Probleme lösen, Umsätze sichern

Beschwerdemanagement – die große Chance

17.12.2010
Warum Beschwerden die Kundenbeziehungen verbessern und Neuaufträge bringen, sagt Martin Schulz.

Gerade in schwierigen Zeiten wird eine starke Kundenbindung als Mittel zur Umsatzstabilisierung ganz besonders attraktiv. Dabei wird den Mitarbeitern zu Recht abverlangt, Kunden auch in den komplexen Situationen des Alltags mit Problemen und Umständen zu versöhnen, wenn es um Beschwerden und nachfolgend mögliche Lösungen geht.

Aus der Beschwerdesituation heraus erwachsen besondere Chancen

Wie können sich Unternehmen diesen "Markt" Beschwerdemanagement überhaupt erschließen? Oder anders gefragt: Wie bekommt ein Unternehmen seine Mitarbeiter im Service und im Vertrieb dazu, jede Kundenbeschwerde als Chance für die Verbesserung der Kundenbeziehung und sogar für Neuaufträge zu nutzen?

Zunächst ganz einfach: Es wird in Form einer Zielvereinbarung in die Arbeitsvorgaben integriert und auch in den variablen Gehaltbestandteilen berücksichtigt. Der Mitarbeiter wird darum informiert, auf seine erweiterten Aufgaben hingewiesen und motiviert, diese aktiv anzugehen. Dazu gehören ergänzend, konkrete Arbeitshilfen, klare Vorgehensweisen und die entsprechenden Qualifikationsmaßnahmen.

Eine weitere Form ist der Auftrag an die Führungskraft: In vielen Fällen wird die Führungskraft der ersten Ebene aus der Mitarbeiterschaft gewonnen. Auf diese Weise wird ein Grundgefühl für die angemessene Kundenorientierung schlichtweg vorausgesetzt - die Übertragung auf den Mitarbeiter inklusive.

Auswahlverfahren bei der Einstellung

Auch eine Reihe von Auswahlverfahren bei der Einstellung sind gang und gäbe. Das nachgestellte Kundengespräch wird hierbei seit Jahren immer noch als K.-o.-Kriterium eingesetzt. So soll der fertige Mitarbeiter nach technischer und Produktschulung seine Aufgabe nahezu autodidaktisch erfassen.

Gelingt es dem Mitarbeiter trotz dieser Maßnahmen nicht, seine Kunden angemessen zu beeinflussen, droht ihm über kurz oder lang die Entlassung. In Zeiten der Leiharbeit ein simpler Anruf für den Auftraggeber. Weniger simpel sind allerdings die Auswirkungen solchen Handelns:

1. Es werden Mitarbeiter in Positionen gestellt, ohne das notwendige Handwerkszeug zu vermitteln. Proaktives Beschwerdemanagement ist ein effektives und effizientes Mittel zur Umsatzsteigerung und Umsatzerhaltung. Diese gilt es in Trainings und Workshops zu erlernen und stetig zu üben.

2. Die entlassenen Mitarbeiter nehmen Betriebswissen und bereits investierte Einarbeitungszeit mit. Dem Unternehmen gehen menschliche Ressourcen verloren und damit einhergehend oft auch ein Stück Menschlichkeit. Eine umfassende Prüfung bevor man sich bindet, fördert nicht nur die Teamstruktur. Auch eine angemessene Passung des Mitarbeiters für sich selbst und damit einer langfristigen Investition des Unternehmens wird begünstigt.

3. Es werden Kunden verloren. Missverständnisse gegenüber Kunden, verpasste Chancen zur Bindung und bestenfalls stagnierende Auftragslagen sind die Folge.

Adäquates Beschwerdemanagement aber greift bereits vor (!) einer Beschwerde.

Wieso Ressourcen für Themen einsetzen, die es noch gar nicht gibt?

Gerade in Zeiten des gesteigerten Sicherheitsbewusstseins ist die Gewinnung neuer Kunden ein mitunter langwieriger und kostenintensiver Prozess. Umso wichtiger ist die Bindung und Neu-Gewinnung bereits bestehender Kunden. Ein Unternehmen, das seine Kunden nur gewinnt aber bei der ersten Ungereimtheit wieder verliert, wird sich auf dem Markt nur kurze Zeit behaupten können.

