Komponenten

Apples iPad wirft gesamte Elektroniklieferkette um

05.05.2010
Das aufs User-Interface fokussierte Design von Apples iPad und Nachahmerprodukten wird laut iSuppli immense Auswirkungen auf die gesamte elektronische Lieferkette und die Entwicklung von Komponenten haben.

Das aufs User-Interface (UI) fokussierte Design von Apples iPad und Nachahmerprodukten wird laut iSuppli immense Auswirkungen auf die gesamte globale elektronische Lieferkette und die Produktentwicklung bis hin auf Komponentenebene haben.

Für Komponentenhersteller, die auf sich auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine spezialisiert haben, werden iPad und Co. laut iSuppli zur riesigen Marktchance.

"Elektronikprodukte sind bisher immer nach dem selben Schema entworfen worden, nämlich nach dem Motherboard-orientierten Ansatz, beginnend mit Schaltkreisen und Halbleitern auf einer gedruckten Schaltkreisplatine (Printed Circuit Board oder kurz PCB) und dann eingepackt in UI-Elemente wie eine Tastatur und ein Display", sagt iSuppli-CEO Derek Lidow.

Das iPad sei dagegen völlig anders im Design. So habe es kein typisches Motherboard und stehe zunächst einmal die Benutzeroberfläche (UI) als Ausgangspunkt im Vordergrund, so der Chef des amerikanischen Industrie- und Marktforschungsinstituts.

Am Anfang war das Bild

"Apple hat zunächst mit dem Design des Bildschirms, des Touch-Pad und des Akkus begonnen und sich erst zum Schluss auf die Halbleiter und ihre Platzierung konzentriert. Dieses Design macht das Produkt so einzigartig im Feeling und in der Funktionalität", fügt Lidow hinzu.

Den Prognosen nach wird Apple 2010 rund 7,1 Millionen iPads verkaufen. 2012 sollen es schon 20,1 Millionen Stück sein. Der Einfluss des neuen Geräts wird laut iSuppli allerdings über Apple hinausgehen. Andere Hersteller wie HP, Google und Microsoft stehen schon auf dem Plan, ähnliche Produkte auf den Markt zu bringen.

"Jeder, der hierbei mit Apple in Konkurrenz treten will, muss sich erstmal mit dem Design des iPad beschäftigen sowie mit dessen gewaltigen Implikationen hinsichtlich der Elektronikdesigns und Wertschöpfungskette", so Lidow.

"Das entfesselt eine wahnsinnig interessante Dynamik. Die Frage, welche Unternehmen der Lieferkette von der UI-basierten Herangehensweise profitieren, wird in den nächsten Jahren noch von wesentlicher Bedeutung sein", merkt Lidow an.

Die offensichtlichsten Profiteure der UI-zentrischen Design-Philosophie, wie Apple sie bei dem iPad verfolgt, sind Lidow zufolge zunächst mal die Lieferanten der Displays, Touchscreens und relevanter Produkte.

Das Display fußt auf LCD-Technologie mit hohem Betrachtungswinkel, Berichten zufolge entweder auf Basis von In-Plane Switching (IPS) mit LG Display (LGD) als Patentinhaber oder Advanced-Fringe Field Switching (AFFS) mit Hydis Technology als Patentinhaber. Hauptlieferant ist nach wie vor LGD, einige Panels kommen auch von Epson. Samsung Electronics wird im Mai ebenfalls beginnen, Panels für das iPad auszuliefern und könnte LGD in dem Bereich potenziell gefährlich werden.

Die nächstteure Komponente ist der kapazitive Touchscreen. Einziger Lieferant ist derzeit Wintek. Andere potenzielle Anbieter könnten aber Sintek Photronic, TPK Solutions, Touch International und Young Fast Optoelectronics sein, denkt iSuppli.

Die Elektronik zur Ansteuerung Touchscreen kommt von Broadcom und Texas Instruments (TI). Synaptics, Cypress Semiconductor und Atmel gehen beim iPad zurzeit noch leer aus.

