Wirbel um den Chiphersteller

AMD will klare Linien

31.05.2008
Vom Manager-Exodus bis zu Spekulationen um die Schließung von Fertigungsstätten - die Negativschlagzeilen rund um AMD reißen nicht ab.

Von Alexander Roth

Zugegeben: Der Chipspezialist AMD hat es derzeit nicht leicht. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Hersteller nicht mit Spekulationen und Negativmeldungen zu kämpfen hat, wobei auch manchmal nur heiße Luft drin ist.

Dennoch ist es schade, dass das Intel-Wettbewerber zwar Mitte Mai Branchenbeobachter aus ganz Europa, darunter auch ChannelPartner, in seinen deutschen Hauptsitz nach Dresden eingeladen hatte, aber leider keinerlei Antworten zu den wirklich heiklen Fragen gab - und die gibt es zurzeit wirklich en masse. Zumindest die Vertriebspartner des Herstellers sollen aber in Zukunft auf ihre Kosten kommen: AMD versprach, mehr in das Channel-Marketing zu investieren und rund um die eigene Lösungspalette zahlreiche neue Vertriebsinitiativen zu starten.

Die derzeitige Situation rund um den Chiphersteller ist schnell berichtet: Wie der jüngste Jahresgeschäftsbericht vom April 2008 zeigt, konnte AMD zwar den Rekordverlust von 1,772 Milliarden auf zuletzt 358 Millionen Euro reduzieren und damit die finanzielle Talfahrt des Vorjahrs deutlich abbremsen. Die Kursrallye der AMD-Aktie belegt das: Während das Papier noch im Februar 2006 bei 42,42 Dollar gelegen hatte, fiel sie bis zum November 2007 auf 5,13 Dollar und konnte sich zuletzt auf 7,22 Dollar (22. Mai 2008) erholen.

Eigentlich ein Grund zur Zuversicht, möchte man meinen: Doch auch wenn die Übernahme des Grafikkartenherstellers ATI nun nahezu abbezahlt sein dürfte, scheint es bei AMD derzeit an allen Ecken und Enden an Geld und kurzfristigen Erfolgen zu fehlen.

Der AMD-Sitz in Dresden: Fehlt es an Geld und kurzfristigen Erfolgen?

Wird die Produktion ausgelagert?

So will dem Branchendienst Digitimes zufolge der Hersteller seine CPU-Produktion schon bald auslagern, um Kosten zu sparen. Ab der zweiten Jahreshälfte soll der weltweit größte unabhängige Chipfertiger Taiwan Semiconductor Manufactoring Company (TSMC) die Produktion übernehmen, wobei bereits erste Prüfläufe durchgeführt worden seien, wie es Ende April in manchen Fachblättern hieß. An anderer Stelle wiederum wird spekuliert, dass sich AMD nicht komplett von allen Werken, sondern nur von einigen Bereichen verabschieden wolle. Von der Führungsspitze rund um CEO Hector Ruiz war dazu nichts zu hören, nur so viel, dass er optimistisch sei, schon bald ein neues Werk im Süden der USA für rund drei Milliarden Dollar bauen zu können.

In diesem Zusammenhang wird auch kräftig um den erst kürzlich erfolgten Managementwechsel spekuliert: In den vergangenen Monaten hatten mehrere Führungspersonen das Unternehmen verlassen, darunter auch der CTO Phil Hester, dessen Stelle nicht wieder besetzt wurde. Vorige Woche gab AMD nun bekannt, dass Randy Allen, bisher für die Serversparte zuständig, nun die gesamte Chipentwicklung leitet. Ein neuer Chef für die neue Outscourcing-Strategie?

Zudem verließen mit Mario Rivas und Michel Cadieux aus dem Entwicklungs- und Personalbereich zwei weitere ranghohe Manager das Unternehmen: Rivas leitete bei AMD als Executive Vice President die Computing Solutions Group, Cadieux war als Senior Vice President und Chief Talent Officer vor allem für Personalfragen in der Grafiksparte ATI zuständig.

Was den Spekulationen nun vielleicht die Krone aufsetzt: Der Hersteller werde schon bald sein rund 20 Millionen Euro starkes Engagement in der Formel 1 als Ferrari-Sponsor niederlegen, hieß es aus Rennsportkreisen. Von AMD-Seite gab es bisher zu diesen Fragen nur Schweigen im Walde.

So kann über die genauen Ursachen der Probleme nur spekuliert werden. Tatsache ist, dass AMD im vergangenen Jahr zwar Schwierigkeiten bei der Auslieferung der Serverplattform "Barcelona" hatte, dafür aber jüngst im Grafikartenmarkt Erfolge einfahren und mit 22 Prozent bei CPU-Abverkäufen ein größeres Umsatzplus als Intel (sieben Prozent) im ersten Quartal 2008 erzielen konnte. Zudem würden die neuen Chipsätze (etwa der AMD Phenom 9000), Grafikkarten und allen voran die Quad-Core-Opteron-Prozessoren für Server sehr gut vom Markt angenommen, wie AMD-Chef Rivet kürzlich betonte.

Die 45-nm-Chips sind da: Ein AMD-Manager präsentiert die ersten Waver, die im Herbst 2008 auf den Markt kommen sollen.

