Sparprogramm gescheitert

Atelco meldet Insolvenz an

25.07.2015 von Matthias Hell
Das Sparprogramm, das die Atelco-Gruppe nach anhaltenden Umsatzrückgängen und Verlusten eingeleitet hatte, ist gescheitert. Nachdem Investorengespräche nicht schnell genug abgeschlossen werden konnten, beantragte das Unternehmen nun die Insolvenz.
Als kleine Elektrokette und Online-Händler der zweiten Reihe war das Modell von Atelco zuletzt ähnlich veraltet wie dieses Bild des Filialstandorts in Aachen - nun folgte der Insolvenzantrag

Profitabel war der Elektronikhändler Atelco zuletzt im Geschäftsjahr 2009/10 und die letzte Umsatzsteigerung erzielte die Filialkette mit den angeschlossenen Onlineshops Hardwareversand.de, Anobo.de und AV-Electronix im Jahr 2010/2011. Seitdem ging es für das in Möhnesee beheimatete Unternehmen abwärts, zuletzt im Geschäftsjahr 2013/2014 auf einen Umsatz von 113,9 Millionen Euro (minus 7,6 Prozent) und einen Verlust von 2,4 Millionen Euro (nach minus 2 Millionen Euro im Vorjahr). Gegründet wurde das Unternehmen 1988 in Essen, derzeit beschäftigt es 346 Mitarbeiter.

Nun beantragte Atelco vor dem Amtsgericht Arnsberg die Eröffnung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (Aktenzeichen 10 IN 88/15). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Anwalt Christoph Schulte-Kaubrügger von der Kanzlei White & Case bestellt.

