Den Begriff differenziert anwenden

Auch die Persönlichkeit lässt sich ändern

06.08.2021 von Cornelia Weber-Fürst
"So bin ich halt. Das liegt in meiner Persönlichkeit und lässt sich nicht ändern." Dies ist eine reine Ausrede.

Im alltäglichen Gebrauch des Begriffs Persönlichkeit differenzieren wir nicht, was den Kern unseres Ichs ausmacht und was nur Prägung durch unsere Erlebnisse und Erfahrungen ist. Wir denken, wir können nur Verhalten und Gewohnheiten verändern, letztere nur mit Tricks oder viel Disziplin, und setzen alle tieferen Charakterzüge, wie zum Beispiel den Umgang mit Emotionen oder unsere Kontaktfähigkeit mit unserem Wesen gleich. Nur weil wir nicht wissen, wie wir das ändern könnten, ist es noch lange nicht unveränderbar.

Viele haben die Sorge, sich selbst zu verlieren, wenn sie ihre Persönlichkeit erfolgreich ändern.

In der Persönlichkeit liegt das Potenzial.
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Zeit für eine Klarstellung

Die Persönlichkeit ist die Prägung des Wesens - griechisch bedeutet der Begriff "Charakter" "Prägestempel" -, d.h. sie ist bereits ein Ausdruck der Entfernung von uns selbst.

Vielleicht wird es deutlicher, wenn wir als Analogie das Wesen mit dem Computer vergleichen. Die Persönlichkeitsstruktur wäre dann ein veraltetes Betriebssystem und das Verhalten die Software.

Das Wesen kann man auch als unsere wahre Natur bezeichnen. Es ist ungeprägt, undefiniert und kommt erst dann wieder deutlich zum Vorschein, wenn wir die Definitionen, die sich in unserer Persönlichkeit angesammelt haben über all die Jahre (insbesondere in der Kindheit), loslassen können.

Bewusstwerden über Prägungen

Das ist nicht leicht aber durchaus möglich, Schritt für Schritt, mit wohlwollender Begleitung. Es geschieht durch Bewusstwerden über die Prägungen, die inneren Definitionen z.B. dazu, wer man ist, wie man sein sollte, worum es in der Welt geht, wie es üblicherweise läuft zwischen einem selbst und anderen, u.v.a.m.

Je bewusster wir über die Prägung werden, umso weniger kann sie greifen. Das ist vielleicht im ersten Moment ein komisches Gefühl, wenn man z.B. ohne die Krücke des Selbstbilds "Ich bin ein Macher" in den Tag geht. Aber es dauert nicht lange, bis man merkt, dass man immer noch existiert, immer noch alles tun kann, was erforderlich ist, und jetzt zusätzliche Wahrnehmungsfähigkeiten und Möglichkeiten hat. Diese Schritte sind immer eine Befreiung.

Da fragt man sich vielleicht, wozu die Persönlichkeit überhaupt entstanden ist. Sie war wichtig als Schutz und Stabilisierung in unseren frühen Lebensjahren, als wir unser Wesen noch als sehr beeindruckbar erlebt haben und dies als emotionale sowie (damit auch) existenzielle Verwundbarkeit erlebt haben. Man nennt die Persönlichkeitsstruktur auch Ego-Struktur. Wir alle brauchen zunächst ein gesundes Ego, um als Individuum stabil zu sein.

Erst danach können wir anfangen, die Krücken und Gerüste langsam abzulegen. Bei vielen Menschen zeigt sich diese Entwicklung ansatzweise über das Älterwerden. So schmunzelt man mit 60 vielleicht kopfschüttelnd darüber, wie man sich mit 30 noch beweisen musste und sich vor anderen produziert hat. Aber es gibt auch Menschen, die das bis ins hohe Alter nicht ablegen können und immer noch den Schutzmechanismus der Persönlichkeit nutzen, weil sie nicht hinterfragen, ob sie den eigentlich noch brauchen.

Nicht verstecken, sondern Potenzial nutzen

In der Persönlichkeit liegt das Potenzial. Es sind all die ungenutzten Möglichkeiten, alles was jenseits der fast wie ein Gefängnis wirkenden Definitionen liegt. Wir sind alle in unserem Wesen um viele Dimensionen größer, breiter, tiefer als wir uns vorstellen können. Wer will sich davor eigentlich verstecken?

Was antworten Sie, wenn Sie von einem Coach gefragt werden, welche Beschreibung dahinter steckt, wenn Sie "Ich" sagen? Die Persönlichkeitsstruktur bevorzugt immer, wenn alles so bleibt, wie es ist. Die Psycho-Logik zieht die Vertrautheit und damit das Bewahren der alten Definitionen immer einer Veränderung vor, selbst wenn die alten Definitionen nicht positiv sind. Es braucht etwas Mut und Neugier, über "sich selbst" hinauswachsen zu wollen. (oe)