März 2006 (Urteil vom 2.3.2006, Az. 2 BvR 2099/04) entschieden, dass der Geheimnisschutz nur für die "laufende Telekommunikation" gilt. In seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung hat Karlsruhe diese Einschränkung ein Jahr später nochmals bestätigt (Urteil vom 27.2.2007, Az.: 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07). Das VG Frankfurt/Main hat aus dieser Einschränkung zutreffend gefolgert, dass E-Mails jedenfalls dann nicht gegen den Einblick des Arbeitgebers geschützt sind, wenn sie archiviert sind. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Telekommunikationsvorgang bereits abgeschlossen. Da das Telekommunikationsgeheimnis somit der Anordnung der BaFin nicht entgegenstand, wies das VG die Klage ab.

Das Urteil zeigt, dass ein Unternehmen sich keinen erdrückenden Risiken aussetzt, wenn es seinen Mitarbeitern den privaten E-Mail-Verkehr ermöglicht. Ob zur Erfüllung einer behördlichen Auflage oder aber auch aus anderen sachlichen Gründen - etwa im Krankheitsfall oder nach Ausscheiden eines Mitarbeiters: Wenn es notwendig wird, Einblick in gespeicherte Mails eines Mitarbeiters zu nehmen, steht das Telekommunikationsgeheimnis einem solchen Einblick nicht im Wege. Denn das Telekommunikationsgeheimnis schützt nur die laufende Kommunikation und verbietet daher nur das "Abfangen" und "Mitlesen" von E-Mails. Ist die Mail am Zielrechner angekommen, so ist die Mail nicht mehr und nicht weniger geschützt als alle anderen Daten, die sich auf dem Rechner befinden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies klipp und klar entschieden, und das VG Frankfurt setzt die Karlsruher Vorgaben konsequent um.

Fazit

Die weit verbreitete Empfehlung an Unternehmen, ihren Mitarbeitern die private E-Mail-Nutzung zu verbieten, ging schon immer an der betrieblichen Wirklichkeit vorbei. Die Entscheidung des VG Frankfurt zeigt, dass das Telekommunikationsgeheimnis viel enger zu verstehen ist als allgemein angenommen. Der Arbeitgeber kann durchaus Privat-Mails zulassen, ohne sich dadurch unüberwindbare Hürden zu schaffen für die Speicherung und Archivierung von Mails.

Weitere Informationen und Kontakt beim Autor, Rechtsanwalt Niko Härting, Tel.: 030 283057-411, E-Mail: haerting@haerting.de, Internet: www.haerting.de, oder über Alexander Görlich, Tel.: 030 283057-40, E-Mail: goerlich@haerting.de