Wie in Dresden deutlich wurde, setzt AMD zudem auf seine neuen 45-nm-CPUs: Der Hersteller führte direkt an deren sächsischer Produktionsstätte Samples der neuen Rechenchips vor. Dank der kleineren Bauweise sollen die Prozessoren die aktuellen 65-nm-CPUs in Sachen Leistung und Stromverbrauch deutlich übertreffen, Taktfrequenzen jenseits der 3 GHz erreichen und damit besser mit den Produkten des Konkurrenten Intel, der die 45-nm-Produkte bereits seit Dezember 2007 anbietet, mithalten können.

Die Markteinführung ist für den Herbst 2008 geplant: Wie auf dem Channel Summit - so hieß die Veranstaltung in Dresden - deutlich wurde, hofft AMD mit den Chips nicht nur namhafte PC-Hersteller begeistern zu können: Das Geschäft mit kleineren Notebook-Lieferanten sei für AMD sehr verlockend, so der Tenor.

Zudem gab es gleich einen technischen Ausblick: Wenn alles nach Plan verlaufe, gebe es AMD-32-nm-Chips schon im nächsten Jahr und 22-nm-Chips bereits 2010. Geforscht werde derzeit nach Kräften, so der Hersteller.

Vielleicht scheint sich aber die Einsicht durchgerungen zu haben, dass Intel auf diesem Wege vorerst nicht beizukommen ist, denn der Channel Summit drehte sich um alles andere als um die technische Spitze, nämlich um den "Midprice-" oder "Mainstream"-Markt oder konkret um das Geschäft mit CPUs unter 200 Dollar. 96 Prozent aller CPUs würden nach einer Studie für weniger als 200 Dollar über den Ladentisch gehen, so AMD. Und genau hier sieht sich der Hersteller im Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Präsentiert wurde eine Reihe von Demos, die AMDs Grafik- und CPU-Chips, etwa Athlon X2, bei einer Gegenüberstellung mit vergleichbaren Konkurrenzprodukten in Sachen Leistung und Verbrauch klar als Sieger hervorgehen ließen.

Der "Mainstream"-Anwender im Visier

Die Verantwortlichen rund um Alberto Macchi, Vizepräsident Sales and Marketing, machten deutlich: Künftig will AMD seine Produkte vermehrt in Form von Kampagnen, die den "Mainstram-Anwender" ansprechen sollen, vermarkten. "Unsere Produkte brauchen den Vergleich mit den Wettbewerbern in Sachen Leistungsfähigkeit nicht zu scheuen, und genau darauf setzen wir mit unseren Initiativen. Der Endverbraucher hatte aber oft ein Problem zu verstehen, was wir genau machen; das soll sich nun ändern.", so Jochen Polster, Vizepräsident Marketing bei AMD Emea.

Konkret heißt das, dass alle Lösungen aus den Bereichen Chips und Grafikkarten, je nach Ausführung in "Good", "Better" oder "Best" kategorisiert werden sollen. Dabei kündigte der Manager an, den Channel künftig vermehrt mit Marketingmaterial auszustatten, das den Preis- und Leistungsvergleich innerhalb der eigenen Produktgruppe und gegenüber der Konkurrenz enthalte. AMD werde auf zwei Kampagnen besonderen Wert legen: "HD-Computing" und "Game".

Auf dem Desktop gebe es kaum noch Differenzierungsmöglichkeiten, aber "unter Produkten, die mit einem HD-Zeichen ausgestatten sind, können sich Anwender etwas vorstellen", so der Manager. Die "Game"-Initiative meint dagegen die Auszeichnung von Game-PCs mit Aufklebern: Beklebt werden sollen mit AMD/ATI-Technik ausgestattete Rechner, die aus Sicht von AMD den Mindeststandard für das Computerspielen bietet. Auch ein Sticker "AMD Game ultra", der Hardware für gehobene Ansprüche markiert, soll schon bald kommen.

Was ein PC-System dafür erfüllen muss, hat der Hersteller klar definiert: Ein "Game"-PC sollte in der Lage sein, eine HD-Auflösung (1.280 mal 1.024) bei 30 fps (frames per second, Bildfrequenzmaß) ruckelfrei darzustellen. Ein "Ultra"-System muss schon 1.600 mal 1.200 Pixel darstellen können und mehr als 30 fps bieten. Mit einbezogen in diese Kampagne sind alle Partner des Herstellers, vom Reseller über den OEM bis zum Peripherieentwickler.

Flankiert werden soll die Marketinginitiative von Werbemaßnahmen im Internet, für die die anwesenden Channel-Marketing-Manager ein erhöhtes Budget ankündigten, so etwa für Banner in Spiele-Communities. Auch von der eigenen "Gaming"-Internetseite, die regionale Händler auflistet, erhofft sich AMD einen weiteren Schub.

"Der Markt für Spiele wächst, auch unser Channel ist im vergangenen Jahr gewachsen. So werden wir unsere Mainstream-Produkte für das Gaming gezielter vermarkten, um gemeinsam mit Partnern an diesem lukrativen Geschäft zu verdienen " so Polster gegenüber ChannelPartner.

Eigentlich schade: Derzeitige Hype-Themen wie Server und Virtualisierung standen nicht auf der Agenda. Dafür kamen aber Partner zu Wort, etwa der Distributor Avnet, dessen Emea-Vertreter für AMD, Raj Suman, den Hersteller kräftig für seine starke Channel-Affinität lobte. ChannelPartner bat auch den aktuellen deutschen AMD-Channel-Champion b.com um eine Stellungnahme zur aktuellen Zusammenarbeit mit dem Chiphersteller, konnte aber bis dato kein Statement bekommen. (aro)