Das markttaugliche Unternehmen zeichnet sich durch Voraussicht und angemessene Planung aus. So wie der Hausbau die sorgfältige Wahl des Baugrundes, der Nachbarschaft und heutzutage vor allem der notwendigen Energiequellen erfordert, gilt dies für die Planung und Umsetzung eines kundenorientierten Geschäftsaufbaus. Ein altes Sprichwort sagt: "Sorge in der Zeit, dann hast du in der Not" - gut für diejenigen, die bereits langfristig ihren Kundenstamm auf sich eingeschworen haben. Um dies zu erreichen, bedarf es vieler kreativer und bewährter Mittel.

Welche Mittel stehen dem Unternehmen zur Verfügung?

1. Einführung einer angemessenen Eskalationsstruktur und Beschwerdekultur

Indem das Unternehmen sich bereits vor dem Auftreten möglicher Beschwerden des Themas annimmt, nutzt es den Initiativevorteil.

- Welche Personen sind besonders geeignet?

- In welcher Form werden Beschwerden aufgenommen und kommuniziert?

- Welche Herangehensweisen sind bei bestimmten Themen gefordert?

- Aber auch: Was hat in der Vergangenheit für Zufriedenheit gesorgt?

- Warum sind Kunden langjährig bekannt?

2. Förderung der Führungskraft

Eine coachende Führungskraft ist auch in heutigen Zeiten noch ein Novum.

- Wie soll der Chef dem Mitarbeiter seine Ziele vermitteln?

- Was kann eine Führungskraft als Coach erzielen?

Hier erzeugen Trainings die nötige Wissensbasis und vermitteln einen praxisnahen Einstieg in das Thema. Gerade im Kreis anderer Führungskräfte sind Themen wie Unsicherheit im fachlichen und zwischenmenschlichen Bereich greifbar und können gezielt bearbeitet werden.

3. Forderung an und Förderung der Mitarbeiter im gleichen Zuge

Der Mitarbeiter selbst benötigt Unterstützung. In Form von Teamabsprachen, Workshops zu aktuellen Themen und im weiten Feld des Beschwerdemanagements. Anhand von Erlebnissen, weniger denn PowerPoint-Schlachten, erfährt der Mitarbeiter selbst wie positiv eine Beschwerde auf Kunden wirken kann. Der innere Schalter von Kunde zu Anbieter (ähnlich dem Prozess von Fußgänger zu Autofahrer) muss gefunden und situativ genutzt werden.

- Welche Erfahrung hat der Mitarbeiter als Kunde gemacht?

- Welche Verhaltensweisen fielen ihm besonders negativ/positiv auf?

- Was hat für den Mitarbeiter den größten Stressfaktor?

- Wie können Identifikationsthemen aufgegriffen werden?

- Gibt es eine beste Lösung?

4. Den Kunden zurate ziehen

Außerhalb der eigentlichen Beschwerdesituation hat das Unternehmen die Möglichkeit seine Kunden als Berater zu nutzen. Ein offen erfragtes Feedback wird mitunter klarere und besser nutzbare Antworten erzeugen, als ein per Mail versandter Fragebogen.

Besonders in den persönlichen Gesprächen, gilt es die Gelegenheiten zur offenen Wahrnehmungsabfrage zu nutzen:

- Was hat Ihnen in den letzten Monaten an uns gut gefallen?

- Was hat Ihre Entscheidung besonders beeinflusst?

Nach einer Beschwerde:

- Wie hat Ihnen der Umgang gefallen?

- Welche Maßnahmen haben bei Ihnen ein gutes Gefühl erzeugt?

Eine proaktive Kundenbindung fordert aber noch mehr ein, ja erfordert auch ein weitaus tieferes Set an Fähigkeiten.

Dazu gehört es den Kunden auch bei einer gut gelaufenen Geschäftsabhandlung aktiv nach seiner Meinung zu fragen - ob dies anhand eines Fragebogens geschieht oder aber der individuellen Maßgabe des Mitarbeiters ist ein methodischer Glaubenssatz.

Es gilt den Mitarbeiter "an der Front" in die Lage zu versetzen, Signale zu erkennen, bevor der Kunde sie verbal äußert. Im besten Falle sogar bevor eine derartige Situation überhaupt entstehen kann. Dies lässt sich üben, trainieren, erleben. Doch das kostet Zeit und Energie - Ressourcen die in und nach der Wirtschaftskrise vor allem auf ein Patchwork von Finanzmaßnahmen der Kürzung verwandt werden.

Eine nachhaltige Kundenwirtschaft erfordert aber gerade jetzt das bekannte Prinzip des "Deficit spending".

Der Autor Martin Schulz, M.A., ist Verkaufstrainer im Team von Lorenz-Seminare Personality- & Competence-Training, Weidenthal/Pfalz.

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