Schwerbehinderung

Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

09.04.2013
Vermutet ein abgelehnter Jobbewerber einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, ist er verpflichtet, genaue Indizien darzulegen.
Wird ein Schwerbeschädigter bei einer Bewerbung benachteiligt, kann er unter Umständen eine Entschädigung verlangen.

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist. Darauf verweist der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter "Bremen" des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.02.2013 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. 8 AZR 180/12.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese ist schwerbehindert und wurde bei einer Bewerbung nicht berücksichtigt. Sie war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese - nicht namentlich bezeichnete - Beschäftigte dort eingesetzt werden könne.

Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung. Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, ua. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten.

Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt. Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg, so Franzen.

Aktuelle Urteile (und ihre Analysen) – Teil 1
Dienstwagen und Freistellung
Ein Arbeitgeber kann die Überlassung eines Dienstwagens an eine Arbeitnehmer im Falle einer Freistellung widerrufen. Dabei muss er die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen, sonst hat er unter Umständen dem Arbeitnehmer eine Nutzungsentschädigung zu zahlen.

-->zum Beitrag
Jahresurlaub bei Krankheit
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht.

-->zum Beitrag
Arbeitgeber in Facebook beschimpfen
Gemecker über den eigenen Arbeitgeber in Facebook rechtfertigt eine fristlose Kündigung. Ein Auszubildender hatte dort seinen Arbeitgeber als "Menschenschinder" und "Ausbeuter" bezeichnet. Außerdem schrieb er, dass er "dämliche Scheiße für Mindestlohn minus 20 Prozent erledigen" müsse.

-->zum Beitrag
Google Analytics und Datenschutz
Wer auf seinen Webseiten das Tool "Google Analytics" nutzt, sollte für einen beanstandungsfreien Betrieb (Datenschutzbehörden!) u.a. folgende Maßnahmen umsetzen: Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung abschließen, auf Datenschutzerklärung hinweisen, Programmcode anpassen, Altdaten löschen

-->zum Beitrag
Kopfhörer beim Autofahren
Ein generelles Verbot der Benutzung von Kopfhörern beim Autofahren besteht nicht (-->zum Beitrag). Sollte es nach einem Unfall zu einem Streitfall kommen, muss ein Richter die Frage nach einer Beeinträchtigung des Gehörs entscheiden. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Haftpflichtversicherung ihre Einstandspflicht aufgrund einer grob fahrlässigen Schadensherbeiführung zu kürzen versucht. Daher wird vom Tragen eines Kopfhörers beim Autofahren abgeraten.
Formulierungen bei Sonderangeboten
Ein Sonderangebot muss mindestens zwei Tage vorrätig sein. Bewirbt der Händler seine Ware mit dem Satz "Solange der Vorrat reicht", kann er wegen irreführender Werbung belangt werden – aber nicht von einem Kunden selbst, sondern nur von gewerblichen Verbänden, von Konkurrenten oder von den Verbraucherzentralen. Mit dem Satz "Ist voraussichtlich schon am ersten Tag vergriffen" ist der Händler bei Sonderangeboten auf der sicheren Seite.

Leserliches Fahrtenbuch
Bei einem handschriftlich geführten Fahrtenbuch eines Dienstwagens muss auf Leserlichkeit geachtet werden. Auch das Finanzamt muss die Einträge entziffern können – und nicht nur der Verfasser.

-->zum Beitrag
eBay-Auktionen und Umsatzsteuer
Der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über eBay ist eine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit, womit die Verkaufserlöse der Umsatzsteuer unterliegen. Vor den Tücken des Fernabsatzrechts mag die Bezeichnung "Privatauktion" oder "Privatverkauf" in der Produktbeschreibung also schützen, vor dem Zugriff des Finanzamts rettet sie aber nicht.

-->zum Beitrag
Schiffsreise als Betriebsausgabe
Wenn ein Unternehmer Geschäftspartner zu einer Schiffsreise einlädt, können die Aufwendungen für die Reise und hiermit zusammenhängende Bewirtungen in der Regel nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden. Grund: Es handelt sich um eine unangemessene Repräsentation, deren Kosten nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden dürfen.

-->zum Beitrag
Wildunfälle und Versicherung I
Bei Zusammenstößen mit Haarwild ("Wildunfälle") springt die Teilkaskoversicherung für die Schäden am eigenen Fahrzeug ein. Allerdings muss es sich dabei um Jagdwild handeln. Der Zusammenstoß mit einem Eichhörnchen fällt nicht unter den Schutz der Teilkaskoversicherung, da es – anders als zum Beispiel ein Hase – kein Jagdwild ist.

-->zum Beitrag
Diskriminierung im Arbeitsleben
Begründet der Arbeitgeber eine bestimmte Maßnahme (z.B. Aufgabenverteilung) gegenüber dem Arbeitnehmer, so muss diese Auskunft zutreffen. Ist sie dagegen nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des Arbeitgebers, so kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung sein.

