Nur nicht provozieren lassen

Beleidigende Gesten im Straßenverkehr

04.11.2008
Wer seiner Meinung über andere allzu freimütig und gestenreich Ausdruck verleiht, riskiert einen Strafbefehl und eine zum Teil saftige Geldstrafe.

Zunge rausstrecken: 150 Euro. Vogel zeigen: 1.000 Euro. Der seit der Fußball-WM 94 legendäre Stinkefinger kann sogar bis zu 4.000 Euro kosten. Und wenn der Vordermann noch so nervt, der Hintermann drängelt oder ein dreister Zeitgenosse den anvisierten Parkplatz blockiert - als eine von vielen Regeln im Straßenverkehr gilt: Nur nicht provozieren lassen. Wer seinem Ärger über andere Verkehrsteilnehmer mit eindeutigen Gesten Luft macht, risikiert saftige Geldstrafen.

Juristisch kann es sich bei Vogel, Stinkefinger und Co. nämlich um eine Beleidigung handeln. Sie wird als Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgebung der Missachtung oder Nichtachtung definiert. Das ist eine Straftat, und da hört der Spaß auf. Gemäß § 185 StGB kann eine Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe belegt werden. Bei tätlichen Beleidigungen kann es nach Aussage der Arag-Experten sogar zu Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren kommen. Wird eine Beleidigung auf der Stelle erwidert, kann der Richter laut § 199 StGB beide oder einen Beteiligten für straffrei erklären.

Tagessätze varrieren je nach Einzelfall

Für Beleidigungen im Straßenverkehr werden üblicherweise Geldstrafen verhängt. Da es hier aber keinen einheitlichen Strafenkatalog gibt, variiert das Strafmaß. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, die Umstände der Tat - wer hat wen, wann, wo, wie beleidigt - und nicht zuletzt das Gericht, vor dem verhandelt wird, spielen eine Rolle.

Das Maß aller Dinge ist jedoch der Tagessatz, erklären die Arag-Experten. Seine Höhe ergibt sich aus dem monatlichen Nettoeinkommen, geteilt durch 30, ist jedoch auf einen Höchstsatz von 5.000 Euro beschränkt. Meist werden für eine Beleidigung 10 bis 30 Tagessätze verhängt. So kann beispielsweise das Zeigen eines Vogels 20 bis 30 Tagessätze kosten. Bei einem angenommenen monatlichen Nettoeinkommen des Delinquenten von 1.500 Euro wären damit 1.000 bis 1.500 Euro fällig. Die rausgestreckte Zunge liegt mit durchschnittlich 150 Euro eher am unteren Ende der Skala.

Für die Scheibenwischergeste waren schon mal 350 Euro zu zahlen, und der Kreis aus Daumen und Zeigefinger als das A-Lochzeichen kann bis zu 750 Euro kosten. Sich mit der Hand die Stirn schlagen, sich die Hand vor die Augen halten oder den Kopf angewidert wegdrehen sind Gesten, die in der Urteilspraxis bislang nicht als beleidigend bewertet wurden und daher straffrei blieben. Buchstäblich in der Luft hängt dagegen der so genannte Doppelvogel, bei dem mit beiden Zeigefingern an beide Schläfen getippt wird. Nach Meinung der Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist diese Geste keine Ehrverletzung (OLG Düsseldorf, 5 Ss 383/95-21). Ganz abgesehen davon, dass beide Hände ans Lenkrad gehören, sollte man sich jedoch nicht auf die Toleranz der Richter verlassen. Denn ein anderes Gericht sah im Doppelvogel sehr wohl eine Beleidigung, die mit 40 Tagessätzen geahndet wurde.

Vorsicht bei Ordnungshütern

Richtig teuer wird es, wenn sich die Beleidigung gegen Polizeibeamte richtet. Da sie die Staatsgewalt verkörpern, wird in diesen Fällen selten ein Auge zugedrückt. Wer einem Ordnungshüter den gestreckten Mittelfinger zeigt, kann mit bis zu 4.000 Euro bestraft werden, und die rausgestreckte Zunge kann sich auf 300 Euro verteuern. Achtung: Der böse Finger ist auch dann eine Beleidigung, wenn er sich gegen das Objektiv einer Videoüberwachungskamera richtet. Laut Bayerischem Obersten Landesgericht (Bay ObLG, 5 St RR30/2000) wird dadurch eine sogenannte befasste Amtsperson beleidigt, nämlich der diensttuende Beamte, der hinter dem Monitor sitzt. 40 Tagessätze sind dafür durchaus einzukalkulieren.

Kleine Geste, noch mehr Ärger

Mit Strafbefehl und Geldstrafe ist die Beleidigung aber noch längst nicht vom Tisch. Das zeigt der Fall eines Lkw-Fahrers, der einer vor ihm fahrenden Frau mehrfach einen Vogel zeigte und zehn Tagessätze à 60 DM zu berappen hatte. Darüber hinaus teilte die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl dem Kraftfahrt-Bundesamt mit. Der Brummi-Fahrer wehrte sich gegen den Eintrag ins Flensburger Zentralregister.

Allerdings erfolglos, denn das OLG Zweibrücken verwies auf die einschlägige Vorschrift des Straßenverkehrsgesetzes (1 VAs 4/01). Danach sind im Verkehrszentralregister rechtskräftige Entscheidungen von Strafgerichten zu speichern, wenn diese wegen einer rechtswidrigen Tat eine Strafe verhängen, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen wurde. Das Gericht erkannte hier durchaus eine "innere Beziehung" zwischen Autofahren und der Straftat der Beleidigung. Denn die Beteiligten hätten über ihr Fahrverhalten gestritten, und der Lkw-Fahrer habe der Frau aus diesem Grund den Vogel gezeigt und sie damit beleidigt.

Beleidigung ist ein sogenanntes Antragsdelikt (§ 194 StGB), das nur verfolgt wird, wenn fristgemäß Strafantrag gestellt wird (durch eine Strafanzeige bei der Polizei). Allerdings steht gerade bei Beleidigungen oft Aussage gegen Aussage, sodass das Verfahren vom Gericht häufig eingestellt wird. Wer sich also in seiner Ehre verletzt fühlt und seinen Kontrahenten anzeigt, sollte vorher gut abwägen, ob sich der Aufwand lohnt. Denn der Gang vor Gericht kostet immer Zeit und Nerven, und wie die Sache ausgeht, ist ungewiss.

Quelle: www.arag.de