Gerüchte und Zweifel

Bastelt Dell an einem Smartphone?

30.01.2009
Gerüchten zufolge könnte Computeranbieter Dell schon in den nächsten Wochen ein eigenes Smartphone in den Markt bringen. Experten bezweifeln dies.
Baut Dell ein eigenes Smartphone? Warum lässt er sich nicht lieber auf einen OEM-Vertrag ein?

Von Wolfgang Leierseder

Der amerikanische Computer-Anbieter Dell stemmt sich gegen die Krise - und die Einsicht, die PC-Marktführerschaft, womöglich aus strukturellen Gründen, dauerhaft an Hewlett-Packard verloren zu haben. Seit Michael Dells Rückkkehr an die Konzernspitze im Februar 2007 hat der texanische Computerbauer allerhand versucht, um neue Geschäfte aufzutun und alte auszuweiten. Dabei fielen Marktbeobachtern auf: Der Eintritt in den indirekten Kanal, der Kauf des Storage-Anbieters Equallogic und einiger anderer Firmen, der Verkauf von PCs über Retailer, der Einstieg in das Segment Consumer-Notebook, ferner das Netbook-Angebot und ein verunglückter Testversuch, sich im Endkundenmarkt mit internetfähigen MP3-Spielern zu etablieren.

Am langsamen Wertverlust des in Round Rock, Texas, beheimateten ehemaligen Direktanbieters änderte das nichts: Sinkende Umsätze, geringere Rendite und schrumpfende Marktanteile kennzeichneten die letzten Quartale, zuletzt Restrukturierungen und Entlassungen. Es nimmt also wenig Wunder, dass man in Round Rock darüber nachdenkt, welche lukrativen Märkte für Dell offen stehen.

Ob es allerdings der Smartphone-Markt ist, in den Dell mit einem eigenen Gerät einsteigen könnte, ist mehr als ungewiss. Zwar ist dieser Markt bis heute lukrativ, doch besetzt: Ihn teilen sich Blackberry (RIM), Apple und Nokia mit weit über 80 Prozent Marktanteilen; die restlichen Anbieter sind bekanntlich in ruinöse Preiskämpfe um die verbliebenen Prozente verwickelt. Hinzukommt, dass die funktionalen und technischen Anforderungen an Smartphones keineswegs trivial sind - diese leidvolle Erfahrung hat der einstige PDA-Marktführer Palm gemacht, bevor er das Smartphone "Pre" auf den Markt bringen konnte, das unter andrem die unverzichtbaren Details Touchscreen a la Iphone und eine WLAN-Verbindung vorweist.

Es ist deshalb auch für Dell nicht einfach, diesen Markt anzugehen. Vielleicht ist er schon vergeben.

Expertenzweifel

Michael Dell ist auf der Suche nach lukrativen Märkten. Ist der Smartphone-Markt ein solcher?

Wer dennoch Gerüchten über diesen Markt zugeneigt ist, könnte glauben, was das "Wall Street Journal" erfahren haben will: Dell baue seit einem Jahr mit Hilfe von ehemaligen Experten von Motorola ein eigenes Smartphone. In Chicago, schön heimlich. Zweierlei Betriebssysteme seien schon getestet worden, Googles Android und Microsofts Windows Mobile, und Kontakte mit Zulieferern und Fertigern gebe es auch schon. Das "Wall Street Journal" beruft sich bei seinem Bericht auf Personen, die mit Dell vertraut sind.

Dell selbst lehnte ab, den Bericht zu kommentieren. Aber es sagte nicht, es wäre nichts an dem Bericht. Sondern, es habe sich für "gar nichts entschieden". Weder dafür noch dagegen - letzteres, soviel steht fest, würde Michael Dells bekanntem Liebäugeln mit einem Smartphone widersprechen.

Doch wie Dell sich auch immer entscheiden mag, auch wenn es die im August 2007 zugekaufte Software von Zing für den Austausch von Daten zwischen einem Smartphone und einem Computer in peto hält, und bekanntlich Rivale Hewlett-Packard mit seinem Ipaqs vorführt, dass der kombinierte Verkauf von Smartphone und PC die Geschäfte beider Sparten fördert - selbst wenn das alles der Fall sein soll, steht für Dell trotzdem nicht fest, ob sich derzeit ein in jedem Fall teurer Einstieg in den Smartphone-Martkt lohnt.

Experten zufolge müsste Dell viel Geld über die Forschung und Fertigung hinaus ausgeben, um die Marktanteile zu erreichen, die den Einstieg rentabel erscheinen lassen. Ein OEM-Abkommen - etwa mit Partner Nokia - wäre sinnvoller, meinte ein Kommentator in den USA; ein anderer bestreitet, Dells werde genügend Kompetenz in die Waagschaale werfen können, um Kunden von seinem besseren Smartphone überzeugen zu können. Der Analyst Jeff Kagan fasste zusammen, in diesem Markt hänge alles von der Qualität des angebotenen Gerätes ab. Bekanntlich ist Dell weniger ein begabter Entwickler als ein erfolgreicher Fertiger …

Dennoch warten nun Brachenkenner auf die kommende Fachmesse "Mobile World Congress" in Barcelona. Für die sogenannten Keynotes haben sich eine Reihe von Unternehmensvorständen eingetragen, darunter die von Nokia, Microsoft, Nokia-Siemens und Skype. Michel Dell aber ist nicht zu finden. Aber vielleicht gehört das zur Geheimhaltung. Vieleicht ist er auch lieber in Chicago. (wl)