UI-Intelligenz gefordert

Lidow zufolge wird sich rund um das iPad und Nachahmerprodukten in den kommenden fünf Jahren ein regelrechtes Schlachtfeld in der gesamten elektronischen Lieferkette entfalten. Da geht es auch um Patentrechte und Verteidigung derselben.

Display-Herstellern rät der iSuppli-Chef, in die Entwicklung von Touch-Technologien zu investieren sowie ihre Forschungs- und Design-Prioritäten auf UI-Intelligenz zu verlagern.

Der Akku wird normalerweise nicht als UI-Bestandteil gesehen, spielt beim iPad aber eine ganz wichtige Rolle mit Blick auf die Nutzererfahrung. Da das neue Apple-Gerät sehr stark auf Mobilität abzielt, ist eine lange Akku-Laufzeit ganz entscheidend, wie iPhone-Nutzer wissen, so iSuppli.

"Das schwächste Glied im iPhone ist die (begrenzte) Akku-Laufzeit", sagt iSuppli-Analyst Andrew Rassweiler und fügt hinzu: "Beim iPad hat Apple neue Design-Prioritäten gesetzt, um sicherzustellen, dass das Gerät eine lange Akku-Laufzeit und Nutzungsdauer bietet." Dazu gehöre auch der leichte Akku-Wechsel, auch wenn nicht vom Consumer selbst, sondern von Fachleuten.

Kosten aufgedröselt

Die Gerätetiefe des iPad hängt im Wesentlichen von der des Display-Moduls und des Akkus ab. Letzterer kostet derzeit 23,75 Dollar das Stück und macht in etwa neun Prozent der gesamten Materialkosten aus. In dem iPad, das iSuppli näher unter die Lupe genommen hat, sind die Akku-Zellen von Amperex Technology und die Verpackung derselben von Dynapack.

Die Marktforscher rechnen damit, dass andere Anbieter solcher tablet-artigen Geräte dem akku-zentrischen Design des iPad folgen werden.

In dem UI-zentrischen, auf Content-Nutzen orientierten iPad spiele der Mikroprozessor eine weniger wichte Rolle als bei Notebooks etwa. Das iPad-Design verlange aber einen hochintegrierten Mikroprozessor, der wenig Platz einnimmt und sehr stromsparend ist.

ARM-Architektur: mehr iPhone als Notebook

Der verbaute Mikroprozessor, bestehend aus einem A4-Kern und einem Grafikchip (GPU), stammt von PA Semi, vor zwei Jahren von Apple aufgekauft, und kostet 19,50 Dollar das Stück.

Dabei handelt es sich laut Rassweiler nicht um einen PC-Mikroprozessor, sondern seinem Verständnis nach um einen auf ARM-Basis, der völlig anders sei und nicht etwa mit Intels Atom-Prozessoren in Konkurrenz treten wolle.

Rassweiler sieht in der unterschiedlichen Architektur eher eine Fortsetzung der iPhone- und iPod-Produktlinien als die Fortsetzung des Computer-Lineups von Apple, das heute komplett auf Intel basiert. Der A4-Prozessor soll auch einen wesentlich kleineren physischen Fußabdruck haben als die Atom-Architektur.

Know-how in Sachen integriertes Silizium für Mobilplattformen sei wegen des iPads und anderer Produktentwicklungen sehr begehrt. So hat Google unlängst die Akquisition des Start-up-Unternehmens Agnilux bekanntgegeben. Es handelt sich dabei um ein Team von Entwicklern, welche die Fabless-Chipdesignschmiede (fabriklos) PA Semi verlassen habe, nachdem sie 2008 von Apple übernommen wurde.

Agnilux-Technologie könnte den Weg in einen von Google angekündigten Tablet-PC finden, denkt iSuppli. Apple wiederum hat Berichten zufolge gerade Intrinsity gekauft. Das Unternehmen ist auf ARM-Chipdesign spezialisiert.

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Konkurrenzprodukte des iPad könnten ebenfalls ARM-Core-Designs aufnehmen. So zum Beispiel die Tegra-Chiplinie von Nvidia oder den OMAP-Prozessor von TI, spekuliert iSuppli. (kh)