Praxistipp für Händler zum Arbeitsrecht

Augen auf beim Praktikum

09.03.2015 von Renate Oettinger
Das Mindestlohngesetz definiert strenge Regeln für Praktika. Es lauern vielfältige Stolperfallen, doch bieten sich gleichwohl interessante Gestaltungsmodelle. Was Unternehmen und Praktikanten beachten sollten, sagt Rebekka De Conno.

Praktika sind in der Arbeitswelt von zentraler Bedeutung. Unternehmen und Nachwuchskräfte lernen sich kennen und loten die Option auf eine dauerhafte Zusammenarbeit aus. Doch Vorsicht: Für Praktika gelten seit Jahresbeginn verschärfte Vorgaben. Planung und Durchführung von Praktika erfordern erhöhte Weitsicht. Insbesondere Entlohnung und Praktikumsdauer müssen sorgfältig festgelegt werden. Andernfalls drohen Unternehmen hohe Nachzahlungen und empfindliche Bußgelder.

Praktikanten haben Anspruch auf eine angemessene Vergütung; Richtschnur sind die jährlich vom Bundesinstitut veröffentlichten Ausbildungsvergütungen.
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Grundsätzlich haben auch Praktikanten Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Zu den praxisrelevantesten Ausnahmen zählen Pflichtpraktika, die im Rahmen einer Ausbildung, eines Studiums oder auf Anweisung einer Schule erfolgen. Auch bei freiwilligen Praktika, die der beruflichen Orientierung dienen oder während eines Studiums oder einer Ausbildung durchgeführt werden, kann die Mindestlohnpflicht entfallen. Unternehmen sollten Anlass und Beweggründe für ein Praktikum immer dokumentieren. Dazu können sie sich etwa die Praktikumspflicht von der Bildungseinrichtung bestätigen lassen und das Dokument zusammen mit der Studien- oder Ausbildungsordnung in der Personalakte aufbewahren. In jedem Fall müssen Unternehmen darauf achten, einen Praktikumsvertrag abzuschließen, der die wesentlichen Punkte festhält und dem Praktikanten vor Praktikumsbeginn ausgehändigt wird.

Höchstgrenze drei Monate

Zentrale Voraussetzung für die Mindestlohnbefreiung bei freiwilligen Praktika ist, dass sie maximal drei Monate dauern. Wird die Höchstdauer auch nur geringfügig überschritten, ist ab dem ersten Praktikumstag rückwirkend der Mindestlohn fällig. Allzu kurze Praktika sind in der zunehmend komplexen Berufswelt für Unternehmen und Praktikanten selten sinnvoll. Schnell vergehen einige Wochen, bis der Praktikant sich einarbeitet und einbringen kann. Hier eröffnet das Mindestlohngesetz Spielräume, die Beschäftigungszeit im selben Unternehmen auszudehnen. Dies ist auch für Praktikanten von Vorteil, wenn sie unabhängig von der Vergütung einen hohen Nutzen im Praktikum sehen. Verschiedene Praktika lassen sich kombinieren, so dass Praktikanten theoretisch über ein halbes Jahr lang ohne Anspruch auf Mindestlohn beschäftigt werden können.

Das Zusammenlegen von Praktika unterliegt aber engen Grenzen. Möglich sind zwei aufeinanderfolgende Pflichtpraktika, wenn der Lehrplan einer Bildungseinrichtung zwei Pflichtpraktika vorsieht. Auf ein freiwilliges Orientierungspraktikum kann ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges ausbildungsbegleitendes Praktikum folgen. Vom Mindestlohn ausgenommen sind auch freiwillige ausbildungsbegleitende Praktika, wenn sie mit einem Pflichtpraktikum kombiniert werden. Bei allen anderen Kombinationen greift beim zweiten Praktikum die Mindestlohnpflicht.

Auch ohne Mindestlohn haben Praktikanten Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Richtschnur sind die jährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung veröffentlichten Ausbildungsvergütungen. Ein Anspruch auf Vergütung entfällt nur in Ausnahmefällen. Dies kann dann gelten, wenn etwa ein Praktikant nur sehr kurz im Unternehmen ist oder nur passiv am Arbeitsprozess teilnimmt.

Arbeitsleistung zweitrangig

Laut Mindestlohngesetz steht der Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen im Vordergrund und nicht die Arbeitsleistung. Bereits aus der Stellenausschreibung sollte klar hervorgehen, dass das Praktikumsverhältnis auf die Wissensvermittlung abzielt. Überwiegt hingegen der wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen, wird aus dem Praktikum schnell ein verdecktes Arbeitsverhältnis. Die Gefahr: Die Mindestlohnbefreiung entfällt. Unternehmen sollten von Praktikanten Lernpläne und Tätigkeitsberichte schreiben lassen, die den Bildungscharakter des Praktikums belegen. So können Unternehmen kritischen Nachfragen der Finanzbehörden begegnen.

Das Thema Mindestlohn und Praktika wirft viele Detailfragen auf. Interessierte können sich im Internet unter www.der-mindestlohn-gilt.de oder www.zoll.de informieren. Unternehmen sollten im Zweifel fachlichen Rat einholen, um praktikable Lösungen für Arbeitgeber und Praktikanten zu finden.

Rebekka De Conno ist Rechtsanwältin bei WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de