Beschäftigungsverhältnis besteht fort

Auf die Arbeitnehmervergütung kommt es an

26.06.2009
Zur Sozialversicherungspflicht trotz einvernehmlicher unwiderruflicher Freistellung.

In der jüngeren Vergangenheit sorgten einige Hinweise der Sozialversicherungsträger für erhebliche Rechtsunsicherheiten betreffend der häufigen Freistellungen von Arbeitnehmern im Zuge einer Kündigung oder Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses. Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit war ein Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vom 05. und 06.07.2005, wonach im Falle einer einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des letzten tatsächlichen Arbeitstags enden sollte.

Diese auf den ersten Blick simple Aussage hatte eine erhebliche sozialversicherungsrechtliche Folge: Die sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht endete in diesem Falle mit dem letzten tatsächlichen Arbeitstag (und nicht mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsvertrages). Für den Arbeitgeber bedeutete dies konkret, dass er im Falle einer solchen einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht schon ab dem letzten tatsächlichen Arbeitstag keine Sozialversicherungsbeiträge an die Krankenkasse abführen durfte und auch das Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung anzeigen musste.

Für den Arbeitnehmer hatte dies die noch viel schwerwiegendere Folge, dass er nach dem letzten tatsächlichen Arbeitstag nicht mehr Pflichtmitglied der Sozialversicherung war und dass während der Dauer der Freistellung keine Beiträge in die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung flossen. Der Arbeitnehmer stand mithin während der Freistellungsphase ohne Versicherungsschutz dar, sofern er sich nicht selbst freiwillig versicherte. Insbesondere das Fehlen des Krankenversicherungsschutzes konnte sehr schwerwiegende Folgen mit sich bringen.

In der Praxis wurde dieses Problem dadurch umgangen, dass Freistellungen seitdem entweder nur noch einseitig vonseiten des Arbeitgebers angeordnet wurden oder man vereinbarte lediglich eine widerrufliche Freistellung (und nahm die damit verbundenen Nachteile in Bezug auf die Anrechnung der Urlaubsansprüche in Kauf).

Bundessozialgericht gibt Entwarnung

Doch nun kann infolge eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 24.09.2008 in Bezug auf die vorstehende Problematik wohl eine Entwarnung ausgesprochen werden. In diesem Urteil hatte das BSG über den Fall eines Mitarbeiters einer Krankenkasse zu entscheiden, der seit dem Jahre 1980 bei ihr beschäftigt und gleichzeitig auch krankenversichert war. Das Arbeitsverhältnis wurde von Seiten der Krankenkasse gekündigt. In dem darauf folgenden Kündigungsschutzprozess einigte man sich am 08.09.2004 auf einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2005 einvernehmlich beendet werden sollte und der Mitarbeiter für die Dauer von rund zehn Monaten unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich freigestellt wurde.

Die Krankenkasse stellte daraufhin als zuständige Einzugstelle für die Sozialversicherungsbeiträge durch einen entsprechenden Bescheid fest, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum 10.09.2004 geendet habe. Der Mitarbeiter erhob hiergegen Widerspruch, der jedoch von der Krankenkasse zurückgewiesen wurde. Die hiergegen gerichtete Klage wurde von dem Sozialgericht abgewiesen, wohingegen aber die Berufung vor dem Landessozialgericht für den Mitarbeiter Erfolg brachte. Die Krankenkasse ging in die Revision vor dem Bundessozialgericht und unterlag ein weiteres Mal.

Das BSG entschied ausdrücklich, dass ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nach § 7 Abs. 1 SGB IV (Sozialgesetzbuch IV) auch dann bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbesteht, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren.

Der Beschäftigungsbegriff setze lediglich voraus, dass ein Rechtsverhältnis besteht (z. B. ein Arbeitsverhältnis), das die Erbringung von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Gegenstand hat, und fordere des Weiteren, dass dieses Rechtsverhältnis auch vollzogen wird. Der erforderliche Vollzug setze aber nicht die tatsächliche Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitleistung voraus. Vielmehr bestimme sich das Ende der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung nach dem zwischen den Vertragsparteien festgelegten Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses (BSG, Urteil vom 24.09.2008, Az.: B 12 KR 27/07 R).

Weiterzahlung der Arbeitnehmervergütung reicht aus

Es genügt also, dass die Vergütung bei dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis weitergezahlt wird, ohne dass der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tatsächlich tätig ist. Das Urteil des BSG hat damit der Sichtweise der Spitzenverbände eine deutliche Absage erteilt und ist von daher sehr zu begrüßen, weil die zwischenzeitlich entstandene Rechtsunsicherheit beseitigt worden ist. Die Spitzenverbände sollten nun alsbald auch offiziell ihre bisherige Rechtsauffassung revidieren. (oe)

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt.

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