-->zum Beitrag
Verlängerung befristeter Arbeitsverträge
Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf nach ein befristeter Vertrag höchstens dreimal verlängert werden. Durch einen Manteltarifvertrag können aber sowohl die Höchstdauer als auch die Anzahl der zulässigen Verlängerungen anders geregelt werden.

-->zum Beitrag
Formulierung in Mahnschreiben
Wer einem säumigen Kunden in einem Mahnschreiben ankündigt, ihn im Falle weiterer Zahlungsunwilligkeit "ein auf Inkasso spezialisiertes Mitarbeiter-Team in den Abendstunden persönlich" vorbeizuschicken, muss seinerseits selbst mit einer scharfen richterlichen Abmahnung rechnen (-->zum Beitrag). Der angekündigte "Hausbesuch" kann nämlich vom Empfänger als mehr oder weniger versteckte Drohung verstanden werden, die "Inkasso-Spezialisten" würden ihr Anliegen vor Ort gegebenenfalls auch mit roher Gewalt durchzusetzen.
Abgabefrist für die Steuererklärung
Finanzbehörden dürfen Steuererklärungen, die von einem Steuerberater erstellt werden und deren Abgabetermin normalerweise am Jahresende liegt, vorzeitig anfordern und Abgabetermine ab dem 30. September festlegen. Dafür kommen unterschiedliche Gründe in Betracht: Betroffen sind insbesondere Steuerpflichtige, bei denen sich in den Vorjahren Auffälligkeiten (z.B. hohe Steuernachzahlungen, erhebliche Umsatzsteigerungen oder ein hohes Mehrergebnis bei der Steuerprüfung) ergeben haben.

-->zum Beitrag
Geschwindigkeitsmessung mit Lasergerät
Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät ist es nicht erforderlich, dass ein zweiter Polizeibeamter die Richtigkeit des abgelesenen und in das Protokoll eingetragenen Messwertes des messenden Kollegen kontrolliert. Somit ist das "Vier-Augen-Prinzip" keine Voraussetzung bei einer Verurteilung in einer Bußgeldsache.

-->zum Beitrag
Anschlussflug und Reisegepäck
Fluggäste müssen auf einem Anschlussflug auch dann mitgenommen werden, wenn ihr Reisegepäck erst mit einem späteren Flug transportiert werden kann (-->zum Beitrag). Sollte als zum Beispiel das Gepäck schon beim Abflug eines Zubringerfluges rechtzeitig für beide Flüge abgefertigt worden sein, ist es nicht mehr erforderlich, dass die Reisenden 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges noch einmal einchecken. Es reicht aus, dass sie sich noch vor dem Ende des Einstiegsvorgangs am Flugsteig einfinden, um das Flugzeug zu besteigen – auch wenn das Gepäck nicht mehr rechtzeitig umgeladen werden kann.
Versicherung und Sturmschäden
Bei Sturmschäden decken grundsätzlich die Gebäude-, Hausrat- und Kaskoversicherungen die Kosten ab. Allerdings spricht man bei einem Unwetter erst dann von einem Sturm, wenn mehr als acht Windstärken herrschen bzw. der Wind eine Geschwindigkeit von 62 km/h und mehr erreicht (= 34 kn und mehr).

-->zum Beitrag
Ehrenamtliche Tätigkeit
Wer eine ehrenamtliche Tätigkeit ohne Vergütung ausübt und mündlich von seinem Dienst entbunden wird, hat bei einer Kündigungsschutzklage keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Ausübung von Ehrenämtern dient nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie ist vielmehr Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen.

-->zum Beitrag
Fahrtenbuch als Excel-Datei
Eine Excel-Liste wird als Fahrtenbuch bei einem Dienstwagen nicht anerkannt. Denn in diesem Programm kann jederzeit verändert, hinzugefügt oder weggestrichen werden. Somit ist dies nicht zuverlässig genug für das Finanzamt.

-->zum Beitrag
Wildunfälle und Versicherung II
Beim Ausweichen vor Wild können Autofahrer ihren Teilkaskoversicherungsschutz aufs Spiel setzen (-->zum Beitrag): Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof ist es als fahrlässig anzusehen, wenn ein Autofahrer beispielsweise einem Hasen ausweichen will und dabei einen Schaden verursacht. Beim Zusammenstoß mit kleinen Tieren sind demnach weder für das Auto, noch für den Autofahrer schlimme Schäden zu erwarten.

Gründe für Ablehnung nicht dargelegt

Die Klägerin hat keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar hat die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Das hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen stellen keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen ist. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lässt diesen Schluss nicht zu.

Franzen empfiehlt, dies zu beachten und bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist. (oe)
Weitere Informationen und Kontakt:
Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VdAA-Landesregionalleiter "Bremen", c/o Engel und Partner, Schwachhauser Heerstr. 25, 28211 Bremen, Tel.: 0421 2007331, E-Mail: franzen@dasgesetz.de, Internet: www.dasgesetz.de