Die größten Pleiten in der ITK-Branche in den vergangenen Jahren
IDS Scheer Consulting (September 2014)
Das IT-Beratungshaus IDS Scheer Consulting, das erst im Juni von der Software AG an die Scheer Group verkauft wurde, steht vor der Insolvenz. Jeder vierte Mitarbeiter muss gehen.
Printer Care (Juli 2014)
Einer der wichtigsten Online-Händler für Drucker und Zubehör hat Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Claus Grünig glaubt aber fest an eine Zukunft von Printer Care.
mStore (Juli 2014)
Gegen den Apple-Händler mStore wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die zunächst angestrebte Sanierung in Eigenverantwortung ist damit gescheitert. Noch in dieser Woche sollen die meisten Filialen der Kette geschlossen werden.
Vitec (Juli 2014)
Der britische AV-Distributor Imago will alle Mitarbeiter des insolventen Multimediaspezialisten Vitec übernehmen. Die Geschäfte sollen unter Vitec-Gründer Dr. Wilhelm Mettner am Standort Mainz weitergeführt werden.
ACI Supplies (März 2014)
Die Telefone stehen still bei ACI Supplies in Ratingen. Grund: Die Unternehmensmutter ACI Adam BV mit Sitz in Maastricht, hat Insolvenz angemeldet. Der Distributor ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
DiTech (März 2014)
Mit weit über 100 Millionen Euro Umsatz ist der österreichische Multichannel-Händler DiTech alles andere als ein Leichtgewicht. Im März 2014 musste das Unternehmen ein Sanierungsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz einleiten.
Getgoods (November 2013)
Nachdem sich die Hinweise auf eine bevorstehende Insolvenz des Elektronikversender Getgoods gehäuft hatten, hat das Unternehmen Mitte November seine Zahlungsunfähigkeit offiziell bestätigt. Der Geschäftsbetrieb soll allerdings aufrechterhalten werden.<br>
BHS Binkert (November 2013)
Der auf das Imaging-Segment spezialisierte Distributor BHS Binkert hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Wie es weitergeht, ist derzeit noch ungewiss.<br>
Loewe (Juli 2013)
Nur wenige Wochen vor der IFA in Berlin ist Aushängeschild der deutschen Fernsehproduktion, Loewe, in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten geraten: Um einer Insolvenz vorzubeugen, hat sich das Unternehmen nun für ein Schutzschirmverfahren entschlossen.<br>
Chips and More (Juli 2013)
Der Freiburger Distributor Chips and More musste im Sommer 2013 Insolvenz anmelden. Der Grossist war unter anderem durch seine Eigenmarke CnMemory bekannt.
Niedermeyer (Mai 2013)
Sanierungskosten von bis zu 10 Millionen Euro – so viel war auch dem deutschen Onlinehändler Cyberport sein österreichischer Partner im stationären Handel nicht wert: Die Investorensuche für die Elektronikkette Niedermeyer blieb erfolglos, die verbleibenden 45 Filialen des einst 98 Standorte starken Filialnetzes mussten schließen.
Devil und COS (April 2013)
Nachdem die Kreditversicherer sowohl für Devil als auch für COS die Limits gekürzt hatten, mussten die beiden Distributoren im April 2013 Insolvenz anmelden.<br> Sechs Wochen später war die Zukunft von COS in Pohlheim gesichert: Der Api-Konzern wird das Unternehmen unter dem Namen COS Computerhandels GmbH weiterführen. Und im Juli 2013 wurde bekannt, dass der polnische Distributor Action S.A. den Braunschweiger Grossisten Devil übernehmen wird.<br>
b.com (März 2013)
Der Kölner Distributor B.com musste beim Amtsgericht Köln einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Ein bereits erarbeiteter Sanierungs- und Restrukturierungsplan sollte an die neue Situation angepasst werden.<br> Kurz Zeit später wurde mit der Wortmann AG ein Retter gefunden.<br>
Jet Computer (März 2013)
Auch der Spezialdistributor Jet Computer Products war in finanzielle Schieflage geraten und musste beim Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Vertrieb und Support sollten zusammen mit den Herstellern aufrechterhalten werden.<br>
BT Kopier (Dezember 2012)
Nachdem Büroring angekündigt hat, sich aus dem übernahmegeschäft mit BT Kopier zurück zu ziehen, musste der Büromaschinenspezialist beim Amtsgericht Duisburg Insolvenz anmelden.<br>
H&S (Oktober 2012)
Im Oktober 2012 hatte die H & S Entwicklungsgesellschaft Nettetal GmbH vor dem Amtsgericht Krefeld Insolvenz angemeldet. Besser bekannt war die Firma allerdings unter dem vormaligen Namen Terratec. <br>
Neckermann (Juli 2012)
Während die Rettung von Neckermann scheiterte, gab es zumindest für einen durch die Insolvenz in Bedrängnis geratenen Partner-Shop eine neue Zukunft: Der zum Distributor Wave gehörende Elektronikversender Alternate wollte den Onlinehändler Styleon.de weiterführen.<br>
ADA – Das Systemhaus (März 2012)
Das zu diesem Zeitpunkt siebtgrößte Systemhaus Deutschlands musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Zum 1. Juli 2012 übernahm Ricoh das operative Geschäft und machte ADA zu einer Business Unit.<br>
PC live (Januar 2012)
Das Peripherie-Label Typhoon schien dem kein Glück zu bringen: Mit PC live wurde schon die dritte Eigentümerfirma insolvent. <br>
Asdis Software (Juni 2010)
Auch Thomas Benz, Geschäftsführer des Systemhauses Asdis Software, musste im Juni 2010 den Gang zum Insolvenzverwalter antreten.<br>
RZNet (August 2009)
Mit Lothar Papenberg, Vorstand der RZNet AG, musste ein weiterer Systemhaus-Chef im August 2009 den Gang zum Insolvenzgericht antreten.<br>
TDMi (Juli 2009)
Deutschlands drittgrößtes Systemhaus, die TDMi-Gruppe, musste im Juli 2009 Insolvenz anmelden. Betroffen waren die TDMi-Tochter Comparex, die Muttergesellschaften TDMi Deutschland Holding GmbH und die TDMi AG.<br>
COS (Juli 2009)
Besonders wild ging es bei der COS-Pleite im Juli 2009 zu: Erst verkaufte Firmenmutter Tiscon den Distributor an den russischen Investor Green Gold, der COS wohl entgegen den getroffenen Absprachen in die Insolvenz schickte. Als rettender Engel für die COS erwies sich ausgerechnet der Braunschweiger Wettbewerber Devil.<br>
Trekstor (Juli 2009)
Im Juli 2009 mussten auch die Trekstor-Geschäftsführer Daniel und Shimon Szmigiel (Foto) Insolvenz anmelden.<br>
Tandberg Data (April 2009)
Weil der Speicherspezialist Tandberg Data Kredite an den Investor Cyrus Capital nicht zurückzahlen konnte, musste das Unternehmen im April 2009 Insolvenz anmelden. Im Zuge der Restrukturierung verließen Deutschland-Chef Frank Roszyk und eine ganze Reihe führender Manager das Unternehmen und gründeten den direkten Wettbewerber Actidata.<br>
Finanzielle Schieflage
Auf den nächsten Seiten gibt es eine Auflistung der wichtigsten ITK-Distributoren, -Systemhäuser, -Hersteller, und -Händler die in letzter Zeit Insolvenz anmelden mussten oder pleite gingen.<br>
Netsquare (Juli 2015)
Distributor und PC-Fertiger Netsquare ist zahlungsunfähig. Ob der Geschäftsbetrieb weitergehen kann, ist laut Insolvenzverwalter noch nicht absehbar.
Weltbild (Juli 2015)
Also will die aus der Insolvenzmasse der Weltbild erworbenen Logistikaktivität nicht mehr finanziell unterstützen. Damit droht in Augsburg die Insolvenz.
Atelco (Juli 2015)
Das Sparprogramm, das die Atelco-Gruppe nach anhaltenden Umsatzrückgängen und Verlusten eingeleitet hatte, ist gescheitert. Nachdem Investorengespräche nicht schnell genug abgeschlossen werden konnten, beantragte das Unternehmen im Juli 2015 die Insolvenz.

