Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei Betriebsverlegung innerhalb eines Ortes

11.01.2007 von Stephan Engelhardt
Die Verlagerung eines Betriebes stellt keine mitbestimmungspflichtige Versetzung dar.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2006, AZ. 1 ABR 35/05, stellt die Verlagerung eines Betriebes oder räumlich gesonderten Betriebsteils um wenige Kilometer innerhalb derselben Stadt regelmäßig keine mitbestimmungspflichtige Versetzung dar. In einem solchen Fall fehlt es schon an der Zuweisung eines anderen Arbeitsortes, da der Arbeitsort typischerweise nicht ein bestimmtes Betriebsgebäude, sondern der Sitz des Betriebs in einer bestimmten Stadt ist.

Die Arbeitgeberin dieses Verfahrens ist ein Versicherungsunternehmen mit ca. 3.600 Arbeitnehmern und sitzt in C. Wegen Umbauarbeiten verlegte sie zwei Abteilungen, die sich in einem Gebäude in der A-Straße befinden, für die Dauer von neun Monaten in ein drei Kilometer entferntes Betriebsgebäude in der B-Straße, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Die Tätigkeiten der Mitarbeiter, ihre Vorgesetzten und Gruppenstrukturen änderten sich hierdurch nicht.

Der Betriebsrat machte nunmehr geltend, dass es sich bei der Umsetzung der 174 Arbeitnehmer der beiden Abteilungen um Versetzungen gehandelt habe, an denen er gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hätte beteiligt werden müssen. Sein Antrag, mit dem er unter anderem die Feststellung begehrte, dass die Versetzung sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe, hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Das BAG hat dazu ausgeführt, dass die Verlagerung der beiden Abteilungen keine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung der betroffenen Mitarbeiter darstelle.

Eine Versetzung kann zwar auch vorliegen, wenn dem Arbeitnehmer lediglich ein neuer Arbeitsort zugewiesen wird, ohne dass sich seine Aufgaben oder die organisatorische Eingliederung in den Betrieb ändert. Ein neuer Arbeitsort liegt aber schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil, wie hier, lediglich innerhalb derselben Gemeinde verlagert wird. Bei dem Arbeitsort eines Arbeitnehmers handelt es sich regelmäßig nicht um ein bestimmtes Betriebsgebäude, sondern um den Sitz eines Betriebes innerhalb einer bestimmten Stadt.

Auch der Zweck des § 99 BetrVG gebietet bei der Verlagerung von Betrieben oder Betriebsteilen innerhalb derselben Stadt keine Mitbestimmung des Betriebsrats. Anders als bei anderen Einzelmaßnahmen geht es in einem solchen Fall nicht um eine vom Betriebsrat zu kontrollierende Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmern, sondern es sind alle Arbeitnehmer eines Betriebes oder Betriebsteils gleichermaßen betroffen.

Daneben kann die räumliche Verlagerung eines Betriebes innerhalb derselben Stadt zwar mit einer Änderung des außerbetrieblichen Umfelds und des Anfahrtsweges verbunden sein, derartigen Veränderungen kommt aber für die Frage des räumlichen und inhaltlichen Arbeitsbereichs keine wesentliche Bedeutung zu.

Der Autor ist Landesregionalleiter "Hamburg" der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. Kontakt und weitere Informationen: Stefan Engelhardt, Rechtsanwalt RWWD Hamburg, Alte Rabenstraße 32, 20148 Hamburg, Tel.: 040 530 28 - 204 Fax: 040 530 28 - 240, e-Mail: stefan.engelhardt@rwwd.de www.rww.de. (mf)