1.750 Arbeitsplätze fallen weg

Atos Origin schnappt sich Siemens-Tochter

15.12.2010
Der Siemens-Konzern hat eine Lösung für seine Problemsparte Siemens IT Solutions and Services (SIS) gefunden und verkauft diese an Atos Origin. Rund 850 Millionen Euro erhalte Siemens von der französischen IT-Dienstleister. Mit dem Verkauf der SIS an Atos Origin solle ein neuer "europäischer IT-Champion" entstehen, der es mit US-Konkurrenten wie Capgemini und IBM aufnehmen kann.

Der Siemens-Konzern hat eine Lösung für seine Problemsparte Siemens IT Solutions and Services (SIS) gefunden und verkauft diese an Atos Origin. Rund 850 Millionen Euro erhalte Siemens von der französischen IT-Dienstleister. Mit dem Verkauf der SIS an Atos Origin solle ein neuer "europäischer IT-Champion" entstehen, der es mit US-Konkurrenten wie Capgemini und IBM aufnehmen kann.

"Wir schaffen einen europäischen Champion. Die beiden Unternehmen ergänzen sich hervorragend in ihrer Kundenbasis, ihrer regionalen Aufstellung und den angebotenen Services", sagte Siemens-Vorstandsvorsitzender Peter Löscher zur SIS-Lösung. Sein französischer Atos-Origin-Kollege Thierry Breton sprach von einer "sehr soliden und vielversprechende Industrieallianz", von deren Wert alle Anteilseigner profitieren würden, "einschließlich Siemens", betonte Breton.

Mit der Verschmelzung von SIS in Atos Origin ist auch ein erneuter Stellenabbau in der Siemens-Sparte verbunden, für den Siemens mit Kosten von bis zu 250 Millionen Euro rechnet. Rund 1.750 Arbeitsplätze sollen bei SIS weltweit wegfallen, davon 650 Stellen in Deutschland. SIS wurde von Siemens bereits einer harten Restrukturierung unterzogen, zu der ein weltweiter Abbau von 4.200 Stellen gehörte. Vom erneuten Stellenabbau seien vor allem Stellen in Verwaltungs- und Zentralfunktionen betroffen. Den Mitarbeitern sollen Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden.

Details der Transaktion

Mit der Transaktion, die Anfang Juli 2011 abgeschlossen werden soll, übernimmt Siemens an Atos Origin einen Anteil von 15 Prozent, der mindestens über fünf Jahre gehalten wird. Bezahlt wird Siemens von Atos Origin mit 186 Millionen Euro in bar, zusätzlich erhalten die Münchner 12,5 Millionen neue Aktien von Atos Origin, die derzeit einen Wert von 414 Millionen Euro haben. Zudem erhält der DAX-Konzern eine fünf Jahre laufende Wandelanleihe über 250 Millionen Euro. Letztlich wird Siemens die IT-Sparte aber ohne Gewinn los, denn der Technologiekonzern rechnet mit einer "deutlich negativen Ergebniswirkung" der Transaktion im Geschäftsjahr 2010/2011.

ienie Münchner und die Franzosen binden sich zudem mit einem langfristigen Vertrag aneinander. Atos Origin soll sieben Jahre lang für Siemens IT-Aufgaben übernehmen und erhält dafür rund 5,5 Milliarden Euro. Durch die Transaktion entstehe ein IT-Dienstleister mit einem pro forma Gesamtumsatz von rund 8,7 Milliarden Euro und 78.500 Mitarbeitern weltweit. Das neue Unternehmen soll im Geschäftsjahr 2011 ein marktübliches Umsatzwachstum und eine operative Marge von sechs Prozen erreichen. Bis 2013 soll der Umsatz auf neun bis zehn Milliarden Euro wachsen und die Ergebnismarge auf sieben bis acht Prozent steigen.

Siemens hatte bereits zur Vorlage der Jahreszahlen im November 2010 klar gemacht, dass man für SIS noch kein Licht am Ende des Tunnels sieht. Die IT-Sparte sei "weiterhin mit operativen Herausforderungen in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt konfrontiert". Im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte Siemens mit der IT-Sparte noch einen Verlust von 537 Millionen Euro eingefahren, im seit Oktober laufenden Geschäftsjahr sollte sich das Ergebnis nun deutlich verbessern. Dabei gingen die Münchner aber nicht davon aus, dass das Geschäft bis zum kommenden Finanzjahr 2011/12 branchenübliche Ergebnisse erzielen kann.

Nun finden die Münchner für ihre Problemsparte eine französische Lösung - in einer Zeit, in der man am Münchner Wittelsbacherplatz französische Unternehmen vor allem als Streitpartner vor Gericht kennt. So wird mit dem französischen Atomkonzern Areva um den Ausstieg aus dem gemeinsamen Joint Venture gestritten. Zudem versucht der französische Zughersteller Alstom nach Kräften, die Lieferung neuer Siemens-Züge im Wert von rund 600 Millionen Euro an Eurostar zu verhindern. (Dow Jones/rw)

Was Bitkom zu Siemens und Atos Origin sagt

Zur Übernahme der Siemens-Sparte "IT Solutions and Services" durch den französischen IT-Dienstleister Atos Origin sagte Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer:

"Mit der Übernahme entsteht ein europäischer Top-Player, der auf dem wachsenden Markt für IT-Dienstleistungen weltweit vom Start weg eine starke Stellung einnimmt." Das sichere, trotz kurzfristig notwendiger Personalanpassungen, mittel- und langfristig Arbeitsplätze in Deutschland im Hightech-Sektor. Abzuwarten bleibe, inwieweit die Strategie des Unternehmens zukünftig in Deutschland entwickelt werde. Der neue Konzern erzielt einen Umsatz von 8,7 Milliarden Euro und beschäftigt weltweit 78.500 Mitarbeiter.

In Deutschland wird der Umsatz mit IT-Dienstleistungen im Jahr 2010 laut Bitkom um 1,4 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro wachsen. Im kommenden Jahr zieht der Markt nach der Bitkom -Prognose wieder um 4,6 Prozent auf 33,5 Milliarden Euro an.

Der Markt für IT-Dienstleistungen umfasst drei Bereiche: IT-Outsourcing, Wartung von Hardware sowie Projektgeschäft, das vor allem die Planung und Einführung großer IT-Lösungen in Unternehmen umfasst. Das größte Wachstum erzielt das IT-Outsourcing mit einem Plus von 6,5 Prozent auf 15,1 Milliarden Euro im Jahr 2011 in Deutschland.

Der weltweite Markt für IT-Dienstleistungen wird nach Angaben des European Information Technology Observatory (EITO) im Jahr 2010 um 1,7 Prozent auf 466 Milliarden Euro wachsen. Im Jahr 2011 rechnet das EITO mit einem Anstieg von 4,5 Prozent auf 487 Milliarden Euro.

"Bei Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen besteht ein hoher Bedarf, IT-Lösungen einzuführen und zu modernisieren", sagte Scheer. "Eine funktionsfähige IT ist heute ein wichtiger Wettbewerbsfaktor." IT-Dienstleistern komme dabei eine strategische Bedeutung zu, weil sie die Organisationen bei der Einführung neuer IT-Systeme unterstützen.

Angetrieben wird der Markt vor allem durch das IT-Outsourcing und das Cloud Computing. Dabei erfolgt die Nutzung von IT-Leistungen über Datennetze (in der "Wolke") anstatt auf lokalen Rechnern. Nach Bitkom-Schätzung werden in fünf Jahren etwa zehn Prozent der gesamten IT-Ausgaben in Deutschland auf diese Technologie entfallen. (rw)