Eigentlich wollte sich Atelco auf ertragsstärkere Produkte fokussieren. Zudem versuchte der Elektronikhändler, im Rahmen eines im vergangenen Jahr eingeleiteten Umstrukturierungs- und Rationalisierungskonzept seine stationären Flächen ähnlich kostengünstig zu gestalten wie das Online-Geschäft. Doch die Rettungsstrategie ging nicht auf. Zwar wurden die Belegschaft von 500 Mitarbeitern auf rund 350 Angestellte reduziert und einige der deutschlandweit 22 Filialen verkleinert. Doch reichten die Maßnahmen offensichtlich nicht aus, um die fortlaufenden Verluste aufzufangen.

Wie Atelco gegenüber dem Soester Anzeiger erklärte, habe das Unternehmen bereits seit einigen Wochen nach einem Investor gesucht und dabei zuletzt einen Käufer für einen Teil des Filialnetzes seiner 22 deutschlandweiten Filialen finden können. Doch sei Atelco bei der Umsetzung der Investorenlösung nicht mehr genügend Zeit geblieben. Dennoch sehe die Geschäftsführung in den bereits getätigten Investorengesprächen auch nach der Insolvenzantragseröffnung einen guten Ansatzpunkt zur Sanierung und Erhaltung der Unternehmensgruppe.

Voll von den strukturellen Umbrüchen getroffen

Wie es in Erklärungen auf den Seiten der Onlineshops Atelco.de, Anobo.de, Hardwareversand.de sowie AV-Electronix heißt, sei die Bezahlung der Löhne und Gehälter der Mitarbeiter ist für die nächsten drei Monate bis einschließlich 30.09.2015 über die Zahlung von Insolvenzgeld sichergestellt. Die 22 Filialen blieben wie gewohnt geöffnet. Zudem seien mit den Lieferanten die erforderlichen Absprachen getroffen worden, um die weitere Belieferung des Unternehmens zu gewährleisten.

"Für Sie als Kunde bedeutet das, dass Sie auch weiterhin bei uns bestellen können", heißt es in der Stellungnahme der Onlineshops. Insbesondere Vorkassezahlungen seien in Kürze wieder möglich und der Erhalt der Ware sei dabei sichergestellt. Dennoch dürfte der Insolvenzantrag erfahrungsgemäß die Kunden verunsichern und eine Rettung des Unternehmens weiter erschweren.

Während große Elektromarktbetreiber wie Media-Saturn oder Expert im Zuge ihrer Multichannel-Strategie inzwischen wieder Boden gut machen konnten, sind kleine Fachhandelsketten wie Atelco voll von den Rückgängen im stationären Geschäft betroffen. Zwar konnte das Unternehmen durch das Wachstum seiner Onlineshops hier noch einige Zeit gegensteuern. Doch der mit dem Online-Wiedereinstieg von Media-Saturn weiter intensivierte Wettbewerb ließ Atelco ab dem Jahr 2012 auch in diesem Bereich zurückfallen. (rw)